Goldchlorid (Juni)

Objekt des Monats

An dieser Stelle stellen wir in regelmäßigen Abständen besonders interessante Objekte aus der pharmaziehistorischen Sammlung Braunschweig vor. Neben dem großen, von Wolfgang Schneider in den 1950er Jahren begonnenen Bestand der Forschungssammlung befinden sich heute auch Objekte aus pharmakognostischen Sammlungen sowie aus verschiedenen Apotheken des 19. und 20. Jahrhunderts im Bestand. Auf der rechten Seite finden Sie einige Objekte aus den vergangenen Monaten!

Wie kommt die rote Farbe ins Glas (Goldchlorid)

[Abb. 1] Gold(III)-chlorid: Ausgangssubstanz zur Herstellung von Goldverbindungen und Komplexen

Viele Pharmaunternehmen, wie Merck, Fresenius oder Schering sind aus einer Apotheke hervorgegangen. Aber auch die Geschichte anderer Unternehmen beginnt in einer Apotheke. Das Objekt dieses Monats “Goldchlorid“ wurde von der Heraeus GmbH hergestellt. Der Ursprung des Unternehmens reicht bis in das 17. Jahrhundert zurück.

1668 eröffnete Isaac Heraeus (1636–1676)  am Marktplatz in Hanau seine Apotheke unter dem Namen „Zum weißen Einhorn“. Wilhelm Carl Heraeus (1827-1904) übernahm im Jahre 1851 in der 7. Generation die Apotheke. Ihm gelang das Schmelzen von Platin in Kilogramm-Mengen. Heute gilt Heraeus als eine der ältesten Apotheker- und Unternehmer-Dynastien in Deutschland und ist einer der größten Edelmetalldienstleister weltweit.

Gold(III)-chlorid (AuCl3,  Aurum chloratum) entsteht beim Lösen von Gold in Königswasser, einer Mischung aus konzentrierter Salz -und Salpetersäure. Nach Weiterverarbeitung der Lösung bilden sich dunkelrot-orange Kristalle [Abb. 1]. Heute wird AuCl3 durch Überleiten von Chlorgas über fein verteiltes Gold bei 250 Grad Celsius hergestellt. Es dient auch als Ausgangsmaterial für medizinisch verwendete organische Goldkomplexe zur Behandlung von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (z.B. Ridaura®, Tauredon®).

Die Löslichkeit von Gold in Königswasser war schon im 8. Jahrhundert bekannt. In der alchemistisch begründeten chemiatrischen Zeit nach 1600 nahm das Interesse an Goldpräparaten, wie dem „Trinkgold“ (Aurum potabile) zu, dem eine lebensverlängernde Wirkung und zahlreiche Heileffekte nachgesagt wurde.

In den deutschen Apotheken des 19. Jahrhunderts wurde entsprechend der Pharmacopoeia Germanica (1872) Auro-Natrium chloratum (Chlorgoldnatrium) hergestellt. Das Salz aus Gold(III)-chlorid  und Natriumchlorid  war nach Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis (1876) von „caustischer [ätzender], in größerer Gabe aber von giftiger Wirkung“. Eingesetzt wurde es innerlich in Pillen oder Pulvern und äußerlich in Salben und Pulvern bei Syphilis, Krebs und weiteren Indikationen. Die Lösung wurde auch zum Färben von Haaren verwendet. Insgesamt spielte die Substanz in der Medizin eine unbedeutende Rolle.

[Abb. 2] Facettiertes Becherglas, rubinrot (sogen. Kunckel-Glas), https://www.museum-waldenburg.de/

Gold(III)-chlorid war aber für Goldtonbäder in der Fotografie und für die galvanische Vergoldung wichtig. Besondere Bedeutung erlangte es aber bei der Herstellung von Goldrubinglas. Berühmter Erfinder des roten Glases war der Alchemist und Glasmacher Johann Kunckel (1630-1705). Kunckel erlernte das Glasmacherhandwerk bei seinem Vater und befasste sich mit Pharmazie und Chemie. Seine Versuche, unedle Metalle in edle zu verwandeln, (alchemistische Transmutationsversuche) blieben ohne Erfolg. Allerdings gelang es Kunckel, die komplizierten Herstellverfahren zu perfektionieren und Goldrubinglas in hoher Qualität zu erzeugen, die auch als „Kunckel-Glas“ Berühmtheit erlangten. Das abgebildete Glas [Abb. 2] aus der Linck-Sammlung im Museum Waldenburg ist im gleichnamigen Index aufgeführt als "Ein rubinroter Becher, von dem berühmten Kunkel, der ihn aus Rubinfluße, so aus Golde bestanden, selbst verfertigt hat."

Zur Herstellung des Rubinglases wurde der Glasmasse Gold(III)-chlorid hinzugefügt. Doch zunächst blieb das Glas farblos. Erst nach erneutem Erhitzen bei 500 bis 700 Grad Celsius erschien die brillante, rubinrote Farbe. Auch diese Farbe ist vergänglich – Wissenschaftler der Technischen Universität München fanden heraus, dass die rote Färbung wieder verschwindet, wenn das Glas abermals auf 1400 Grad Celsius erhitzt wird.

Von Anette Marquardt

Wir danken Dr. Henry Bosse, Lingen für die großzügige Überlassung des Goldchlorids.