Einleitung:
"Massive" metallische Gläser, seit Beginn der neunziger Jahre entwickelt, bilden eine neue Klasse mehrkomponentiger amorpher Legierungen, die aus der Schmelze bereits bei relativ niedrigen Abkühlraten von 1-100 K/s amorph erstarren. Dadurch lassen sich größere, massive Bauteile für kommerzielle Anwendungen, z.B. Golfschläger, aus diesen neuen Werkstoffen herstellen. Meist handelt es sich um Legierungen auf Zr-Basis mit Zusätzen wie Cu, Al, Ni, Ti oder Be.
Im Rahmen des DFG-Schwerpunktes "Unterkühlte Metallschmelzen: Phasenselektion und Glasbildung" untersuchen wir mit Hilfe der Mechanischen Spektroskopie die Phasenumwandlungen und Mikrostruktur solcher Materialien. Ziel ist es, weitere Einblicke in die Stabilität der Gläser gegen Kristallisation zu gewinnen, wie sie sich z.B. in der großen Differenz (bis 120 K) zwischen Glas- und Kristallisationstemperatur (Tx - Tg) äußert.
Experimente:
Die für die Messung mit der im Bild schematisch gezeigten "Vibrating Reed"-Technik benötigten, dünnen Proben werden aus amorphen Bändern oder "Splats" in geeigneter Größe (10-20 mm lang, 1-3 mm breit, 20-40 mm dick) herausgeschnitten und einseitig zwischen Metallplättchen eingespannt. Die Biegeresonanz (Frequenz fr) dieser Zunge wird über eine Elektrode kapazitiv angeregt und mit Hilfe eines HF-Signals registriert. Bei periodisch abgeschalteter Anregung wird dann die Dämpfung Q-1 der im Vakuum (10-5mbar) frei abklingenden Schwingung automatisch bestimmt. Die Temperatur der Probe kann dabei zwischen 90 und 900 K variiert werden. Zur Untersuchung der atomaren Nahordnung mit der Mechanischen Wasserstoffspektroskopie kann der stets als Verunreinigung vorhandene Wasserstoffgehalt (ca. 0,1 - 0,3 at%) durch Beladungen aus der Gasphase weiter erhöht werden.
Ein typisches Beispiel
Das Diagramm zeigt das allgemeine Verhalten der Dämpfung Q-1 und der Resonanzfrequenz fr beim Aufheizen eines frisch hergestellten metallischen Massivglases mit einer linearen Heizrate von 2 K/min. Von den beiden beobachteten Dämpfungsmaxima ist das erste bei etwa 250 K ein echter Relaxationspeak als Folge eines anelastischen Reorientierungsprozesses ("Snoek-Effekt") des als Verunreinigung im Glas gelösten Wasserstoffes. Das zweite Maximum bei 690 K ist dagegen ein Übergangseffekt oberhalb des Glasüberganges (bei etwa 630 K), der die Veränderungen der Atombewegungen in der Matrix während der Umwandlungen von der unterkühlten Schmelze über eine quasikristalline Zwischenphase bis in den (niedrigdämpfenden) stabilen kristallinen Zustand widerspiegelt. In der Resonanzfrequenz erscheinen die beiden letzteren - durch TEM-Untersuchungen bestätigten - Strukturumwandlungen als zwei scharfe Anstiege. Der breite Anstieg zwischen 400 und 600 K ist dagegen auf die irreversible Strukturrelaxation des in diesem Falle schnell abgeschreckten Glases zurückzuführen.
Phasenumwandlungen
Die Änderungen von fr2 (statt fr) während des Aufheizens mit typischerweise 2 K/min geben direkt das Verhalten des Elastizitätsmoduls während der Umwandlungssequenz wieder. Im oberen Bild wurde dabei für das Zr41,2Ti13,8Cu12,5Ni10Be22,5 - Glas ein Stufenanlaßprogramm durchgeführt [1]: durch sukzessives Aufheizen zu wachsenden Endtemperaturen und zwischenzeitliche Abkühlungen können die reversiblen und irreversiblen Anteile getrennt werden. Insbesondere findet man vier irreversible Anstiege des Elastizitätsmoduls: I. Strukturrelaxation; II. Separation in zwei amorphe Phasen [2]; III. Kristallisation; IV. weitere Umwandlungen im kristallinen Zustand.
Das untere Bild zeigt eine einzelne Messung an Zr69,5Cu12Ni11Al7,5. Das Besondere an diesem Glas ist die Bildung einer metastabilen, ikosaedrisch-quasikristallinen Phase beim Aufheizen [3]. In Übereinstimmung mit kalorimetrischen Befunden ist die erste Stufe des Frequenzanstiegs bei 680 K dieser Quasikristallbildung zuzuordnen.
Wasserstoffdämpfung
Die Beladung der Zr69,5Cu12Ni11Al7,5 - Proben - in den jeweils interessierenden Umwandlungszuständen - mit Wasserstoff (1 bar H2 bei 453 K; Beladungszeit 17 - 280 Stunden) erzeugt Dämpfungspeaks, die mit zunehmender H-Konzentration größer werden. Im noch nicht kristallisierten Material erfolgt gleichzeitig eine Verschiebung des Peaks zu tieferen Temperaturen. Dieser Effekt ist für metallische Gläser allgemein bekannt. Er beruht auf der Dissipation mechanischer Energie durch die Umorientierung der lokalen elastischen Spannungsfelder (Snoek-Typ-Reorientierung) beim Platzwechsel der H-Atome in der amorphen Matrix. Auf Grund der polytetraedrischen Nahordnung solcher amorpher Strukturen und der hohen chemischen Affinität von H zu Zr hält sich der Wasserstoff dabei in verzerrten Tetraedern aus Zr-Atomen auf; die Geometrie und Verteilung dieser Tetraeder bestimmt die genaue Lage und Form des Dämpfungspeaks (Mechanischen Wasserstoffspektroskopie) Das nahezu gleiche Verhalten dieses Peaks im amorphen und im quasikristallinen Zustand bestätigt die Vorstellung von einer ikosaedrischen Nahordnung im metallischen Glas [4].
[1] R. Scarfone and H.-R. Sinning, Proceedings of the EUROMAT `99, München, 1999.
[2] S. Schneider et al., Appl. Phys. Lett., 1996, 68(4), 493.
[3] U. Köster et al., Mat. Sci. Eng. A, 1997, 226-228, 995.
[4] R. Scarfone and H.-R. Sinning, to be published in Journ. of Alloys and Compounds
Förderung innerhalb des DFG-Schwerpunktprogrammes "Unterkühlte Metallschmelzen: Phasenselektion und Glasbildung".