"Verhaltensprognose und Nutzen-Kosten-Analyse für die Oberbauinstandhaltung von Schienenbahnen"; Dissertation 18.06.1993
Mit den vorgelegten Ansätzen und der Umsetzung in Funktionen und Abhängigkeiten wurde zum ersten Mal versucht, ein konsistentes und abgesichertes Erklärungsmodell der Ursache-/ Wirkungs-Zusammenhänge aller wesentlichen Einflußgrößen des Oberbaus zu erarbeiten.
Zunächst wurden die vorhandenen umfangreichen Datenbestände der DB gesichtet und auf ihre Brauchbarkeit für ein Oberbaumodell hin untersucht. Es wurde versucht, konsistente auf einem einheitlichen Genauigkeitsniveau befindliche Datenreihen zu erhalten. Diese Zeitreihen wurden in einen Gesamtzusammenhang gestellt, um die Einflüsse verschiedener Ursachen von einander zu trennen. Aus der Vielzahl der Parameter sind zwei für den Substanzverzehr wesentlich zu nennen: die seit dem Einbau darübergerollte Last und die Geschwindigkeit. Bei nur mäßig belasteten Gleisen tritt auch der Zeitfaktor hinzu.
Um den Oberbau wie ein ,"Profit-Center" betreiben zu können, ist es nötig, ihm Einnahmen zuzuschneiden, auch wenn dies im ersten Schritt nur fiktiv als Anteil über die generellen Einnahmen pro Reisenden-Kilometer oder Tonnen-km geschehen kann. Positiv kann der Oberbau auf eine Einnahmemehrung einwirken, indem die Verfügbarkeit der Gleisanlage durch eine geringere Anzahl an Baustellen steigt oder eine höhere Geschwindigkeit zulässig ist. Negativ wirkt sich aus, wenn der Oberbau bei Meiner werdendem Budget nicht mehr ausreichend den Substanzverzehr auffangen kann und deshalb die zulässige Geschwindigkeit aus Sicherheitsgründen vermindert werden muß. Gleiches gilt, wenn die Anzahl der Baustellen erhöht wird und damit das Verspätungsniveau steigt.
Um den Substanzverzehr aufzufangen, muß in den Oberbau regelmäßig investiert werden. Dies kann durch eisenbahneigene Personale, Materialien und Maschinen geschehen aber auch durch Geld, wenn Unternehmerleistungen eingekauft werden. In jedem Fall sind die Besonderheiten des Oberbaumarktes als Spezialfall des Baumarktes zu beachten. Das Volumen dieses Spezialmarktes ist wegen der hohen Spezialisierung nur sehr begrenzt erweiterbar, da Maschinen eine lange Lieferfrist haben und ein sehr hohes Auslastungsrisiko besteht. Auch Personale sind nur über einen längeren Zeitraum ausbildbar. Bei sinkendem Marktvolumen verbleibt entweder bei der Bahn oder dem Unternehmer ein hoher Fixkostenanteil. Für die Beschreibung der primär anfallenden Oberbauarbeiten wurden zwölf Standardbaustellen defi-niert und nach Geld- und Personalbedarf, Maschineneinsatz und Material durchgerechnet.
Mit dieser Beschreibung des Oberbauverhaltens und der dem Oberbau zuscheidbaren Einnahmen und Ausgaben kann ein strategisches Oberbaumodell erstellt werden. Es muß aus den Teilen Datenbank mit dazugehörenden Auswerteprogrammen und aus einer Beschreibung der Regelkreise im Oberbau und der angrenzenden Teilgebiete sowie einem Trassen-management bestehen. Bei der Kostenrechnung ist insbesondere zu beachten, daß die normale Betriebliche Kostenrechnung im Verkehrswesen kaum angewendet werden kann, da erhebliche strukturelle Unterschiede bestehen.
Zur Umsetzung der Funktionen und Parameter in ein EDV-Modell wurden verschiedene Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Insbesondere in dem Bereich der sozioökonomischen Wissenschaften ist das Prinzip System Dynamics verbreitet. Als erster Entwurf wurde ein SD-Modell für das HAS-Streckennetz der DB entwickelt. Vorteil des SD-Programmsystems Dynamo ist die relativ hohe Vebreitung, nachteilig dagegen die nicht mehr zeitgemäße Entwicklungsumgebung und die nur sehr mäßige grafische Unterstützung. Insgesamt ist als Fazit herauszustellen, daß Lösungen mit Standardsoftware zwar für beschränkte Fragestellungen und aufbereitete Zeitreihen vorteilhaft sind, für eine spezielle Anwendung wie hier im Oberbau aber eine eigene Programmierung auf Fortran-Basis unter Zuhilfenahme vorhandener Programmpakete die geeignetere Lösung ist. Nur so ist eine Implementierung einer Datenbank möglich, weiterhin wird auf diese Weise eine vollständige statistische Aufarbeitung der Daten erlaubt, und alle interessierenden Fragestellungen sind mit der gewünschten Qualität und grafischen Darstellung zu beantworten.
Als letzter Punkt der Arbeit wurde ein Fazit zu den vorliegenden Forschungsergebnissen gezogen. Der Ansatz der System Dynamics-Methode ist äußerst fruchtbar, da sie den Zwang zum zielführenden Handeln wirkungsvoll unterstützt. Es wird deutlich, wo bisher eigentlich "zuviel des Guten" getan wurde, andererseits konnten aber auch die "weißen Flecken" des heutigen Wissens herausgearbeitet werden. So ergibt sich zwangsläufig sowohl ein Anforderungsprofil für eine zukünftige Oberbaustatistik als auch der weitere Forschungsbedarf.
Es hat sich gezeigt, daß die erarbeitete Methodik ohne Schwierigkeiten auch auf ähnliche Fragestellungen anwendbar ist. Die Weiterentwicklung der Funktionen des Substanzverzehres zu den Einflußfaktoren Last und Geschwindigkeit auf den Oberbau läßt sich zur Prognose der langfristigen Kosten des Oberbaus bei Netz- und Verkehrsveränderungen für das Trassenmanagement verwenden. Auch Anwendungen bei anderen Schienenbahnen (z.B. Deutsche Reichsbahn oder Stadtbahnen) oder Instandhaltungskomplexen (z.B. Fahrleitung) sollten problemlos möglich sein.