An dieser Stelle stellen wir in regelmäßigen Abständen besonders interessante Objekte aus der pharmaziehistorischen Sammlung Braunschweig vor. Neben dem großen, von Wolfgang Schneider in den 1950er Jahren begonnenen Bestand der Forschungssammlung befinden sich heute auch Objekte aus pharmakognostischen Sammlungen sowie aus verschiedenen Apotheken des 19. und 20. Jahrhunderts im Bestand. Auf der rechten Seite finden Sie einige Objekte aus den vergangenen Monaten!
Fans der Serie "Outlander" kennen „Bitter Cascara“. In zwei Filmszenen, die im Paris des Jahres 1744 spielen, kommt das angebliche „Gift“ zum Einsatz:
Natürlich stirbt niemand durch dieses Mittel. Aber gab es das tatsächlich oder war es reine Fiktion?
„Bitter Cascara“ ist kein Phantasieprodukt. Es handelt sich um eine bitter schmeckende Zubereitung aus der Stamm- und Astrinde des amerikanischen Faulbaums Frangula purshiana (DC.) J.G. Cooper, synonym Rhamnus purshianus (DC.), aus der Familie der Rhamnaceae (Faulbaumgewächse). Ursprünglich war der Strauch oder kleine Baum, dessen Rinde einen fauligen Geruch aufweist, in Nordamerika und Kanada beheimatet.
Die Rinde enthält Anthron und Anthranol. Diese Wirkstoffe oxidieren durch künstliche Alterung in zweijähriger Lagerung oder durch eine längere Hitzebehandlung zu Anthrachinonen. Die Anthrachinone und deren Derivate werden als Abführmittel eingesetzt und kommen auch in Sennesblättern, Aloesaft und Medizinal-Rhabarberwurzeln vor. Anforderungen an die Qualität der Rindendroge sind heute im Europäischen Arzneibuch (PhEur) festgelegt.
Wegen dieser abführenden Eigenschaften wurde die Cascararinde als Aufguss und in Form von Extrakten, Cascara Sagrada-Pillen oder Cascara Sagrada-Wein (das abgebildete Objekt aus der Sammlung) zur kurzfristigen Behandlung der Verstopfung verwendet. Ein „entbitterter“ Extrakt - Extractum Rhamni Purshiani fluidum wurde bevorzugt verwendet.
Zubereitungen aus der frischen Pflanzendroge hingegen verursachten Brechreiz, krampfartige Magen-Darm-Beschwerden oder blutige Diarrhöen. Diese Symptome verschwinden nach kurzer Zeit. Die Cascara-Zubereitung aus der Pariser Film- Apotheke wurde also vorsätzlich aus frischen Pflanzen hergestellt; die arzneiliche Anwendung stand hierbei vermutlich nicht im Vordergrund. Ob die Droge schon im 18. Jahrhundert in französischen Apotheken vorhanden war, muss noch weiter recherchiert werden, denn eigentlich erschien sie erst 1908 im französischen Arzneibuch „Codex medicamentarius Gallicus = Pharmacopée française“.
Nach Wolfgang Schneiders Lexikon zur Arzneimittelgeschichte wurde die Rinde 1877 in den amerikanischen Arzneischatz eingeführt und kam etwa um 1883 nach Europa. Möglicherweise brachte aber ein anderer Zeitreisende die Rinde vor 1744 nach Paris.
Von Anette Marquardt