Dipl.-Ing. (FH) Stefan Ullmann
Alterung lebensdauerrelevanter Materialwiderstände instandgesetzter Betonbauteile in Abhängigkeit von mechanischen Kenngrößen
Bei einer klassischen Betoninstandsetzung wird der geschädigte Beton abgetragen und mit Hilfe eines Instandsetzungsmörtels oder -betons reprofiliert. Nach einer solchen Instandsetzung wird ein Bauteil in der Regel als neuwertig betrachtet. Eine detaillierte Aussage zur Restlebensdauer eines instandgesetzten Stahlbetonbauteils war bis vor Kurzem nicht möglich. Eben diese ist jedoch für den Eigentümer oder Nutzer eines Stahlbetonbauwerks im Hinblick auf wirtschaftliche Gesichtspunkte von großem Interesse.
Im Rahmen zweier Forschungsarbeiten an der TU München ist es nun gelungen, den Ansatz zur probabilistischen Lebensdauerbemessung nach Gehlen in einen semi-probabilistischen, und somit stark praxisorientierten Ansatz, zu überführen. So ist es nun möglich, die Restlebensdauer eines Stahlbetonbauteils im Hinblick auf carbonatisierungsinduzierte und chloridinduzierte Korrosion abhängig u.a. von den Witterungseinflüssen, den aufgebrachten Mörtelschichtdicken und den materialspezifischen Widerständen gegen Chlorideindringen und Carbonatisierung zu berechnen.
Die Grundlage der Berechnungsansätze bildet das 2. Fick'sche Gesetz, welches die Diffusionsmechanismen beschreibt und eine materialspezifische Abschätzung des Eindringverhaltens von Flüssigkeiten und Gasen in den Beton auf chemischer Ebene ermöglicht. Die Alterung eines Bauteils und seiner Materialwiderstände gegen chemischen Angriff wird im Falle der Carbonatisierung mit Hilfe des Wurzel-Zeit-Ansatzes und im Falle des Chlorideindringens über die Anpassung des Chloriddiffusionskoeffizienten mit Hilfe eines experimentell ermittelten Altersexponenten berücksichtigt.
Der Beitrag der Mechanik bei der Beschreibung von Alterungsprozesse in einer Instandsetzungsschicht wurde in den gängigen Modellen zur Lebensdauerbemessung bislang nicht integriert. Dass hier Forschungsbedarf besteht wird bei der Betrachtung der Steuerbarkeit von Spannungsverteilungen zwischen Instandsetzungsmaterial und Altbeton über die Variation des E-Moduls in der Instandsetzungsschicht deutlich. Ein weiches System entzieht sich einer Belastung während ein steiferes den Altbeton ggf. entlastet und selbst den Lastabtrag übernimmt. Infolge von Verformungen kommt es lange vor einer mit dem Auge sichtbaren Rissbildung zu einer Mikrorissbildung in der Zementsteinmatrix. Damit einher geht eine Veränderung der dauerhaftigkeitsrelevanten Materialwiderstände.
Ziel der Arbeit ist es deshalb, zunächst anhand von Laboruntersuchungen und abhängig von zahlreichen Variablen (z.B. Altbetonklasse, Geometrie des Betonabtrags, Belastungsszenario, E-Modul, Festigkeit) im Sinne einer möglichst langen Lebensdauer ideale Kombinationen mechanischer Kenngrößen zwischen Altbeton und Instandsetzungsmaterial zu bestimmen. Betrachtet werden soll dabei die Spannungsverteilung im Bauteilquerschnitt aber auch auf die Verbundfuge. Diese Betrachtungen sollen im Weiteren mit Untersuchungen zum Einfluss mechanischer Alterung auf den Chloriddiffusionskoeffizienten in Zusammenhang gebracht werden.
Publikationen im Rahmen des GRK:
Konferenzbeiträge mit Veröffentlichung:
S. Ullmann, D. Lowke. Effect of Young's Modulus on the degradation of repair mortars chloride migration resistance under coupled loading conditions. 4th International RILEM Conference Microstructure Related Durability of Cementitious Composites, Den Haag (online webinar) , April 2021.
Weiterführende Literatur:
S. Ullmann, D. Lowke: Besonderheiten bei der Betoninstandsetzung an Ingenieurbauwerken; in: Synergien zwischen Forschung und Praxis - Einblicke in die Forschung des Graduiertenkollegs 2075; VSVI Niedersachsen e.V., November 2020
S. Ullmann, H.-W. Krauss, H. Budelmann: Mörtel für die Betoninstandsetzung auf Basis alkalisch aktivierter Bindemittel; Beton: Herausforderungen in Forschung und Praxis. Festschrift anlässlich des 60. Geburtstages von Prof. Dr.-Ing. Rolf Breitenbücher. ISBN 978-3-00-056692-9, 2017, S. 514-525.