Weisheit und Weisheitstraining

Weisheit kann verstanden werden als eine Fähigkeit zum Umgang mit schwierigen und letztlich unlösbaren Lebensbelastungen.

Diese Fähigkeit wird von allen Menschen jeden Tag benötigt. So ist es ein letztlich unlösbares Problem, ob man zuhause beim kranken Kind bleibt oder zur Arbeit geht, ob man teure Bioprodukte kauft oder das bei Billigprodukten gesparte Geld für andere Dinge investiert, ob man heiraten soll mit allen Risiken einer Part­ner­schaft oder lieber Single bleibt, mit allen damit assoziierten Problemen. In keinem der Fälle gibt es "die richtige Lösung", in jedem Fall macht man etwas falsch. Es handelt sich um Lebensdilemmata, wie sie das Leben allen Menschen täglich stellt. Manche Menschen leiden darunter, andere können damit produktiv umgehen. Dies hängt wesentlich vom Grad der individuellen Weisheit ab. Weisheit ist damit ein Resilienzfaktor in der Bewältigung von Lebensbelastungen.

Aus klinischer Sicht ist es naheliegend, bei Patienten mit Belastungs- und speziell Verbitterungs-
reaktionen Weisheit therapeutisch zu fördern, in der Erwartung, den Patienten dadurch Fähigkeit zur Lösung bestehender Probleme zu vermitteln. Weisheit kann, analog zur Selbstsicherheit, als eine mehrdimensionale psychologische Fähigkeit verstanden werden mit den Dimensionen Perspektivwechsel, Selbstdistanz, Empathie, Emotionswahrnehmung und -akzeptanz, emotionale Serenität und Humor, Fakten- und Problemlösewissen, Kontextualismus, Wertrelativismus, Selbstrelativierung, Ungewissheitstoleranz, Nachhaltigkeit, Problem- und Anspruchsrelativierung.
In einer ersten Therapiestudie ergaben sich Hinweise, dass Patienten, die sich von negativen Lebenserfahrungen nicht lösen können, Probleme in der Aktivierung von Weisheitskompetenzen haben. Es wurde eine verhaltenstherapeutische Methode entwickelt, die Weisheitstherapie, die Patienten helfen soll, nicht mehr umkehrbare, schwierige Lebenssituationen zu bewältigen.

Unsere Arbeitsgruppe widmet sich weiterführend der Untersuchung von Verbitterungserleben und Weisheitskompetenzen im Bereich Arbeit.
 

Projektleitung: Prof. Dr. Beate Muschalla
Wissenschaftliche Mitarbeit: Dipl.-Psych. Anne Meier-Credner

Literaturauswahl:
Muschalla, B., & Linden, M. (2010). Embitterment and the workplace. In: Linden, M., & Maercker,
A. (Eds.). Embitterment. Societal, psychological and clinical perspectives (pp. 152-165). Springer.

Muschalla, B., & Linden, M. (2017). Verbitterung und Arbeitsplatz. In: Kahl, K.G., & Winter, L. (Hrsg.). Arbeitsplatzbezogene Psychotherapie (S. 91-98). Kohlhammer.