Anzhi Wang, M.Sc.
Lebensdauervorhersage von Stahlbauteilen unter High-Cycle-Fatigue mit Hilfe von flächiger Dehnungsmessung
Brücken, sowohl aus Stahl wie auch aus Beton, können aufgrund der Alterung versagen. Bundesweit sind ca. 40% der Fernstraßenbrücken zwischen 1965 und 1979 gebaut. Nur zu wenigen davon wurde die Alterung in der Planung berücksichtigt. Zu mechanischer Alterung zählt Ermüdung, die grundsätzlich je nach Zyklus beim Bruch in Low-Cycle-Fatigue (LCF) und High-Cycle-Fatigue (HCF) eingeteilt wird. Trotz der LCF infolge z.B. starker Windlast, werden Brücken vor allem im Gebrauchszustand unter HCF beansprucht, wobei das Bauteil in Makroskala ohne Vorankündigung angerissen wird.
Die Bewertung der Zustandsänderung des Bauteils kann anhand verschiedener auf Wöhlerlinie basierender Methoden erfolgen. Dabei werden für ein Konstruktionsdetail zyklische Versuche durchgeführt. Die Beziehung zwischen der (Nenn-)Spannungsdifferenz und Lastspielzahl stellt das Ermüdungsverhalten mathematisch dar (S-N-Kurve). Mit einem angemessenen Modell für Belastungen und Schädigungsakkumulation ist eine Lebensvorhersage möglich.
Diese Methoden sind jedoch für die Zustandsbewertung und Lebensdauervorhersage der Bauteile unter HCF an bestehenden Bauwerken nicht geeignet. Erstens ist HCF ein stark lokalisiertes Phänomen, dass der Wöhlerversuch dabei eine erhebliche Streuung aufweist. Zweitens kann vor Ort nur Dehnungen gemessen werden, z.B. mit DMS. Ohne Kenntnisse der Materialparameter, die infolge Ermüdung sich verändern können, können keine Spannungen resultiert werden. Letztens ist die Spannungsgeschichte eines Bauwerks nicht erfassbar. Die Vorschädigung ist daher unbekannt.
Mit flächiger Dehnungsmessung können lokale Informationen am Bauteiloberfläche, wo die Ermüdung in der Regel auftritt, erhalten werden. Hierzu stehen unter anderem ESPI (Elektronic Spekle Pattern Interferometry) und DIC (Digital Image Correlation) zur Verfügung. Da das ESPI-System aufgrund der hohen Sensibilität gegenüber kleinsten Verformungen als geeignet betrachtet wird, mit dem die Materialveränderung infolge Ermüdung erkannt werden kann, ist es hierbei eingesetzt.
Zur Lösung des Inversenproblems wird die Virtual Field Method (VFM) angewendet. Dabei handelt es sich um eine Inversenmethode, mit der die Materialparameter mit bekannter Bauteilgeometrie, Belastung, konstitutiven Gleichung und gemessenem Dehnungsfeld hergeleitet werden können. Dabei kann das Materialmodell linear oder nichtlinear, homogen oder heterogen und isotrop oder anisotrop angesetzt werden. Die angesetzten virtuellen (Dehnungs-)Felder sind zur Lösung des Inversenproblems entscheidend. Eine zweckmäßige Auswahl der virtuellen Felder kann das white-noise in der Messung minimieren und den Rechenaufwand deutlich reduzieren.
Ziel des Forschungsvorhabens ist für Stahlbauteile ein phänomenologisches Modell zur Beschreibung der Materialveränderung bzw. der Veränderung des Dehnungsfeldes infolge HCF zu entwickeln. Das Modell resultiert sich grundsätzlich aus den gemessenen Dehnungsfelder bis zum ersten Anriss. Mit dem Modell soll die Risseinleitungsphase beschrieben werden können. Das folgende Risswachstum lassen sich mit bruchmechanischen Methoden darstellen. Die mathematische Darstellung des phänomenologischen Modells soll eine globale Elastizität aufweisen und die Energiebilanz einhalten. Die Lebensdauer eines Bauteils kann mit dem Modell und den vor Ort gemessenen flächigen Dehnungsdaten vorhergesagt werden.
weiterführende Literatur:
K. Ritter and K. Thiele. Zur frühen Detektion von Ermüdungsrissen mithilfe der Speckle-Interferometrie. Tagungsband des 21. DASt-Forschungskolloquium, 2018.
K. Ritter and K. Thiele. Monitoring Micro-damage Evolution in Structural Steel S355 using Speckle Interferometry. Proceedings of the 7th International Conference on Fracture Fatigue and Wear, Ghent, Springer Verlag, 2018.