Die Natur baut - als Vorbild für technische Konstruktionen - lastentragende Strukturen aus zellularen Materialien wie Holz oder Knochen. Bei Metallen wurde dieses universelle Leichtbauprinzip bisher nur begrenzt genutzt; durch Fortschritte bei der Herstellung metallischer Schäume eröffnen sich gegenwärtig aber neue Möglichkeiten. Die Zukunft dieser neuen Werkstoffe wird vor allem bei multifunktionalen Anwendungen liegen, bei denen es weniger auf die Optimierung einer einzelnen, speziellen Eigenschaft (z.B. spezifische Steifigkeit) sondern vielmehr auf Kombinationen von mechanischen, akustischen, thermischen, elektromagnetischen und/oder chemischen Eigenschaften ankommt. Beispielsweise wird im Verkehrs- und Maschinenbereich unter anderem auch die Körperschall- und Schwingungsdämpfung (nicht zu verwechseln mit der Schallabsorption) eine wichtige Rolle spielen. Da hierzu keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, wollen wir im Rahmen des DFG-Schwerpunktes "Zellulare metallische Werkstoffe" das Dämpfungsverhalten von Metallschäumen systematisch untersuchen.
Ziel unserer Untersuchungen ist zunächst eine möglichst umfassende Charakterisierung der Elastizität und Dämpfung metallischer Schäume in Abhängigkeit von experimentellen Parametern wie Temperatur, Schwingungsfrequenz und -amplitude, Legierungszusammensetzung und Mikrostruktur, und zwar bevorzugt an den herstellungstechnisch am weitesten entwickelten Aluminiumschäumen. Diese Daten sollen helfen, einerseits empirische Werkstoffgesetze zu formulieren und andererseits die der Dämpfung zugrunde liegenden Mechanismen der inneren Reibung aufzuklären. Auf dieser Grundlage sollen als Fernziel Wege zu einer Optimierung der Dämpfungseigenschaften von Metallschäumen aufgezeigt werden.
Die zu untersuchenden Metallschaumproben sind zwangsläufig erheblich größer als übliche Massivproben, da die kleinste Probenabmessung mindestens einige Zelldurchmesser betragen muß. Zusätzliche Probleme können sich aus den Besonderheiten der Schaumstruktur ergeben (z.B. falls die Druckfestigkeit des Schaumes für eine feste Probeneinspannung nicht ausreicht). Die am Institut vorhandenen Einrichtungen der Mechanischen Spektroskopie mit den an Massivproben und dünnen Bändern bewährten Versuchstechniken müssen also entsprechend modifiziert und weiterentwickelt werden. Bei Dämpfungsmessungen mit der Biegeschwingungstechnik sind beispielsweise Meßfehler durch Reibungsverluste in der Probenhalterungnur sehr schwer abzuschätzen. Es muß also jeweils durch Versuche geklärt werden, welche der möglichen Probenhalterungen - z.B. die einseitig eingespannte "Zunge" im oberen oder die weiche Aufhängung in den Schwingungsknoten im unteren Bild - besser für die Messung an einem gegebenen Schaum geeignet ist. Für Messungen bei höheren Schwingungsamplituden können zusätzlich andere Techniken der Schwingungsanregung erforderlich werden, da die bisher eingesetzte elektrostatische Anregung dort möglicherweise nicht ausreicht.
Erste Testmessungen an einem relativ feinporigen (Porengröße ca. 2 mm) AlMgSi0.6 - Schaum ergaben ein zunächst überraschendes Ergebnis: vergleicht man nämlich die Temperaturabhängigkeit der Materialdämpfung des Schaumes mit derjenigen des aus der Gußhaut herauspräparierten massiven Grundmaterials, dann ergibt sich bei Temperaturen bis 100°C für den Schaum keine höhere, sondern eine niedrigere Dämpfung! Dieses scheinbare Paradoxon läßt sich jedoch durch eine nähere theoretische Analyse leicht auflösen: bei der Massivprobe wurde nämlich "zufällig" eine Geometrie gewählt, bei der das thermoelastische Relaxationsmaximum Mechanischen Spektroskopie und die Biegeresonanz in der Frequenz relativ nahe beieinander liegen. Die berechnete Größe des in Aluminium recht großen thermoelastischen Effektes stimmt hier in der Tat gut mit der gemessenen Dämpfung überein. Bei der Schaumprobe ist dagegen der Abstand zwischen Relaxationsmaximum und Resonanzfrequenz größer und die thermoelastische Dämpfung damit geringer; eine quantitative Abschätzung ist wegen der komplexen Schaumgeometrie allerdings schwierig. Anscheinend setzt aber bei beiden Proben unter den hier gewählten Bedingungen eine defektinduzierte innere Reibung, die die Dämpfung deutlich über den thermoelastischen Untergrund anhebt, erst oberhalb von 100°C ein. Dieses Einsetzen der inneren Reibung soll künftig unter systematischer Variation der Versuchsbedingungen näher untersucht werden. Unabhängig davon folgt aus der geringen Dämpfung dieser weich aufgehängten, frei schwingenden Metallschaumprobe, daß es hier offenbar gelungen ist, die oben erwähnten Reibungsverluste in der Probenhalterung gering zu halten.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Hans-Rainer Sinning.
In Zusammenarbeit mit den Projektpartnern führen wir Messungen der Elastizität und Dämpfung auch an anderen im DFG-Schwerpunktprogramm "Zellulare metallische Werkstoffe" vertretenen Materialien durch. Dabei können vorerst allerdings nur kleine Proben untersucht werden.