2. Säftelehre

Im antiken Griechenland war die Vorstellung verbreitet, dass jede Krankheit auf ein Missverhältnis von Säften zurück zu führen ist. Die Säfte, die in jedem Menschen in unterschiedlichen Verhältnissen vorkommen sind Blut, Schleim/ Phlegma, gelbe Galle und schwarze Galle. Ihnen wurden je zwei Qualitäten zugeordnet. Die Qualitäten sind warm, kalt, feucht und trocken. Alles in der Natur ist, dieser Theorie folgend, aus diesen vier Qualitäten aufgebaut, so auch die arzneilich verwendeten Pflanzen. Da Gesundheit auf ein intaktes, natürliches Verhältnis zurückzuführen ist (Eukrasie) und Krankheit eine Folge des Missverhältnisses (Dyskrasie) ist, dienen Pflanzen mit entgegengesetzter Komplexion der Therapie. Beispielsweise ist eine Krankheit mit feucht-kaltem Charakter durch eine Pflanze zu therapieren, die von trocken-warmer Natur ist.[1]

Später wurden diesem einfachen Modell noch Eigenschaften hinzugefügt. Das sind zum einen, die platonischen Körper und die vier Temperamente. Von Griechenland aus gelangte die Säfte-Lehre in das Römische Reich und wurde von Galen aufgegriffen. Er erweiterte das Modell um weitere Unterklassen und trug so dazu bei, dass die Lehre zunehmend komplexer wurde.[2] In der Renaissance wurde das Wissen um die Säfte-Lehre ins Deutsche übersetzt, kommentiert und erweitert. Die AutorInnen beziehen dabei handschriftliche und mündlich überlieferte Texte mit ein.[3]

Die zunehmende Komplexität führte dazu, dass vermehrt eine andere Begrifflichkeit Einzug hielt. Die AutorInnen sprechen von Verfestigung, Verflüssigung, Verstopfung, Schärfe, Bitterkeit und Salzigkeit zur Charakterisierung.[4] In den Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts wurde in den Beschreibungen der Pflanzen die Komplexion der einzelnen erwähnt.

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[1] Hickel, Erika (2008): Die Arzneimittel in der Geschichte. Trost und Täuschung – Heil und Handelsware. Nordhausen: Traugott Bautz GmbH.
[2] Ebd.
[3] Wahrig, Bettina (2006): Kräuterwissen historisch gesehen. In: Hornbostel, Kerstin (Hg.): Magie der Natur. Heilpflanzen von und für Frauen gestern und heute. Braunschweig: Abteilung für Geschichte der Naturwissenschaften mit Schwerpunkt Pharmaziegeschichte TU Braunschweig, S.13-14.