Modellierung des Einflusses architektonischer Maßnahmen auf infektionskritische Endpunkte
Kann für eine Intensivstation der Einfluss von baulichen Maßnahmen zur Reduktion von Transmissionsereignissen und Entstehung von nosokomialen Infektionen mathematisch modelliert werden?
Pro Jahr erkranken in Deutschland über 500.000 Patienten während eines stationären Krankenhausaufenthaltes an einer sogenannten nosokomialen Infektion (NI). Die Gesamtinzidenz von NIs in Deutschland ist damit mehr als doppelt so hoch wie die aller klassischen Infektionserkrankungen. Dadurch haben NIs nicht nur einen erheblichen Einfluss auf den betroffenen Patienten, sondern auch gesellschaftlich und volkswirtschaftlich bedeutsame Effekte.
Durch bauliche Maßnahmen könnte ein bislang nicht ausgeschöpftes Reduktionspotential bestimmt und in der Folge genutzt werden. In Vorarbeiten des Forschungsteams konnte mittels Beobachtungsstudien bzw. Experteninterviews erstmals gezeigt werden, dass architektonische Maßnahmen tatsächlich mit der Häufigkeit des Auftretens von nosokomialen Infektionen in Gesundheitseinrichtungen assoziiert sind.
Um zu überprüfen, wie effektiv bauliche Konzepte den Erwerb von Erregern und das Entstehen nosokomialer Infektionen in der Praxis einschränken können, sind rigoros durchgeführte Studien zur Evidenzgenerierung notwendig. Die Evaluation der Rolle baulicher Maßnahmen für nosokomiale Infektionen im komplexen Umfeld dynamischer Krankenhausprozesse ist allerdings nur eingeschränkt möglich. Randomisierte Studien, welche die Wirkung alternativer baulicher Umsetzungen unverzerrt testen könnten, sind aus finanziellen und praktischen Gründen nicht umsetzbar.
Eine gute Alternative bieten hier Simulationsstudien auf Basis dynamischer mathematischer Modelle, welche in der Infektionsepidemiologie seit vielen Jahren erfolgreich in vergleichbaren Fragestellungen eingesetzt werden. Während zahlreiche Studien die Methodik der mathematischen Modellierung zum besseren Verständnis der Dynamik nosokomialer Infektionsausbreitungen eingesetzt haben, wurden in diesen Studien nur in Ausnahmefällen einzelne einfache bauliche Konzepte mitberücksichtigt.
Ziele
Übergeordnetes Ziel des Vorhabens ist die auf empirisch nachgewiesener Wirksamkeit basierende Entwicklung eines architektonischen Konzepts für eine Intensivstation, welche bestmöglich die Vermeidung von Transmissionsereignissen und das Entstehen von nosokomiale Infektionen mit verschiedenen Übertragungswegen berücksichtigt. Dies schließt drei praktische Ziele ein:
Entwicklung einer Simulationsplattform zur evidenz-basierten Evaluation des Effektes baulicher Maßnahmen auf die Ausbreitung nosokomialer Infektionen auf Intensivstationen basierend auf einer agenten-basierten Modellierung
Evidenz-basierte Überprüfung von in Vorstudien und Expertenbefragungen identifizierten baulichen Maßnahmen, welche potentiell zur Reduktion von Transmissionsereignissen und dem Entstehen NI auf Intensivstationen geeignet sind
Entwicklung eines architektonischen Konzepts für eine Intensivstation, welcher die unter 2. identifizierten baulichen Maßnahmen kostengünstig umsetzt und technisch praktikabel bestehende Baukonzepte für Intensivstationen optimiert
Innovativer Ansatz / Alleinstellungsmerkmal
Im vorliegenden Projekt wird in interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Architekten, Infektionsepidemiologen, mathematischen Modellierern, Krankenhaushygienikern und Infektiologen eine Simulationsplattform entwickelt, anhand derer der Effekt baulicher Maßnahmen auf die Ausbreitung nosokomialer Infektionen mit unterschiedlichen Übertragungswegen abgeschätzt werden kann, um darauf aufbauend eine infektionspräventiv optimale Intensivstation zu entwerfen.
Projektleitung
Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau
Dr.-Ing. Jan Holzhausen, Architekt
(Koordinator, Verbundsprecher)
j.holzhausen@tu-braunschweig.de
+49 531 391 2542
Das Team
Dr.-Ing. Jan Holzhausen, Architekt
Julia Moellmann, M.Sc.
Studentische Hilfskräfte
Philip Schreiner, HiWi
Forschungspartner
Prof. Dr. med. André Karch
Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU)
Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin
Prof. Dr. med. Simone Scheithauer
Universitätsmedizin Göttingen (UMG)
Institut für Krankenhaushygiene und Infektiologie
Dr. Berit Lange
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Abteilung für Epidemiologie
Förderzeitraum
10.2020 – 03.2024
Auslobung/Call
Nieders. Vorab. der VolkswagenStiftung
Mittelgeber
Zusätzliche Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre aus Mitteln des Nieders. Vorab. der VolkswagenStiftung.
Koordination Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur
Datum Bewilligung
05.2020
Antragsteller
TU Braunschweig, Institut für Industriebau und Konstruktives Entwerfen, Dr.-Ing. Jan Holzhausen