Bedingt durch den hohen globalen Mobilitätsbedarf und der steigenden Anzahl an Verkehrsflugzeugen, ist vor dem Hintergrund der europäischen Luftfahrt-Emissionsziele eine deutliche Verbrauchsreduzierung unabdingbar. Zukünftigen Flugzeugantrieben kommt hierbei eine wesentliche Bedeutung zu. Bei der Entwicklung effizienterer Triebwerke besteht jedoch ein klassischer Zielkonflikt zwischen der Steigerung des Vortriebwirkungsgrades bei gleichzeitiger Verringerung des aerodynamischen Widerstandes der Gesamtflugzeugkonfiguration. Die Erhöhung des Vortriebswirkungsgrades kann unter anderem durch die Vergrößerung des Bypass-Verhältnisses und somit mit einer Erhöhung des zu beschleunigenden Massenstroms erreicht werden. Im Ergebnis bedingt dies eine Vergrößerung der Fan-Stufe des Triebwerkes, was den Anteil der am Kerntriebwerk vorbei beschleunigten und schuberzeugenden Sekundärströmung erhöht. Gleichzeitig ist hiermit jedoch auch eine Erhöhung des Gesamtwiderstandes des Flugzeuges, durch die notwendige Vergrößerung der Triebwerksgondel, verbunden. Auf der anderen Seite sollen widerstandsoptimierte Triebwerke jedoch keine Verschlechterung der Effizienz nach sich ziehen.
Da der Gondel-Einlaufdurchmesser direkt über das benötigte Bypass-Verhältnis festgelegt wird, kann eine Widerstandsreduzierung in erster Linie nur durch Verringerung der Länge und des Lippen- bzw. Nasenradius des Einlaufes erfolgen. Dies erfordert jedoch ein deutlich tiefergehendes Verständnis der Wechselwirkung von Einlauf und rotierendem Fan, da beide Faktoren (Länge und Nasenradius) wesentlich durch das Ziel einer homogenen und ablösungsfreien Strömung in den Fan definiert werden. Für derartige neue Fan-Einläufe ist eine aerodynamisch aggressivere Auslegung nötig, die nur in Kenntnis der detaillierten aerodynamischen Wechselwirkung möglich sein wird.
Die heute gängige Entwicklungspraxis basiert auf der Schnittstelle zwischen den Antriebsherstellern (verantwortlich für den Fan) und den Flugzeugherstellern (verantwortlich für die Gondel und damit auch den Einlauf) und der individuellen Wettbewerbssituation und mündet darin, dass kombinierte Versuche zwischen Einlauf und Fan erst sehr spät innerhalb eines konkreten Entwicklungsprojektes stattfinden. Die hierbei aufgezeigten Änderungsbedarfe führen somit in der Regel zu sehr hohen Kosten und zeitlichen Verzögerungen. Vorgeschaltete Modellexperimente finden dagegen eher getrennt für den Gondeleinlauf und Fan statt.
Das Ziel des Infrastrukturprojektes ist die Schaffung einer experimentellen Infrastruktur und damit einer Untersuchungsmöglichkeit für genau diese Wechselwirkung zwischen Gondeleinlauf und Fan von UHBR-Triebwerken. Hierzu soll ein generisches, d.h. universell einsetzbares und modular aufgebautes, skaliertes Testmodell, in Form eines für die angestrebten hohen Bypass-Verhältnisse repräsentativen Fan-Einlaufes entwickelt und aufgebaut werden. Dies erlaubt neben den notwendigen detaillierten Untersuchungen zur aerodynamischen Wechselwirkung auch eine detaillierte Untersuchung der aeroelastischen Anregung. Zusätzlich zur beschriebenen Gestaltung des Versuchsstandes, sollen außerdem moderne messtechnische Verfahren wie z.B. bildgebende Geschwindigkeits- und Verformungsmessverfahren (PIV und DIC) kombiniert zum Einsatz kommen.
Die erlangten Ergebnisse sollen des Weiteren für die Validierung der in der Forschungs- und Entwicklung eingesetzten numerischen Methoden dienen. Weiterhin können aus den Ergebnissen direkt neue bzw. erweiterte aerodynamische und aeroelastische Designrichtlinien für zukünftige Antriebe zur industriellen Verwendung abgeleitet werden. Der Versuchsstand stellt dabei gleichzeitig den Rahmen für die experimentelle Untersuchung und Erprobung neuer Auslegungen in der industriellen Anwendung dar, indem es eine definierte Schnittstelle und gleichzeitig Referenzdaten zur Verfügung stellt. Somit können neue Einlaufgeometrien für ganz unterschiedliche Flugzeugkonfigurationen experimentell untersucht und bewertet werden. Ein solcher generischer Versuchsstand für gekoppelte Fan-Einlauf Untersuchungen mit aerodynamischem oder aeroelastischem Fokus stellt eine in dieser Form völlig neue experimentelle Umgebung dar und ist heute weder im nationalen noch im internationalen Umfeld verfügbar.
Derzeit besitzen Industrieunternehmen, wenn überhaupt, nur sehr begrenzte Testmöglichkeiten bzw. Möglichkeiten für anwendungsnahe Untersuchungen wie z. B. Versuche ohne Schräganströmungseffekte, welche jedoch mit dem Versuchsstand am Institut für Flugantriebe und Strömungsmaschinen möglich werden.