Magen- und Nervenpflaster (April)

Objekt des Monats

An dieser Stelle stellen wir in regelmäßigen Abständen besonders interessante Objekte aus der pharmaziehistorischen Sammlung Braunschweig vor. Neben dem großen, von Wolfgang Schneider in den 1950er Jahren begonnenen Bestand der Forschungssammlung befinden sich heute auch Objekte aus pharmakognostischen Sammlungen sowie aus verschiedenen Apotheken des 19. und 20. Jahrhunderts im Bestand. Auf der rechten Seite finden Sie einige Objekte aus den vergangenen Monaten!

„Doch ein heißes Bügeleisen, auf den kalten Leib gebracht, hat es wieder gut gemacht.“

Im 19. Jahrhundert wurden nicht nur bei Wilhelm Busch innerliche Störungen (hier Verkühlung) mit äußerlichen Maßnahmen (Bügeleisen) behandelt, auch aus der Apotheke konnten sich Leidende mit vielfältigen äußerlich angewandten Mitteln versorgen. Beispielsweise konnten die heilenden Kräfte durch Pflaster von außen nach innen getragen werden. Dabei sahen die historischen Pflaster ganz anders aus als unsere heutigen. Sie hatten vielfältige Formen, Grundsubstanzen und Indikationen.
Die häufig auf Wirkung nach innen zielenden Pflaster waren bisher nur aus der Literatur bekannt. Wenige Objekte sind überliefert. Daher kann es als eine pharmaziehistorische Besonderheit gelten, dass uns eine Sammlung von Pflastern (Emplastra) und Cerata (von lat. cera=Wachs) aus der ehemaligen Alten Apotheke in Wolfenbüttel überlassen wurde, die 2023 in den Bestand der Arzneimittelhistorischen Sammlung kam. Die wichtigsten der in Arzneibüchern aufgenommenen Pflaster des 19. und beginnenden 20. Jahrhundert sind in dieser Sammlung vertreten. Zwei dieser Pflaster werden hier gezeigt.

Wir danken der Firma Carl Schumacher in Wolfenbüttel ganz herzlich für die Überlassung der Objekte und die der Studiengruppe gewährten vielfältigen interessanten Einblicke in die Geschichte der Alten Apotheke.

Anmerkung der Redaktion


 

Pflaster für Magen und Nerven

[Abb.1] Kein Lakritz, sondern 'Gewürzhaftes Pflaster' in Form von Magdaleonen

Das „Emplastrum aromaticum“, das aromatische Pflaster, bestand aus einem Harz-Wachs-Talg-Gemisch, in das verschiedene ätherische Öle und pflanzliche Drogen eingearbeitet wurden. Die Pflastermasse wurde zu Stangen, den sog. Magdaleonen, in diversen Längen und Stärken verarbeitet; diese lassen bei dem Objekt aus der Alten Apotheke in Wolfenbüttel eine rotbraune Färbung erkennen.
Das Pflaster war auch als Gewürzhaftes Pflaster, Emplastrum stomachicum, Magenpflaster oder Keuchhustenpflaster bekannt und wirkte carminativ, stärkend und wärmend. Es fand daher vielfältige Verwendung, z.B. bei Verdauungsbeschwerden, Magenschmerzen oder Magenkrämpfen, vor allem auch nervöser Art, bei chronischem Erbrechen und Leberverhärtungen. Die Rezeptur des Pflasters nach der Pharmacopoea Borussica aus dem Jahr 1834 enthielt folgende Substanzen: „gelbes Wachs 8 Unzen, Hammeltalg 6 Unzen, gemeiner Terpenthin 2 Unzen. […] gepulverter Weihrauch 4 Unzen, gepulverte Benzoe 2 Unzen, Muskatöl anderthalb Unzen, Pfefferminzöl, Nelkenöl, von jedem zwei Drachmen. […]“. Das Pflaster wurde wie folgt angewendet: „Man streicht es ziemlich dicke auf weiches Leder, und legt es über den Magen und den Theil des Rückgrats, der dem Magen gegenüber sitzt.“

[Abb.2] Als Verpackung für das 'Emplastrum stomachicum Klepperbein' diente eine leere Schachtel von Dr. Knorr‘s Antipyrin

Seit dem 17. Jahrhundert hatten Magenpflaster eine große Bedeutung. Das aromatische Pflaster (Emplastrum aromaticum) oder Magenpflaster (Emplastrum stomachicum oder Emplastrum stomachale), findet sich ab dem 19. Jahrhundert in mehreren Pharmakopöen europäischer Länder wieder. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entstanden immer mehr Fabriken, welche sich auch der pharmazeutischen Herstellung von Arzneimitteln widmeten. Hier ist die durch den Apotheker und Chemiker Eugen Dieterich gegründete Chemische Fabrik Helfenberg zu nennen, welche neben verschiedenen anderen Arzneiformen auch Pflaster produzierte. Auch das zweite in der Sammlung vorhandene Pflaster, das „Emplastrum stomachicum Klepperbein“ wurde von Eugen Dieterich verkauft. Das „Klepperbeinsche Magen- und Nervenstärkende Pflaster“ hatten der Arzt Sigismund Klepperbein (gest. 1712) und sein Bruder, der Apotheker Otto Klepperbein in Dresden zuerst hergestellt, die eine Drogenhandlung betrieben. Dieses Pflaster wies eine ähnliche Zusammensetzung auf, unterschied sich aber durch die bleihaltige Grundlage. Ab 1873 durften nach einer richterlichen Entscheidung auch Pflaster, die nicht aus der Klepperbein‘schen Drogenhandlung in Dresden stammten, mit diesem Namenszusatz verkauft werden. Begründet wurde das Urteil damit, dass die „Magenpflaster im Laufe der Zeit gewissermaßen Gemeingut der Pharmacopoea geworden“ sind.

Von Sherin Daoud, Firas Mahjoub und Louisa Schönberg
(Wahlpflichtfach Pharmaziegeschichte, Wintersemester 2022/23)