DFG-Projekt
Wissenschaftliches Netzwerk: Humanistische Antikenübersetzung
und frühneuzeitliche Poetik in Deutschland (1450-1620)
In der beginnenden Frühen Neuzeit zeichnet sich unter dem Einfluss der humanistischen Bildungsbewegung im Verhältnis zur antiken Literatur ein grundlegender Umbruch im Vergleich zur mittelalterlichen Antikenrezeption ab: Die Schriften der Autoren des klassischen Altertums werden zum Teil wiederentdeckt, ediert und kommentiert; seit etwa 1450 werden im deutschen Sprachraum zahlreiche Übersetzungen angefertigt. In der intensiven Auseinandersetzung mit dem inhaltlichen und stilistischen Vorbild der antiken Werke ergeben sich in der Volkssprache vielfältige Veränderungen in der Literatur und im Selbstverständnis der Autoren und Übersetzer. Auf diese Weise wird der programmatisch an die Antike anknüpfende Neuansatz der frühneuzeitlichen Poetik durch Martin Opitz und Nachfolger in einigen Punkten vorbereitet, von diesen aber - anders als die französischen und niederländischen Vorbilder - nicht gewürdigt. Das Netzwerk untersucht die sprachlichen, narratologischen und gattungsspezifischen Akzentuierungen der volkssprachlichen Übertragungen des 15. und 16. Jahrhunderts, deren literaturgeschichtliche Bedeutung in der Forschung bisher unterschätzt wurde, und arbeitet dabei besonders den Zusammenhang zwischen den Antikenübersetzungen und der frühneuzeitlichen Poetik heraus. Ziel ist es, den Beitrag der Übersetzungen für die Ausdifferenzierung der deutschen Literatursprache und Literatur in der Frühen Neuzeit zu bestimmen. Die Ergebnisse werden in einem Sammelband publiziert.
Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert und läuft vom 1. November 2012 bis zum 31. Dezember 2016.
Leitung:
Mitglieder:
Gastreferenten:
Veranstaltungen
1. Frankfurter Arbeitstreffen: Humanismuskonzept und Übersetzungstypologie (28. Februar/1. März 2013)
Verschiedene Formen humanistischen Übersetzens werden identifiziert und eine Typologie entwickelt. Ergänzt wird diese systematische Differenzierung durch eine diachrone Betrachtungsweise. Die Mitglieder des Netzwerks verständigen sich über das Konzept des Humanismus, über verschiedene Phasen und Formen, insbesondere über den Begriff eines volkssprachlichen Humanismus. Wichtige Indikatoren für die Frage einer Binnengliederung sind die Intensität der Übersetzungstätigkeit in verschiedenen Abschnitten der betrachteten Periode (1450-1620) und die Unterschiede in Übersetzungsstilen zwischen früh-, hoch- (?) und späthumanistischen Übersetzern.
Organisation: PD Dr. Regina Toepfer
2. Münchener Arbeitstreffen: Historische Semantik (7./8. November 2013)
Im Zentrum steht das schwierige, erst auszutarierende Verhältnis von Ausgangs- und Zielsprache, zwischen denen die Übersetzung zu vermitteln sucht. Aufgrund fehlender Terminologie und semantischer Verschiebungen ergibt sich für die humanistischen Autoren die Notwendigkeit, lateinische Worte zu entlehnen oder neue Wendungen zu formen. An exemplarischen Untersuchungen soll gezeigt werden, inwiefern die frühneuzeitlichen Übersetzungen als Katalysator fachsprachlicher Entwicklung vor allem im poetologischen Bereich fungieren. Gerade an solchen Begriffsprägungen lässt sich der Einfluss der humanistischen Antikenübersetzungen auf die Poetiken des Frühbarock nachweisen.
Organisation: Dr. Johannes Klaus Kipf
3. Tübinger Arbeitstreffen: Poetologische Akzentuierungen (27./28. Februar 2014)
Die antiken Autoren gelten den humanistischen Übersetzern als Vorbilder, deren vielseitiges Wissen und kaum überbietbare Eloquenz in die Volkssprache überführt und in ihr nachgeahmt werden sollen. Bei diesem Übertragungsprozess wird die antike Vorlage mit vorhandenen literarischen Maßstäben harmonisiert und aktuellen Gegebenheiten und Vorlieben angepasst. Das humanistische Ideal der imitatio wird dabei zum Antrieb für Veränderungsprozesse in Sprache und Literatur; gleichzeitig wird durch die Rekontextualisierung der übertragenen Texte auch eine Veränderung der Ausgangstexte unumgänglich, die zu signifikanten Verschiebungen führt.
Organisation: Prof. Dr. Jörg Robert
4. Basler Arbeitstreffen: Literaturkonzept und Poetiktransfer (30./31. Oktober 2014)
Untersucht wird, inwieweit die Rezeption der antiken Autoren die Produktion neuer literarischer Werke in der Volkssprache ermöglicht oder zu einer grundlegenden Revision und Transformation bereits bekannter Literaturformen führt. Vor allem das epochenspezifische Charakteristikum der aemulatio hat zur Folge, dass sich die humanistischen Autoren von den antiken Vorbildern abgrenzen und eine eigene, spezifisch frühneuzeitliche Poetik entwickeln. Flankierend werden poetische Grundlagentexte aus der Zeit um 1600 herangezogen, um den Einfluss der humanistischen Antikenübersetzungen auf Martin Opitz und seine Nachfolger zu beleuchten.
Organisation: PD Dr. Seraina Plotke
5. Mainzer Workshop: Wissen von Mensch und Natur (19./20. Februar 2016)
Der Workshop basiert auf einer Kooperation mit dem Mainzer Graduiertenkolleg 1876 "Frühe Konzepte von Mensch und Natur" (http://www.grk-konzepte-mensch-natur.uni-mainz.de/) und schließt an die vorherigen Arbeitstreffen an. Die produktive Zusammenarbeit auf dem Gebiet der frühneuzeitlichen Antikenrezeption wird fortgesetzt, aber ein anderer thematischer Fokus gewählt. Bei dem Mainzer Workshop stehen statt poetologischer Fragen wissenspragmatische Aspekte im Vordergrund. Analysiert und diskutiert werden soll, wie antike Weltentwürfe, Naturkonzepte und Anthropologien in der Frühen Neuzeit tradiert, vermittelt und aktualisiert werden.
Organisation: Jun.-Prof. Dr. Marion Gindhart