Einer der größten Vorteile der additiven Fertigung ist die Möglichkeit zur Herstellung von Strukturen mit nahezu beliebiger Komplexität ohne nennenswerten fertigungstechnischen Mehraufwand. Diese Gestaltungsfreiheit kann nicht nur auf die äußere Bauteilgestalt, sondern auch auf den inneren Aufbau angewendet werden. So können mechanische Verankerungsstrukturen – sogenannte Interlocking-Features –erzeugt werden, die zum einen das Fügen von Kunststoffen mit schlechten Klebeigenschaften durch die Nutzung der mechanischen Adhäsion stark verbessern können und zum anderen eine Oberflächenvorbehandlung überflüssig machen können bzw. in Kombination damit eine Festigkeitssteigerung ermöglichen.
Das Prinzip der Interlocking-Features basiert auf der Einbringung von hinterschnittigen Strukturen unterhalb der Fügefläche des additiv gefertigten Bauteils. Der Klebstoff kann so in die Zwischenräume eindringen und dort eine formschlüssige Verbindung ausbilden. Die Modellierung derartiger (gradierter) Gitterstrukturen kann mittels generativer Algorithmen erfolgen (z.B. mit der Software Grasshopper), um die Gestaltungsfreiheiten der additiven Fertigung im Hinblick auf Geometrievariationen innerhalb der Struktur auszuschöpfen. Die dabei erzeugte Struktur kann anschließend unter Beachtung von Fertigungsrestriktionen im Hinblick auf die Fügezonengeometrie und den vorherrschenden Belastungsfall angepasst werden.
Forschungsbedarf besteht vorrangig in der Fragestellung nach geeigneten und anwendungsspezifischen Interlocking-Features, welche eine maximale Kraftübertragung ohne Bauteilversagen ermöglichen. Relevant ist hierbei auch, bis zu welchem Grad eine Oberflächenvorbehandlung auf diese Weise ersetzt werden kann und ob auch artfremde Werkstoffe miteinander gefügt werden können. Ebenso ist nicht bekannt, bis zu welchen Grenzen derartige Strukturen zur Kraftübertragung eingesetzt werden können und inwiefern die Fügezonengeometrie an die Art der äußeren Belastung angepasst werden muss, da der Bauteilquerschnitt geschwächt wird. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass insbesondere die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Klebstoffs (bspw. Viskosität) einen großen Einflussfaktor bei der Gestaltung der Fügezonengeometrie darstellen.
Das Ziel des Projekts liegt in der Bewertung der Nutzbarkeit ausgewählter Gestaltungsfreiheiten additiver Fertigungsverfahren in Bezug auf die Verbesserung der Klebeignung schwer klebbarer Kunststoffe im Vergleich zu konventionellen Vorbehandlungsmaßnahmen.
Dies soll anhand des Verfahrens der Materialextrusion (auch Fused Deposition Modeling, FDM) sowie einiger ausgewählter industrierelevanter Werkstoffe untersucht werden. Die Ziele gliedern sich in die Untersuchung der Nutzbarkeit der konstruktiven Maßnahmen der oberflächennahen Verankerungsstrukturen (Interlocking-Features) und des Multi-Material-Drucks, die Erforschung eines belastungsgerechten Fügestellendesigns sowie die Konzeption verschiedener Methoden zur montagegerechten Applikation des Klebstoffs (z.B. innere Kanäle).
Um die Vergleichbarkeit mit konventionell gefertigten Bauteilen zu gewährleisten, werden Kunststoffe ausgewählt, die typischerweise in der Industrie beim Spritzgießen zum Einsatz kommen. Bei der Auswahl sollen einerseits schwer klebbare Materialien wie Polypropylen und andererseits, vor dem Hintergrund des Multi-Material-Drucks, auch gut klebbare Materialien für das Andrucken der Fügefläche berücksichtigt werden. Anhand von geeigneten Prüfkörpern werden im Vorfeld der Klebversuche zunächst die relevanten prozess- und anlagenseitigen sowie geometriespezifischen Einflussparameter identifiziert. Anschließend werden exemplarisch unterschiedliche Zellgeometrien untersucht, wobei ebenfalls der Prozessparametereinfluss (z.B. Extrusionstemperatur und Schichthöhe) auf die mechanischen Eigenschaften untersucht wird. Die anschließend durchzuführenden Klebversuche werden mit im Spritzguss hergestellten Fügeverbindungen aus vergleichbaren Materialien verglichen, um die einzelnen Maßnahmen gegenüberstellen zu können. Auf Basis dieser Ergebnisse wird eine Methode zur automatisierten Generierung von mechanischen Verankerungsstrukturen und der formschlüssigen Verbindung von angedruckten Fügeflächen entwickelt. Um praxisrelevante Anwendungsfälle betrachten zu können, wird überdies der Einfluss diverser Umweltfaktoren, wie z.B. Temperatur und Feuchte, untersucht, um eine ausreichende Alterungsbeständigkeit unter praxisrelevanten Umgebungsbedingungen gewährleisten zu können. Abschließend werden die Anwendbarkeit einzelner Maßnahmen sowie derer Kombinationen anhand eines Musterbauteils untersucht. Die Zusammenfassung der Versuchsergebnisse erfolgt abschließend in Form eines Maßnahmenkatalogs, um der Produktentwicklerin bzw. dem Produktentwickler einen zielgerichteten Wissenszugriff zu ermöglichen.
Das IGF-Forschungsvorhaben 21.138 N / DVS-Nr. 08.3188 der Forschungsvereinigung Schweißen und verwandte Verfahren e.V. des DVS, Aachener Straße 172, 40223 Düsseldorf wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.