Ein zentraler Schwerpunkt innerhalb von Mobilise ist der hybride Leichtbau, der in der Open Hybrid LabFactory e. V. (OHLF) erforscht wird. Eine besondere Herausforderung für die Entwicklung neuer Technologien zur Herstellung funktionaler Strukturen in Multimaterial-Bauweise besteht in der Entwicklung geeigneter Simulationsmethoden zur Auslegung und Bewertung von Fertigungsprozessen, Prozessketten und Fabriken. Hierzu ist eine Nachwuchsgruppe „Simulationsmethoden für die Fertigung und Prozesskettenauslegung hybrider Bauteile“ zur Vernetzung der Kompetenzen der beteiligten Forschungseinrichtungen in der OHLF installiert.
Ziel der Nachwuchsgruppe ist die Entwicklung und Etablierung eines Konzepts zum integrierten computergestützten Produkt- und Produktionsengineering. Innerhalb dieses Konzepts werden verschiedene Einzelsimulationsmodelle entlang des Produktentstehungsprozesses gekoppelt. Diese Kopplung dient einer ganzheitlichen Betrachtung der Produktentstehung, um technologische, ökonomische und ökologische Forschungsfragen betrachten zu können. Neben der Bereitstellung geeigneter und durchgängiger Simulationsmethoden zur Auslegung und Bewertung von Fertigungsprozessen, Prozessketten, Fabriken und den damit einhergehenden Produkteigenschaften liegt ein weiteres Forschungsziel in der Überführung von Engineeringdaten (Simulationsdaten) in die Produktionsphase. In Verbindung mit zusätzlichen Daten (Sensoren, Maschinen) aus dem laufenden Produktionsbetrieb und datengetriebener Methoden ermöglicht dies eine resiliente Produktion.
Im Rahmen des integrierten computergestützten Produkt- und Produktionsengineering wird zwischen den drei Ebenen Produkt, Prozess und Prozesskette-/Fabrik unterschieden. Auf jeder Ebene werden unterschiedliche Simulationsmethoden im Hinblick auf den gewünschten Detaillierungsgrad eingesetzt. Die Produkteigenschaften wie z.B. die mechanische Leistungsfähigkeit (z.B. Festigkeit, Steifigkeit) werden hauptsächlich durch Strukturparameter, wie z.B. Faserorientierung oder Verbundhaftung, beeinflusst. Diese Größen sind wiederum hauptsächlich durch den Fertigungsprozess bestimmt. Daher haben die Prozessparameter einen signifikanten Einfluss auf die Strukturparameter und damit auf die Produkteigenschaften. Der Zusammenhang zwischen Prozess- und Strukturparametern wird in einer virtuellen Prozesskette mittels der Finite-Element-Methode (FEM) untersucht. Da detaillierte FEM-Simulationen sowohl auf Produkt- als auch auf Prozessebene zeitaufwendig sind, werden hier gezielt Modellreduktionsverfahren und datengetriebene Ersatzmodelle (Surrogate) eingesetzt. Diese ermöglichen die Durchführung schneller Parameterstudien mit hinreichender physikalischer Detailgenauigkeit.
Neben physikalischen Eigenschaften können auch Zykluszeiten, Temperaturen und Maschinendrücke bereits mittels FEM abgeschätzt werden. In Verbindung mit Maschinendaten werden die auf der Prozessebene gewonnenen FEM-Daten als Input für die Prozesskettensimulation verwendet. Auf der Prozessketten-/ Fabrikebene ist die physikalische Detailbetrachtung der Prozesse weniger relevant, sodass hauptsächlich agentenbasierte und diskrete Ereignissimulationen in Verbindung mit Surrogaten aus der Detailsimulation genutzt werden. Die integrierte Betrachtung erlaubt es, während der Produktentwicklung Effekte und Wechselwirkungen auf jeder Ebene virtuell zu bewerten, um so die Entwicklungszeiten zu beschleunigen und die Vorhersagegüte zu verbessern. Zusätzlich wird durch die Erzeugung echtzeitfähiger Ersatzmodelle auf Basis von Simulationsdaten aus der Engineeringphase eine modellbasierte Qualitätsprognose ermöglicht. Diese kann bspw. für eine inline-Qualitätssicherung genutzt werden um prozessabhängige Qualitätseigenschaften ohne direkte Sensorik bestimmen zu können (siehe Abbildung).