"Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kombinierten Verkehrs in der Dritten Welt - dargestellt am Beispiel Ägyptens"; Dissertation 03.11.1989
Aufgrund unterschiedlicher Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen in Ländern der Dritten Welt bestehen erhebliche Unterschiede zu den Industrieländern bezüglich Art und Quantität der transportierten Güter. In Ländern der Dritten Welt werden vergleichsweise mehr landwirtschaftliche Produkte befördert. Außerdem liegt das Transportvolumen pro Einwohner niedriger als in den Industrieländern.
In der vorliegenden Arbeit ist am Beispiel Ägypten eine Verkehrsplanung für den containerisierbaren Güterverkehr erstellt worden. Es wurde untersucht, welchen Beitrag ein kombiniertes Verkehrssystem auf Containerbasis für das Hinterland der Seehäfen leisten kann.
Zu diesem Zweck wurde in der Arbeit zunächst die Güterverkehrssituation in Schwellenländern analysiert. Dabei zeigte sich, daß ägypten als prägnantes Beispiel für die Güterverkehrssituation in Schwellenländern besonders geeignet ist: Der Straßengüterverkehr nimmt eine dominante Stellung im inländischen Güterverkehr gegenüber dem Schienengüterverkehr und der Binnenschiffahrt ein. Die Bahn transportiert fast nur Massengüter in Direktzügen von der Quelle zum Ziel. Das Schienennetz ist mit dem vorrangig betriebenen Personenverkehr voll ausgelastet, und der Güterverkehr beschränkt sich im wesentlichen auf den Nachtbetrieb.
Das Wasserstraßennetz dient hauptsächlich Bewässerungszwecken. Nur ein kleiner Teil des Netzes ist für Gütertransporte geeignet; auf diesem werden Massengüter transportiert.
Ein Planungsverfahren für Systeme des Güter- und kombinierten Verkehrs in Schwellenländern muß nicht nur auf zum großen Teil unvollständigem und wenig detailliertem statistischen Basismaterial aufbauen, sondern auch auf politische und wirtschaftliche Veränderungen reagieren können.
Als Planungshilfsmittel für die Abwicklung des Güterverkehrs in der Dritten Welt wurde in der vorliegenden Arbeit ein EDV-Programm "KVENT" erstellt. Aufbauend auf einer Strukturanalyse wurde der Güterverkehrsmarkt in kV-relevante Güterbereiche auf-geteilt. Für die vorwiegend von der Siedlungsstruktur abhängigen Marktsegmente wurden Erzeugungsraten-Modelle für die Prognose angewandt.
Aufgrund des Systems von Devisenbewirtschaftung sowie der kurzfristig änderbaren wirtschaftspolitischen Gesetzgebung, die den Import der Stückgüter (hochwertige Konsumgüter) wesentlich beeinflussen, wurden die Importgüter per Container mit der Szenario-Technik prognostiziert.
Hierbei wurde die Wirtschaftspolitik in ägypten in sechs Szenarien abgeschätzt und ihre Auswirkungen auf die Mengen der importierten Stückgüter quantifiziert. Die Annahmen reichen von einem Wirtschaftsmodell ,,Staatsrestriktionen' bis zum Modell ,,freier Markt". Je nach den Bedingungen, die ein Wirtschaftsmodell formuliert schlägt eine wirtschaftspolitische Maßnahme sofort oder zeitlich versetzt, stetig oder sprunghaft auf die Nachfrage durch. Diese Zusammenhänge lassen sich mit der Szenario-Technik erfassen.
Das hier entwickelte Planungsverfahren mit Hilfe des Programmpakets KVENT bildet alle Komponenten des kombinierten Verkehrs von einer Mengenprognose über die Anlagenbemessung und Zugplanung bis hin zur Kostenrechnung in einem EDV-Modell ab. Hiermit lassen sich auch weitere Szenarien zu möglichen zukünftigen wirtschaftspolitischen Entwicklungen durchrechnen.
Aus Gründen der Verkehrssicherheit und Straßenentlastung müssen die ägyptischen Staatsbahnen neue Betriebskonzepte für den kombinierten Verkehr entwickeln. Die Eisenbahn muß die Zahl der angefahrenen Ziele auf wenige Wirtschaftsschwerpunkte beschrän-ken. Dann können artreine Ganzzüge zwischen den Häfen und dem erforderlichen Binnenumschlagbahnhof ausgelastet gefahren werden. Diese Konzeption fördert ebenfalls eine Kooperation mit dem Lkw, dem die Feinverteilung der Container vom Binnenterminal aus obliegt. Diese Bedingungen werden im Rahmen eines vorgeschlagenen Pendelverkehrssystems erfüllt.
Um das Pendelsystem auch unter allen unsicheren Aspekten einer zu erwartenden wirtschaftspolitischen Gesetzgebung einrichten zu können, wurde ein Maßnahmenkatalog für kurzfristige, mittelfristige und langfristige Zeiträume je nach dem zu erwartenden Wirtschaftsmodell aufgestellt.
In den Ergebnissen zeigt sich, daß der kombinierte Verkehr mit Containern auch in der Dritten Welt eine Zukunft haben kann.