"Einfluß der Lastverteilungen über die Zuglänge auf den Fahrtverlauf von Zügen und Rangierabläufen"; Dissertation 27.11.1986
Bei überschläglichen Berechnungsverfahren für Zugfahrten und Rangierabläufe wird oftmals die gesamte Masse als in einem Punkt konzentriert betrachtet. Genauere Verfahren, die insbesondere für Untersuchungen zum Rangierbetrieb und zu dessen Steuerung angewandt werden, berücksichtigen demgegenüber die Art der Massenverteilung.
In dieser Arbeit wird ein Simulations-Programmsystem vorgestellt, das der Bearbeitung von speziellen Fragestellungen aus dem Bereich der Fahrdynamik von Eisenbahnfahrzeugen dient. Es ist in der Programmiersprache BASIC2 auf einer Rechenanlage vom Typ WANG-MVP in Form einzelner Programmkomponenten erstellt. Der Programmablauf wird im Dialogbetrieb gesteuert. Wegen der systematischen Unterschiede enthält das Programmsystem jeweils spezielle Komponenten für die Simulation von Zugfahrten und Rangierabläufen. Andere Einzelprogramme, besonders für die ebenfalls dialoggeführte Datenein- und -ausgabe, werden für beide Anwendungsfälle gleichermaßen genutzt.
Die Simulationsprogramme sind insbesondere geeignet, die Art der Massenverteilung in einem Zug oder Rangierablauf durch Wahl entsprechender Eingabedaten in jeder gewünschten Feinheit zu berücksichtigen. Diese Möglichkeit wurde für eine systematische Untersuchung des Einflusses der Lastverteilung bzw. deren modellhafter Abbildung auf den Fahrtverlauf genutzt.
Der erste Teil der Arbeit befaßt sich mit Zugfahrtsimulationen. Die Ergebnisse belegen, daß insbesondere der Verlauf von Anfahrten schwerer Züge im Bereich von Neigungswechseln in starkem Maße von der Art der Lastverteilung abhängt. Simulationsrechnungen, die auf der Basis vereinfachender Modellannahmen durchgeführt werden, können mit zum Teil erheblichen Fehlern behaftet sein. Die in diesem Teil der Arbeit ermittelten Fahrzeitdifferenz-Diagramme ermöglichen eine schnelle, einfache Quantifizierung des Berechnungsfehlers für ein breites Spektrum betrieblich relevanter Zug- und Streckendaten.
In anderen Fällen wurde festgestellt, daß die Art der Massenverteilung und deren Darstellung bei der Simulationsrechnung keinen nennenswerten Einfluß auf den Fahrtverlauf hat. In weiteren, auf den Ergebnissen dieser Arbeit aufbauenden Untersuchungen wäre deshalb zu prüfen, ob z. B. die Streckencharakteristik - Häufigkeit und Ausmaß der Neigungswechsel - quantifiziert werden kann und ein nachweisbarer, allgemeingültiger Zusammenhang zwischen Strecke, Art der Massenverteilung im Zug und Fahrzeitabweichungen besteht.
Die in dieser Arbeit erläuterten Beispiele ermöglichen aber auch ohne die Formulierung eines gesetzmäßigen Zusammenhanges die Abschätzung der möglichen Berechnungsfehler bei der Wahl eines vereinfachten Massenverteilungsmodells bzw. infolge unterschiedlicher Lastverteilungen im Zug. Zusammenfassend kann die Empfehlung ausgesprochen werden, bei der Berechnung von Zugfahrten auf Strecken mit wechselnden Neigungen das bislang häufig angewandte Modell eines Massepunktes an der Zugspitze auf jeden Fall zugunsten des Modells eines Massepunktes in Zugmitte zu verlassen. Mit diesem Modell wird ein wesentlich breiteres Spektrum realer Massenverteilungen mit geringeren Fehlern beschrieben als mit dem Modell eines Massepunktes an der Spitze.
Bei höheren Genauigkeitsanforderungen, insbesondere bei Strecken mit extremen Trassierungselementen und bei Zugfahrten im Bereich der Leistungsgrenze des Triebfahrzeuges, ist es jedoch ungeachtet der obigen Empfehlung anzuraten, ein Berechnungsverfahren zu wählen, das die tatsächliche Massenverteilung über die Zuglänge möglichst genau abbilden kann, wobei sich das Massebandmodell als gut geeignet erwiesen hat.
Im zweiten Teil der Arbeit werden die zur Simulation von Rangierabläufen dienenden Programme erläutert. Die Ergebnisse zeigen, daß der Einfluß der Lastverteilung in Wagengruppen auf deren Ablaufverhalten von ausschlaggebender Bedeutung ist. Aufgrund dieser Erkenntnisse berücksichtigen die meisten der bekannten Verfahren zur Rangierablaufsimulation die Massenverteilung in den Abläufen. Es konnte nachgewiesen werden, daß die Wahl eines Berechnungsmodells mit bandförmiger Massenverteilung praktisch die gleichen Ergebnisse erbringt wie das vom Prinzip her genaueste Verfahren mit Abbildung jeder einzelnen Achse.
Als ein weiteres Ergebnis dieser Arbeit werden die Laufzeiten und Laufzeitunterschiede aufgezeigt, die sich für Abläufe vom Berg bis zur Talbremse bei Variation der Kenndaten der Abläufe (Länge, Gewicht, Massenverteilung, Laufeigenschaften) und der Abdrückgeschwindigkeit ergeben. Die hier für ein konkretes Beispiel gewonnenen Daten könnten nach entsprechender Verallgemeinerung als Grundlagen für weitergehende Untersuchungen zur Steuerung der Tal- und Richtungsgleichsbremse oder der Variation der Abdrückgeschwindigkeit dienen
Die vorgestellten Programme zur Zugfahrt- und Rangierablauf-simulation zeichnen sich durch einen konsequent modularen Aufbau aus. Infolgedessen ist es leicht möglich, einzelne Komponenten (z. B. Widerstandsformeln) zu Vergleichszwecken zu ersetzen oder die bestehenden Programmodule zum Zweck weiterführender Forschungen zu ergänzen. So sollten nach entsprechenden Programmänderungen ergänzende Studien zum Energiebedarf von Zugfahrten auf der Basis einer genaueren Berücksichtigung des Wirkungsgrades der Triebfahrzeuge durchgeführt werden.