Grundwasser als wichtigste Ressource der Trinkwassergewinnung, als Wasserquelle für die Feldberegnung in der Landwirtschaft oder als Lebensgrundlage einer Vielzahl von Ökosystemen ist für Natur und Mensch von essentieller Bedeutung. Als erneuerbare Ressource, deren Regeneration maßgeblich von den klimatischen Faktoren Niederschlag und Verdunstung abhängt, wird das Grundwasser vom Klimawandel beeinflusst. Um eine nachhaltige Nutzung der Grundwasservorkommen zu gewährleisten, ist es notwendig, die möglichen Einflüsse des Klimawandels auf das Grundwasser (Grundwasserneubildung, Interaktion zwischen Fluss und Grundwasser als Bestandteil des Wasserkreislaufes) zu identifizieren und dessen Auswirkungen zu beurteilen. Zunehmende Verdunstung und sich ändernde Niederschlagsmengen und –muster beeinflussen die Höhe der Grundwasserneubildung und damit das (nutzbare) Grundwasserdargebot. Zugleich wirken sich steigende Temperaturen und zunehmende Verdunstung steigernd auf den Wasserbedarf aus. Auf diese Änderungen des nutzbaren Grundwasserdargebotes bei sich änderndem Wasserbedarf muss die Wasserwirtschaft durch die Erarbeitung integrierter und adaptierter Bewirtschaftungsplanung zur Sicherung einer auch künftig nachhaltigen und zukunftssicheren Grundwassernutzung reagieren.
In Niedersachsen werden 86 % des Wasserbedarfes aus dem Grundwasser gedeckt. Die Stadt Braunschweig unterliegt einer Besonderheit und deckt ihren Wasserbedarf von 14 Mio. m³ seit 1970 im Jahresmittel zu 98 % mit Oberflächenwasser der Harzwasserwerke aus den Talsperren des Harzes. Die übrigen 2 % entstammen einem reichhaltigen lokalen Grundwasservorkommen und werden im Wasserwerk Bienroder Weg im nördlichen Stadtgebiet gewonnen. In den vergangenen Jahren diente das Wasserwerk als Spitzen und Reservewasserwerk mit einer jährlichen Fördermenge von rund 500.000 m³/a, wenngleich Wasserrechte für eine Grundwasserförderung von rund 6 Mio. m³/a vorliegen.
Die Arbeiten im Projekt sind dem Forschungsschwerpunkt „Stadt der Zukunft“ der TU Braunschweig zugeordnet.
Entsprechend der im Niedersächsischen Wasserversorgungskonzept (NWVK) formulierten Grundsätze für die Wasserversorgung in Niedersachsen ist u.a. eine Bedarfsdeckung aus „ortsnahen Vorkommen gegenüber der Deckung aus ortsfernen Wasservorkommen vorrangig“. Im Rahmen der Projektes HyPoWaBS sollen im Sinne des NWVKs Forschungs- und Entwicklungsstudien (F+E) zur strategischen Ausrichtung der Bewirtschaftung des Wasserwerkes Bienroder Wegs in Braunschweig durchgeführt werden. Diese haben zum Ziel, die Grundwasserverfügbarkeit des genutzten lokalen Porengrundwasserleiters unter aktuellen und künftigen klimatischen Bedingungen für die Trink- und Brauchwasserversorgung der Stadt Braunschweig zu untersuchen. Die hydrologisch-wasserwirtschaftlichen Untersuchungen sollen Aufschluss geben über eine mittel- und langfristige Einbindung der Wassergewinnungsanlage Bienroder Weg in das Trinkwasserversorgungskonzept BS│ENERGY und damit der Sicherung der Trinkwasserversorgung der zweitgrößten Stadt Niedersachsens.
Der methodische Ansatz des Projektes HyPoWaBS gründet auf einer 3D-Strukturmodellierung des hydrogeologischen Untergrundes des nördlichen Braunschweiger Stadtgebietes mit dem Ziel, ein hydrogeologisches Modell als Grundlage der numerischen Grundwasserströmungs- und Transportmodellierung auf regionalem Maßstab zu entwickeln.
Die F+E-Arbeiten umfassen die folgenden wesentlichen Arbeitspakete:
1. Analyse des regionalen Hydrogeosystems
2. Erarbeitung eines hydrogeologischen Modells
3D-Untergrundstrukturrekonstruktion mit der Software SubsurfaceViewer MX (Insight Geologische Softwaresysteme GmbH/Niedersachsen Wasser) unter Verwendung der Schichtverzeichnisse aus Bohrungen der Bohrdatenbank Niedersachsen (LBEG und BGR, Hannover) sowie der Datenbank der Stadt Braunschweig. Das resultierende digitale geologische 3D-Modell des nördlichen Stadtgebietes (s. Abbildung oben) fungiert als Grundlage für die numerische Grundwasserströmungs- und –transportsimulation.
3. Numerische Grundwassermodellierung
Mit Hilfe eines numerischen Grundwasserströmungsmodells (FEFLOW®) wird eine stationäre, später instationäre Simulation der Grundwasserbewegung im Untersuchungsgebiet durchgeführt. Ziele sind die Identifikation der Fließbahnen im Hinblick auf Herkunft und Alter des geförderten Grundwassers sowie der zeitlichen Entwicklung der Grundwasserbilanz und des Grundwasserdargebotes.
Durch die Simulationen verschiedener Lastfälle (Bedarfsszenarien) der Grundwasserförderung sollen die Auswirkungen auf die Grundwasserstände, das nutzbare Dargebot (Grundwasserbilanz), aber auch potentielle negative Folgen wie eine Erhöhung möglicher stoffbedingter Gefahrenpotentiale (Altlasten) des urbanen Grundwasserleiters ermittelt werden.
Außerdem erfolgt eine Analyse der Einwirkung des Klimawandels auf Grundwasserdargebot und Nutzungspotential des urbanen Grundwasserleiters für die Wasserversorgung der Stadt Braunschweig mit dem Grundwassermodell. Abschließend wird die Eignung abgeleiteter Handlungsoptionen (z.B. Brunnenneubau, Steigerung der Entnahme, Grundwasseranreicherung) modellbasiert evaluiert.
4. Wasserhaushaltsmodellierung
Mit mathematischen Computermodellen, sogenannten „Wasserhaushaltsmodellen“, können alle relevanten landflächenbezogenen Komponenten des Wasserkreislaufes simuliert und bestimmt werden. Damit können auch klimawandelbedingte Änderungen der Grundwasserneubildung und damit des Grundwasserdargebotes erkannt und quantifiziert werden. Das Ziel der Modellierungsarbeiten ist die Ermittlung der flächendifferenzierten Grundwasserneubildung und der Abflussverhältnisse in der Vergangenheit und der Zukunft unter Einwirkung des Klimawandels auf Basis einer Auswahl repräsentativer Klimaszenarien mit dem Wasserhaushaltsmodell PANTA RHEI.
5. Monitoring und Isotopenhydrogeologie
Das Verständnis der Neubildungsprozesse, Fließwege, Verweilzeiten und Mischungsverhältnisse des Grundwassers ist neben der Kenntnis der Aquiferarchitektur und –eigenschaften (Porositäten, Durchlässigkeiten) wesentlicher Bestandteil zur Beurteilung aktueller und künftiger Entnahmepotentiale des Wasserwerks. Aus diesem Grund werden die Grund- und Flusswasserstände im Untersuchungsgebiet gemessen und verschiedene Untersuchungen zur Quantifizierung des Fluss-Grundwasser-Austausches durchgeführt. Isotopenhydrogeologische Untersuchungen (stabile Isotope 16O/18O, 2H, Tritium-Helium-Datierung) werden durchgeführt, um die Austauschprozesse zu quantifizieren und zugrundeliegende Mechanismen besser zu verstehen. Zugleich sollten die Ergebnisse der isotopenhydrogeologischen Untersuchungen zur Aufklärung der Grundwassergenese und –bewegung beitragen. Außerdem können diese Untersuchungen wertvolle Erkenntnisse zur Einordnung der Ergebnisse der Grundwassermodellierung bzgl. Grundwasserherkunft, -alter und –fließwegen liefern.
Das Vorhaben wird gefördert durch die Braunschweiger Versorgungs-AG & Co. KG (BS|Energy).
Telefon: 0531-391-7127
Prof. Dr. rer. nat. habil. Hans Matthias Schöniger
Telefon: 0531-391-7129