Angesichts der von klimatischen Veränderungen ausgelösten Trockenperioden kommt in der nationalen Wasserstrategie die Bedeutung von Wasserfernleitungen zur Geltung. Diese tragen dazu bei, vorhandene Wasserressourcen zwischen Gebieten mit knappem Wasservorkommen und ausreichend versorgten Gebieten zu verteilen. Hierzu sieht die nationale Wasserstrategie unter anderem die Prüfung vor, ob Flächen für länderübergreifende und überregionale Wasserversorgungsinfrastrukturen in den einschlägigen Landesplänen oder in einem Bundesraumordnungsplan aufgenommen werden können (BT-Drs. 20/6110, S. 42, S. 80) (Quelle: Rödl & Partner, Zhou 25.08.2023).
Die Entwässerungsgebiete bzw. die Verbände könnten mit einer effizienten und nachhaltigen Wasserinfrastruktur existierende Wasserbedarfslücken die Landwirtschaft ins besonders in Nordostniedersachsen schließen helfen.
Einzelne Bundesländer sind schon aktiv geworden und Konzept für eine veränderte Infrastruktur der öffentlichen Wasserversorgung vorgestellt. Auch in Niedersachsen müssen überregionale Diagnosen im Wassersektor angeschoben werden, um einen Pakte zur resilienten Wasserversorgung zu schließen - die Boden- und Entwässerungsverbände an der niedersächsischen Nordseeküste sowie die Verbände am niedersächsischen Elbästuar mit den Beregnungsverbänden in Nordostniedersachsen. In Rheinland-Pfalz hat das Landesumweltministerium bereits Sonderförderprogramm in Höhe von 30 Millionen aufgelegt, um Verbundsysteme und Maßnahmen zur finanzieren. Auch der BDEW fordert Beschleunigungsmaßnahmen beim Bau von Fernwasser- und Verbundleitungen und greift die rechtlichen und bürokratischen Hindernisse auf, vor denen die Wasserversorger stehen und zeigt dass der Bau von Verbundleitungen durch nur wenige rechtliche Änderungen signifikant beschleunigt werden kann.
Literatur:
BDEW (BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.): Trinkwasserversorgung und Klimawandel -BDEW fordert Erleichterungen beim Bau von Fernwasser- und Verbundleitungen.- Berlin, 28.07.2023. / https://www.bdew.de/media/documents/230728_BDEW_Presseinformation_Fernwasserleitungen.pdf.
Deutscher Bundestag (2023): Nationale Wasserstrategie.- Drucksache 20/6110 – 16.03.2023.
Rödl & Partner (2023): Bau von Fernwasser- und Verbundleitungen als Baustein der Klimawandelanpassung.- Wasser Kompass, Ausgabe 08/2023, Autor: Herr Z. Zhon, veröffentlicht am 25.08.2023.
Schöniger, H.M., Schröter, K. & T. Langmann (2023): Überregionales Wassermengenmanagement Nord-Nordostniedersachsen. Ein Wasserprojekt mit deutlicher Relevanz für das Niedersächsische Wasserversorgungskonzept.-TU Braunschweig, Leichtweiß-Institut für Wasserbau, Abt. Hydrologie und Flussgebietsmanagement.- Stand August 2023, unveröffentlicht.
Trockenheiten, zunehmende Veränderung der Niederschlagsmuster sowie der klimawandelbedingte Meeresspiegelanstiegs und die Zunahme von Häufigkeit und Intensitäten von Sturmfluten (vgl. North SEAL, Dettmering et al. 2021, Schuldt et al. 2020, Cohen et al. 2022), führen zu Herausforderungen im Be- und Entwässerungsmanagement im Küstenraum. Steigende Salzwasserkonzentrationen im Küstengrundwasserleiter und in den Oberflächengewässern verändert die Wasserqualität. Mit dem Siel- und Schöpfwerkmonitoring (MU-Pilotprojekt SiSchöMo) an der niedersächsischen Küste erarbeiten wir Grundlagen für eine zukünftige Steuerung der Küstenauslassbauwerke in der Hauptdeichlinie.
Das Nds. Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz hat zum 01.11.2023 das SiSchöMo um 1,5 Jahre verlängert und auf EUR 638.000 aufgestockt. Im Herbst 2023 wird das Küstenauslassbauwerk Knock des 1. Entwässerungsverbands Emden entsprechend instrumentiert.
Die Klimaeinwirkungen auf die Küstenwasserwirtschaft an der Niedersächsischen Nordseeküste standen im Vordergrund des vom BMBF geförderten Verbundprojektes „GRoW - goCAM“. In diesem Projekt wurden wesentliche Erkenntnisse zur Salzwasserintrusion und zur Quantifizierung der Binnenentwässerung erarbeitet. Es hat sich herausgestellt, dass verlässliche Klimaeinwirkungsszenarien eine hydrologische Instrumentierung der Siel- und Schöpfwerkbauwerke (betrieben durch die Boden- und Entwässerungsverbände, Wasserverbandstag e.V. Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt (WVT)) dringend erforderlich machen. Abgeleitet aus diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen wurde bereits im GRoW-go-CAM-Verbundprojekt zusammen mit dem Wasserversorger OOWV (Brake), dem NLWKN (Aurich) und dem Wasserverbandstag e.V. (Hannover) im letzten Drittel der Projektlaufzeit ein Siel- und Schöpfwerkmonitoring am Auslassbauwerk Maadesiel (Wasser- und Bodenverbände Friesland/Wilhelmshaven, Jever) initiiert und mit Messungen von Wasserständen und Durchflüssen begonnen.
Wasser-Extremereignissen im norddeutschen Küstenraum treffen auf miteinander kommunizierende Hydrosysteme. Jedes dieser Hydrosysteme wird durch hydrodynamisch, hydrologisch-hydraulische Randbedingungen wie Tidewasserstände, Grundwasserflurabstände, Zuflüsse aus Nachbareinzugsgebieten und durch ein vom Sielzug- und Schöpfwerkbetrieb gesteuertes Durchflussvolumen beeinflusst (Pump- und Sielzugmengen). Die Klimaeinwirkungsprognosen bis zum Jahr 2100 gehen von erheblichen und vielfältigen Auswirkungen auf die Küsteninfrastruktur aus. Höhere hydrodynamische Belastungen auf die Siel- und Schöpfwerke, bedrohte Küstenniederungen durch Überflutungen bei Zunahme von Intensitäten und Zunahmen der Eintrittswahrscheinlichkeiten von Extremereignissen (Starkregen- mit zeitgleichen Sturmflutereignissen) sowie einer stetigen Abnahme der Sielzugfenster durch stetig steigenden Meeresspiegel sind nur einige Herausforderungen der Siel- und Schöpfwerkverbände und des Küsteningenieurwesen. Die Herausforderungen der Küstenwasserwirtschaft in Niedersachsen liegen im Wesentlichen in der Entwässerung, der Grundwasserförderung zur Trinkwasserversorgung und im Hochwasserschutz. Langjährige Klimaimpaktstudien weisen den Siel- und Schöpfwerk-Volumenstromen und damit der Entwässerung (Abflussbildung mit Drainageabfluss) eine dominante Rolle als Gebietswasserhaushaltskomponente aus.
Die prognostizierte Entwicklung des Entwässerungsbedarfs im Einzugsgebiet des Dangaster Sieltiefs soll am Pegel Neuenburg (Abb. unten) einmal exemplarisch verdeutlicht werden, und zwar an mittleren Abfluss (MQ). Für das RCP 4.5-Szenario ergibt sich etwa bis zum Jahr 2050 im Median eines Ensembles von 17 RCP-basierten Klima- und Wasserhaushaltsprojektionen ein Anstieg des MQs um ca. 10 % gegenüber dem Referenzperiodenmittel von 0,25 m³/s. Diese Entwicklung des MQs ist vergleichbar mit der des RCP 8.5-Ensembles. Im Bereich der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts findet mit dem RCP 4.5-Ensemble keine weitere Zunahme statt. Für das RCP 8.5-Ensemble wird ein weiter Anstieg des MQs um etwa 20 % gegenüber dem Referenzperiodenmittel projiziert. Die Bandbreite der Änderungssignale nimmt hierbei zu, je weiter die Projektion in die Zukunft reicht und umspannt ab dem Jahr 2025 den Bereich von -10 bis +140 %. Entsprechend sind die Aussagen zu den künftigen Abflussverhältnissen - insbesondere der fernen Zukunft - mit einer erhöhten Unsicherheit behaftet. Die klare Orientierung der Mehrzahl der Ensemble-Member der beiden RCP-Szenarien deutet aber stark darauf hin, dass künftig mit einer Zunahme des MQs am Pegel Neuenburg zu rechnen ist.
Dazu wurde Anfang November 2021 wurde als wertvolle Fortführung des Monitorings eine Vereinbarung für ein Küstenprojekt zwischen dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz - vertreten durch Minister O. Lies und der Technischen Universität Braunschweig vertreten durch die Präsidentin Frau Prof. Dr. A. Ittel und dem Vizepräsidenten Herrn D. Smyrek - auf den Weg gebracht. Das Leichtweiß-Institut für Wasserbau, Abteilung Hydrologie und Flussgebietsmanagement, vertreten durch Herrn Prof. Dr. H.M. Schöniger wurden beauftragt, das „Siel- und Schöpfwerkmonitoring Niedersächsische Küste bis Oktober 2023 durchzuführen.
Im Zentrum des Pilotprojekts – einem Folgevorhaben des BMBF-GRoW-go-CAM-Verbundprojekts - steht eine Potentialdiagnose zur Umsetzung von konzeptionell-planerischen Maßnahmenoptionen in eingedeichten Küstenniederungsgebieten mit einem steigenden Entwässerungsbedarf auf der einen Seite und einer Hochwasserbewirtschaftung auf der einen Seite. Die aktuellen Siel- und Schöpfwerkvolumen sind von beträchtlicher Höhe, und werden durch Klimafolgen weiterhin steigen (Schöniger & Langmann 2022, Schöniger 2021). Ein weiterer Aspekt beim Betrieb der Entwässerung sind die steigenden Energiekosten für den Pumpenbetrieb.
Nach der „Altonarer Erklärung“ (Konsortium Deutsche Meeresforschung (KDM) mit der Strategiegruppe Küste 2015) und dem BMBF-Rahmenprogramm MARE:N kann das SiSchöMo-Pilotprojekt entsprechend der Forschungsbedarfe gegliedert nach Forschungsfeldern und Querschnittsthemen dem Bereich „Vom Einzugsgebiet zur Küste“ zugeordnet werden (KDM 2018).
Im Rahmen des Pilotprojekts „Siel- und Schöpfwerkmonitoring Niedersächsische Küste“ (SiSchöMo) sollen die Messdatengrundlagen geschaffen werden, um die Auswirkungen der Klimaeinwirkungen auf den Gebietswasserumsatz, ins besonders auf das künftige Entwässerungsvolumen zu quantifizieren und Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln. Neben den Seedeichen spielen die Siel- und Schöpfwerk als Regelbauwerke eine entscheidende Rolle für den Küstenschutz und die Entwässerung des Binnenlandes. Eine nachhaltige und sichere Gestaltung dieser Küsteninfrastrukturen gründen auf jahrzehntelangen Systemerkenntnissen der Deich- und Entwässerungsverbände der Küstenbinnenräume sowie deren nachhaltigen Nutzung und Entwicklung.
Drei Hauptarbeitspakete stehen im SiSchöMo-Pilotprojekt im Vordergrund:
Zur Ermittlung von Durchflüssen an Stichtagen, welche zur Kontrolle der kontinuierlichen Radarmessung dienen, wurde Anfang 2023 ein mobiles ADCP angeschafft (RiverPro ADCP mit Trimaran). Somit können gezielt Sielzugmessungen für bestimmte Zeitabschnitte erhoben werden. Dieses Großgerät zur Fließgeschwindigkeitsmessung ist aufgrund seiner Dimensionen und Messtechnik geeignet, in den großen Sielläufen mit z.T. hohen Fließgeschwindigkeiten verlässliche Messdaten zu generieren. In die Berechnung des Gesamtdurchflusses an den komplexen Auslassbauwerken mit Siel- und Schleusenlauf sowie mehrerer Großpumpen müssen die Schöpfmengen eingehen. Diese werden im Falle des Maadesiels aus detaillierten Aufzeichnungen der Pumpenbetriebszeiten, der Anstellwinkel der Pumpenschaufeln, der Hubhöhe und der Pumpenkennlinie programmiersprachenbasiert berechnet.
In Ergänzung zu den bestehenden Erkenntnissen der Klimaeinwirkungen auf das Küstenbinnenland wird mit dem Siel- und Schöpfwerkmonitoring ein wesentlicher Beitrag geleistet, die Messdatengrundlagen am und im unmittelbaren Umfeld dieser Küstenregelbauwerke für die Entwässerung des Küstenbinnenraumes zu erheben. Die digitale kontinuierliche Erfassung der Siel- und Schöpfwerkvolumen an ausgewählten Bauwerken werden derzeit auch durch Binnen- und Seewasserstandsmessungen ergänzt, in einem weiteren Schritt sind auch digitale Datenerfassungssysteme im Entwässerungsraum an Tiefs und ausgewählten Gräben vorgesehen. Sielformeln, wie sie vielerorts angewendet werden, können in ihrer derzeitigen Form nur bedingt in die vorhandenen Küstenhydrosystemmodelle einfließen und sind für eine digitale, vernetzte ereignisbezogene Verwendung nur sehr bedingt geeignet. Die Ganglinien der einzelnen hydrologischen Messgrößen sind in untenstehender Abbildung exemplarisch für das Siel- und Schöpfwerk Maadessiel dargestellt.
Das Pilotprojekt "SiSchöMo" wird in enger fachlicher Kooperation mit der Fa. W.A.S. Systemtechnik GmbH, Braunschweig durchgeführt.
Weitere Informationen zum Projekt im Magazin der TU Braunschweig:
https://magazin.tu-braunschweig.de/pi-post/wenn-sturmflut-und-binnenhochwasser-aufeinandertreffen/