In Sommersemester 2019 wurden im Innovationsprogramm Gute Lehre acht innovative Lehr-Lern-Projekte gefördert und begleitet.
Klassischerweise sind Auszubildende und Studierende bis zum Berufseinstieg in getrennte Bildungsstufen eingegliedert und werden mit anderen Zielstellungen (aus-)gebildet. In der Folge können sich im Berufsleben fachliche und sozialpsychologische Kommunikationsbarrieren aufbauen, die aufgrund der bisher nicht im Curriculum verankerten gemeinsamen Arbeit nur schwer überwunden werden können. Diesem Umstand soll mit der frühzeitigen Durchführung von praxisnahen Kooperationsprojekten im Rahmen der Lernfabrik der TU Braunschweig entgegnet werden. Die einzigartige Infrastruktur der Lernfabrik an der TU Braunschweig bietet mit ihren Säulen der Forschungsfabrik (universitäre Forschung), Experimentierfabrik (studentische Lehre) und der Ausbildungswerkstatt (technisch-gewerbliche Ausbildung) eine ideale Infrastruktur zur Etablierung innovativer Ansätze für die Lehre und Ausbildung über die Grenzen konventioneller Bildungssysteme hinweg. Ziel des Innovationsprojekts LunA (Integrierte Lehre und Ausbildung) ist die prototypische Entwicklung und erstmalige Umsetzung eines Systems zur kollaborativen Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Auszubildenden. Anhand von Aufgabenstellungen, die späteren berufspraktischen Situationen ähneln, sollen sich Studierende und Auszubildende bereits im Rahmen ihres Studiums bzw. ihrer Ausbildung auf Augenhöhe begegnen, Erfahrungen in der gegenseitigen Vermittlung spezifischer Fachkompetenzen sammeln und für ein gutes Miteinander sensibilisiert werden. Inhaltlich liegt der Fokus auf dem Thema nachhaltige und digitale Produktion.
Der Begriff „Industrie 4.0“ und die damit verbundenen Möglichkeiten bewirken gegenwärtig einen grundlegenden Wandel in Unternehmen. Die nutzenbringende Anwendung der meisten Industrie 4.0-Technologien basiert auf einer idealisierten Ausgangssituation mit möglichst wenig vorgegebenen Randbedingungen – dem sogenannten Greenfield. In der Realität wurden hingegen die meisten produzierenden Unternehmen geplant, bevor sich die Entwicklung hin zu einer digitalen Vernetzung abgezeichnet hat. Die Implementierung von Industrie 4.0-Technologien unter Berücksichtigung bestehender Strukturen und Restriktionen – dem Brownfield – erfordert ein ausgeprägtes Problemlösungsverständnis unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Im Rahmen des Innovationsprojekts Fit4Industrie 4.0 sollen die Studierenden durch eine inkrementelle Herangehensweise mit Industrie 4.0-Technologien vertraut gemacht und befähigt werden, Implementierungsproblematiken im Rahmen der Digitalisierung von Produktionsprozessen eigenständig zu lösen. Nach der Vermittlung der theoretischen Grundlagen können die Studierenden im Center of Excellence for Lean Enterprise 4.0 (CoE) am Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU) die Komplexität und Probleme bei der Implementierung von Industrie 4.0-Technologien im Greenfield spielerisch erproben. Abschließend soll der Einsatz ausgewählter Technologien in der Praxis erlebt werden und ein Austausch mit Fachexperten stattfinden. Fit4Industrie 4.0 ermöglicht Studierenden das aktive Kennenlernen von Industrie 4.0-Technologien und der mit verschiedenen Anwendungsfällen einhergehenden Herausforderungen und Problematiken. Neben dem theoretischen Wissen sollen insbesondere die Problemlösungskompetenz und eine ganzheitliche, prozessorientierte Denkweise gefördert werden.
Im Studiengang Psychologie an der TU Braunschweig werden Alumni in die Lehre eingebunden. Dadurch werden Studierende in ihrer praxisnahen Kompetenzentwicklung unterstützt und der Wissenstransfer im Sinne lebensbegleitenden Lernens gestärkt. Damit dies gelingt, wird in einem ersten Schritt der Kontakt zu Alumni aufgebaut. Diese werden dann in Lehrveranstaltungen und die Entwicklung der Studierenden eingebunden. Damit auch die Alumni von dem Projekt profitieren, werden für sie aktuelle Forschungsergebnisse aufbereitet und ihnen zur Verfügung gestellt. Dadurch unterstützt die Universität den aktiven Wissenstransfer und hält Kontakt zu jungen, hervorragend ausgebildeten Talenten. Zur Erreichung dieser Ziele sollen Studierende und Alumni des Instituts für Psychologie über ein Online-Tool in Kontakt gebracht werden. Zur Unterstützung der Lehre werden Alumni über dieses Tool vor allem mit der aktuellen Lehre verbunden: Sie werden als Impulsgeber/innen und Begleiter/innen bei Projektarbeiten oder als Vorbilder in die Lehre des Lehrstuhls für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie eingebunden. Hier können sie beispielsweise aktuelle Fragestellungen aus ihrer beruflichen Praxis von Studierenden in Projektseminaren wissenschaftlich bearbeiten lassen oder Fallbeispiele für Lehrveranstaltungen liefern. Neben diesen zentralen Maßnahmen können über das Tool auch Praktika oder Mentoringbeziehungen vermittelt werden. Die Initiierung kann entweder direkt über die Plattform oder über das Modul „Personalpsychologie“ erfolgen, in dem Mentoring als eine Form zur Kompetenz- und Laufbahnentwicklung dargestellt wird. Der Workload kann für die Studierenden über das Modul „Personalpsychologie“ im Bachelor oder im Modul „Kommunikation wissenschaftlicher Ergebnisse“ im Bachelor abgedeckt werden. Insgesamt kommt der Lehrstuhl damit dem Wunsch der Studierenden nach, den Kontakt zu Alumni zu halten und eine Verbindung zwischen Lehr-Lerninhalten und der Praxis herzustellen. Gleichzeitig werden Alumni langfristig gebunden, wodurch die Idee des lebenslangen Lernens umgesetzt wird und Studierende (und Alumni) auf ihre Rolle im Wissenstransfer vorbereitet werden. Das Tool bietet die Möglichkeit, mit Studierenden in Kontakt zu bleiben und diese als Alumni einzubinden.
Seit dem Wintersemester 2016/17 wird in Kooperation mit der Koordination Sprachlernunterstützung für Flüchtlinge und dem Zentrum Demokratische Bildung in Wolfsburg und Hannover sowie der Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt (ARUG) in Braunschweig eine Lehrveranstaltung angeboten, bei der sich Studierende mit den Herausforderungen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in der schulischen und pädagogischen Praxis auseinandersetzen. Aufgrund der hohen Nachfrage seitens der Studierenden soll diese Lehrveranstaltung nun umgestaltet und damit quantitativ und qualitativ erweitert werden. Dies soll die Möglichkeit bieten, zum einen der hohen Nachfrage gerecht zu werden und zum anderen eine zielgruppenspezifischere Lehre anbieten zu können. Das Seminar soll dabei verschiedene Bereiche (Grundlagen, Vertiefung, Praxis) umfassen. Die Grundlagenveranstaltung wird überarbeitet und in ein Blended-Learning-Konzept überführt (quantitative Erweiterung). Die Seminare zur Vertiefung sowie die Praxisphase werden neu erarbeitet und in den Professionalisierungsbereich bzw. in die Praktika integriert (qualitative Erweiterung).
Beim Innovationsprojekt „VR Raumzeichnen“ handelt es sich um ein experimentelles Lehr-Lern-Forschungsprojekt zum architektonischen Entwerfen und Konstruieren im Digitalraum der Virtuellen Realität unter Anwendung von Head-Mounted Displays (VR-Brillen). Im Rahmen einer innovativen Lehr-Lernsituation soll unter enger, projektbezogener Einbindung von Studierenden die vor zwei Jahren am „Institute of Media and Design“ begonnene Erkundung der Potenziale des Einsatzes von VR-Technik im Entwurfsprozess auf die Untersuchung eines direkten, echtzeitlichen und interaktiven Entwerfens im virtuellen 3D-Raum erweitert werden. Für das architektonische Entwerfen stellt dieses Zeichnen im Realmaßstab, bei dem im eigenen Entwurf stehend modelliert wird, eine gänzlich neue Arbeitsweise dar. Für die Studierenden, die noch nicht die Erfahrung haben, wie ihre architektonischen Entwürfe in Wirklichkeit Wirkung entfalten, bedeutet diese Technik eine große Bereicherung des Urteilsvermögens gegenüber den eigenen Arbeitsergebnissen. Die Möglichkeit die sichtbaren Ergebnisse des Entwerfens direkt im Entstehen mit anderen Studierenden diskutieren und sogar kollektiv weiterbearbeiten zu können, erzeugt eine neuartige Lehrsituation bei der eine laufende, sehr direkte Kommunikation über Projektarbeitsstände umsetzbar wird.
Das Innovationsprojekt „Mathematik in Data Science“ hat das Ziel, die Studierenden der mathematischen Studiengänge auf die neuen Anforderungen durch die digitale Transformation vorzubereiten und sie durch ein neues Lehr-Lern-Konzept fachlich im Bereich Data Science auszubilden. Hierzu wird das Curriculum der mathematischen Studiengänge um ein Computerpraktikum „Data Science“ erweitert, in dem die Studierenden sowohl mathematisch-fachliche Kompetenzen erwerben als auch überfachliche Kompetenzen durch digitale Formen der Zusammenarbeit entwickeln: Der Fokus liegt auf dem Ausbau der Fachkompetenzen in den Bereichen Mathematik und Informationstechnologie und auf dem Ausbau von fachübergreifendem Wissen und Fähigkeiten. Hierzu zählen die Erweiterung der Methodenkompetenzen (z.B. wissenschaftliches Arbeiten, Lösen von Problemen und Präsentieren) wie auch der Selbst- und Sozialkompetenzen (z.B. Teamarbeit, Kooperationskompetenz und Selbstmanagement).
Wesentliche Elemente ingenieurwissenschaftlicher Tätigkeit sind heute Kommunikationsfähigkeit und interdisziplinäres Denken und Agieren. Diese Kompetenzen, die für den Entwurf immer komplexerer und heterogener Systeme nötig sind, können durch herkömmliche Lehrkonzepte wie Frontalvorlesungen, Übungen und Laborversuche nur unzureichend vermittelt werden. Daher soll die Lehrveranstaltung „Antriebssysteme für Elektrofahrzeuge“ für Studierende der Elektrotechnik grundlegend neu aufgebaut werden, um die beschriebenen Fähigkeiten ergänzend zur Betrachtung technischer Fragestellungen in neuartigen didaktischen Ansätzen zu vermitteln. Das Grundkonzept beinhaltet einen kooperativen Ansatz in Zusammenarbeit mit Studierenden anderer Fächer nach dem Grundprinzip des Lernens durch Lehren: Hierbei werden in interdisziplinär zusammengesetzten Kleingruppen, jeweils bestehend aus z.B. ein bis zwei angehenden Ingenieur/innen und Lehrkräften, Fachthemen aus dem Feld der Elektromobilität wie Batterietechnologien, elektrische Maschinen, Leistungselektronik, Ladetechnologien, etc. gemeinsam erarbeitet und für die Weitervermittlung an die jeweils anderen Gruppen didaktisch aufbereitet. Hierzu müssen zunächst die fachlichen Inhalte ausreichend tiefgehend von allen Gruppenmitgliedern verstanden werden. Anschließend soll in den Gruppen ein didaktisches Konzept erarbeitet und eine Aufbereitung der Inhalte zur leicht verständlichen Weitervermittlung an andere fachfremde Gruppen vorgenommen werden. Die Erarbeitung der fachlichen Inhalte erfolgt dabei mittels Methoden, die aus typischen Praktikumsveranstaltungen bekannt sind. Hierzu zählen Textarbeit, Experimente und die Arbeit mit Simulationssoftware. Als Versuchsträger und Anwendungsbeispiel dient der am Institut als Lehr- und Forschungsplattform entwickelte und aufgebaute IMAB-Racer, ein batterieelektrischer Sportwagen.
Die Lehrveranstaltungen „Bioverfahrenstechnik“ (für Studierende des 5. Semesters Bio-, Chemie- und Pharmaingenieurwesen, BCPI) bzw. „Bioreaktoren und Bioprozesse“ (für Studierende des 5. Semesters Biotechnologie) vermitteln die Grundlagen der Bioverfahrenstechnik. Im 5. Studiensemester hat i.d.R. schon eine wesentliche Prägung der jeweiligen fachlichen Perspektive der Studierenden stattgefunden. In diesem Innovationsprojekt sollen beide Perspektiven, die ingenieurwissenschaftliche quantitative und die naturwissenschaftliche phänomenologische Perspektive, in der Vorlesung transparent herausgearbeitet und gezielt eingesetzt werden, um das Verständnis der Studierenden für das Fach zu verbessern, indem vielfältigere Zugänge zu den Inhalten der Lehrveranstaltung geboten werden. Eine Vertiefung erfolgt durch Peer-to-Peer-Lernen in interdisziplinär gemischten Selbstrechen-Übungen (Tutorien) und in ebenso gemischten Praktikumsversuchen, um eine weitere Klärung der Perspektiven und eine Stärkung des disziplinären (Selbst-)Bewusstseins für die Studierenden erzielen, aber auch den flexiblen Einsatz beider Perspektiven zu fördern.