Lena hat sich im WiSe 2022/23 als erste Studierende mit Pharmazie-Staatsexamen für den neuen Studiengang Pharmaverfahrenstechnik / Pharmazeutische Forschung immatrikuliert. Im SoSe 2023 hat sie ihre Masterarbeit im Institut für Pharmazeutische Biologie angefertigt und damit das Masterstudium erfolgreich beendet. Hier beantwortet Lena Fragen zu ihrer Motivation und zu ihren Eindrücken. Das Interview wurde im SoSe 2023 geführt.
Das Pharmaziestudium ist ja recht anstrengend - wie bist du auf die Idee gekommen, nach dem Staatsexamen noch weiter zu studieren?
Nach dem Pharmaziestudium wollte ich einen Teil meines Praktischen Jahres am Institut für Pharmazeutische Biologie absolvieren und ließ mich dazu im Institut beraten. Die Option, parallel eine Masterarbeit anzufertigen, erschien mir sinnvoll, da die schriftliche Ausarbeitung ein wichtiger Bestandteil des Wissenschaftsalltags ist. Der Studiengang MSc Pharmaverfahrenstechnik bietet eine Fast-Track-Option: durch das abgeschlossene Pharmaziestudium wurden mir viele für die Vertiefung Pharmazeutische Forschung notwendige Inhalte anerkannt, sodass ich nur ein (!) Vorlesungs- und Klausursemester zu absolvieren hatte. Meine aktuelle Tätigkeit für die Masterarbeit wird mir als Teil des Praktischen Jahres anerkannt, sodass aus dem zweiten Abschluss eine nur sechsmonatige Verlängerung meiner Studienzeit resultiert.
Welche Lehrveranstaltungen hast du während des Vorlesungssemesters besucht?
Ich habe mich auf die wenigen notwendigen Veranstaltungen konzentriert, der Studiengang bietet aber natürlich ein weitaus umfangreicheres Angebot.
Was waren das denn so für Lehrveranstaltungen? Worum ging es - und wie bist du mit den Inhalten klargekommen?
Die Inhalte waren natürlich vor allem verfahrenstechnisch ausgerichtet, aber vieles war pharmazeutisch relevant, in manchen Bereichen gab es sogar größere Überlappungen mit Inhalten des Pharmaziestudiums. Es gab Vorlesungen, Übungen und auch Praktika -- aber der Umfang war ein ganz anderer als ich es aus dem Pharmaziestudium gewohnt war. Ich hatte viel Freizeit! Klausuren und Kolloquien gab es natürlich auch, aber die waren gut zu schaffen, das Stresslevel war deutlich niedriger als in meinem bisherigen Studium.
Kannst du ein paar mehr Details zu den Lehrveranstaltungen verraten?
Datenanalyse in den Pharmazeutischen Wissenschaften/Chemometrik - das war im Prinzip eine Statistik-Vorlesung. Behandelt statistische Tests, statistische Prozesskontrolle, univariate und multivariate Regression sowie experimentelles Design. Das „Praktikum“, gleichzeitig auch Übung, ist so gestaltet, dass man im PC-Raum zusammen einige Aufgaben mit Tabellenkalkulationsprogrammen zu lösen beginnt. Was man nicht rechtzeitig schafft, beendet man eben allein und reicht es bis Ende der Woche ein. Auch für IT-Analphabeten kein großes Hindernis. Für die multivariate Datenanalyse lernt man kurz das Programm „Unscrambler“ kennen. In künftigen Semestern wird vielleicht auch etwas zum Programmieren mit aufgenommen. Die Abschlussprüfung ist eine mündliche Prüfung, in der die Vorlesungsinhalte einmal quer abgefragt werden. Gut zu bestehen. Fazit: Sicherlich eine der wertvollsten Veranstaltungen. Die Inhalte sind Handwerkszeug, das einem vielleicht weniger in der Apotheke, jedoch ständig in Industrie und Forschung dienlich sein wird.
Qualitätswesen - Hier geht es um den Begriff Qualität und ihre Sicherstellung, also EU GMP-Leitfaden, ICH Quality Guidelines etc. Fand in Form von Zwei-Tage-Blöcken dreimalig im Semester statt. Der theoretische Teil war thematisch schon recht trocken, aber die Exkursion zu einem pharmazeutischen Hersteller war sehr interessant. Gute Sache, auch bei Überlegungen bezüglich der späteren Berufslaufbahn. Wenn man die Inhalte ein wenig vorbereitet hat, kann man auch kaum durch die Klausur fallen. Fazit: Ein wichtiges Thema, das einem ständig und dauernd in der Industrie begegnen wird (darauf war die Veranstaltung zugeschnitten), aber auch den meisten Apotheken ist GMP nicht fremd.
Anlagenbau - Es geht um Armaturen, Pumpen, Fließbilder u.v.a. Eine gemütliche Vorlesung, gut strukturiert, in viele kleinere Kapitel aufgeteilt und nicht langweilig. Es gibt eine Übung und ein eintägiges Praktikum mit Kolloquium. Die Klausur ist zeitknapp ausgelegt, aber wenn man die Rechnungen aus der Übung und ein wenig Vorlesungsstoff kann (kein hoher Anspruch an die mathematische Fertigkeit), dann kann man auch hier nicht durchfallen. Fazit: Nicht unbedingt naheliegend, wenn man plant, in der Pharmazeutischen Biologie zu arbeiten. Den Unterschied zwischen Hahn und Ventil zu kennen ist dem Allgemeinwissen aber gewiss nicht abträglich.
Bioverfahrenstechnik - Behandelt werden Bioreaktoren und Rührer, Transportprozesse, Wachstumsmodelle, Strömung und Rheologie, Upscaling, Bilanzen … Neben der Vorlesung gibt es eine Übung und ein mehrtägiges Praktikum. Zum Praktikum gibt es mehrere (wirklich einfache) Kolloquien. Auch hier gilt: Übungsaufgaben ähneln den Klausuraufgaben. Schwer durchzufallen. Fazit: Inhaltliche Verwandtschaft und z.T. sogar Überlappung mit Pharmazieveranstaltungen (z.B. Biotechnologie-Vorlesung). Fand ich gut.
Thermische Verfahrenstechnik - Es geht um Phasengleichgewichte, Wärmeübertragung, Verdampfung und Kondensation, Extraktion, Kristallisation, Trocknung, und Bilanzen, viele Bilanzen. Man beschäftigt sich mit der Ausführung in einem großen, industriellen Maßstab. Es gibt Schnittstellen mit der Physikalische Chemie-Vorlesung sowie mit der Pharmazeutischen Technologie. In der Vorlesung gibt es Tafelanschriften, die höchst klausurrelevant sind. Die Übungen sind entscheidend, um die Klausur zu bestehen. Es gibt dazu auch ein mehrtägiges Praktikum mit zwei Kolloquien, die man gut vorbereiten sollte. Zugegeben habe ich die meisten Übungszettel vorab nicht selbst lösen können und fand die Algebra und die schiere Länge der Lösungswege nach längerer Mathekarenz recht einschüchternd, aber es ging dann irgendwie. Die Klausur hatte einen hilfsmittelfreien sowie einen Taschenrechner mit Hilfsnotizen(!)-Teil. Sie war sehr zeitknapp ausgelegt, hatte aber eine Bestehenshürde von nur 40%. Bezüglich des Arbeitsaufwands und der Befürchtung, vielleicht doch nicht zu bestehen, war diese Klausur ungefähr in einer Liga mit einer durchschnittlichen Pharmazieklausur. Fazit: Menschen, denen es die Pharmazeutische Technologie und die physikochemischen Hintergründe angetan haben und die einen Master in dieser Richtung anstreben, werden an dieser Veranstaltung Gefallen finden.
Forschungsqualifikation und Englisch - Es handelt sich um eine größere Gruppenarbeit, in der man einen Review-Artikel auf Englisch verfasst. Die Gruppe wählt gemeinsam aus Themen, die verschiedenen Instituten entsprechen (bei mir aus der Partikeltechnik). Man recherchiert, liest viele Paper zu dem Thema und fasst den aktuellen Wissensstand zusammen. Neben der schriftlichen Ausarbeitung gestaltet man auch ein Poster, das man zusammen vorstellt. Zum Modul gehört außerdem ein Englischkurs, zu dem es sehr kurzfristig zu Semesterbeginn einen Einstufungstest im International House gibt, den man nicht verpassen darf. Fazit: Das Lesen von Papern, das Abfassen eines längeren Textes dazu, das Üben von Zitation etc. sind sehr brauchbar für die Masterarbeit.
Das klingt, als wenn das alles gut machbar war. Oder war der Arbeitsaufwand dafür doch sehr hoch?
Verglichen mit einem durchschnittlichen Pharmaziesemester ist der Arbeitsaufwand dramatisch geringer, besonders Anfang bis Mitte des Semesters. Die meisten Veranstaltungen laufen genau eine Doppelstunde pro Woche, einige haben noch eine Übung, die aber auch nicht das ganze Semester lang stattfindet. In den Vorlesungssälen verbringt man also merklich weniger Zeit. Was die Praktikumszeiten betrifft, so hat man in den ersten zwei Wochen eines beliebigen Pharmaziesemesters schon mehr Laborzeit auf dem Buckel. Umgekehrt sind die Protokolle aber deutlich länger (teils über 30 Seiten), da sie viele Teilaufgaben beinhalten. Man bearbeitet diese aber offiziell nicht allein, sondern mit der Gruppe, mit der man auch die Versuche durchgeführt hat. Bis auf die der Thermischen Verfahrenstechnik kann man alle Klausuren bereits bestehen, wenn man sich rund eine Woche Lernzeit für sie einplant. Auch sind die Prüfungen nicht quer über das Semester verteilt; es gibt eine eigens für Prüfungen vorgesehene Zeit am Ende des Semesters, wo sonst nichts mehr stattfindet.
Wie hat denn die Gruppenarbeit funktioniert?
Das war tatsächlich gewöhnungsbedürftig, allerdings auch Glückssache - je nach Gruppeneinteilung. In der Pharmazie wurde ich wohl ein bisschen zu sehr von meiner Standardgruppe mit ihrer hohen Arbeitsmoral verwöhnt, die ihren Part einerseits rechtzeitig und meistens auch richtig, andererseits plagiatsfrei erledigte. Oder denn wenigstens überhaupt erledigte. Das war jetzt nicht ganz so - für mich die deutlichste negative Erfahrung aus dem Studiengang PVT. Nach mehreren unschönen Überraschungen bin ich dazu übergegangen, Protokolle und Referate fast vollständig selbst abzufassen. Fazit: Ich hatte viele freie Nachmittage, auch bei regelmäßiger Arbeit für sechs.
Das Pharmaziestudium ist ja von Anfang bis Ende für alle Eventualitäten komplett durchgeplant. Das war bei diesem Studiengang sicher anders. Bist du mit den organisatorischen Dingen gut klargekommen?
Eine erste Hürde ist es, sich für den Masterstudiengang zu bewerben, bevor das Staatsexamen in der Pharmazie stattgefunden hat. Aber anders geht es natürlich nicht. Die Anerkennung der Leistungen aus dem Pharmaziestudium erfolgt auf Antrag nach Vorlage der Zeugnisse (1. und 2. Stex) ohne größeren Aufwand, aber das wusste noch niemand so genau, als ich mit dem Master PVT angefangen habe. Nun sollte das aber klar sein, sodass das für zukünftige PVT-Studierende aus der Pharmazie reibungslos funktionieren müsste. So durchorganisiert wie das Pharmazie-Studium ist der Master PVT tatsächlich nicht. Es kann schon mal vorkommen, dass zwei Pflichtveranstaltungen zur gleichen Zeit stattfinden. Allerdings gibt es dafür dann online-Lösungen. Insgesamt muss man aber schon gut aufpassen, alle aktuellen Informationen zu bekommen und keine Fristen u.ä. zu verpassen (z.B. Eintragung in Praktikumsgruppen). Verwirrend sind oft die Veranstaltungsnamen, es gibt so viele ähnlich klingende Bezeichnungen. Schwierig ist das vor allem am Anfang, wenn man die anderen Studierenden noch nicht kennt. Im Austausch mit Kommilitonen klärt sich die eine oder andere organisatorische Unsicherheit meist schnell. Ich wäre tatsächlich fast einmal zur falschen Klausur gegangen, da der Name so ähnlich klang wie der meiner Lehrveranstaltung und meine eigentliche Klausur in der Liste für mich aus unbekanntem Grund nicht sichtbar war. Die Bekanntgabe der Noten in TUconnect ließ z.T. recht lange auf sich warten, da war ich aus der Pharmazie wohl etwas verwöhnt. Fazit: So viel Mailverkehr und so viele Telefonate wie in diesem einen Semester habe ich in meinem gesamten ersten Studium nicht geführt.
Wie lautet dein abschließendes Fazit aus heutiger Sicht?
Insgesamt betrachtet war das Studium eine Erfahrung für sich und in vielerlei Hinsicht anders als das, was ich bis dahin kannte. Die gelegentlichen Erschwernisse ergaben sich sicher dadurch, dass der Studiengang neu ist und ich wenig Ahnung vom Bachelor-/Mastersystem und zu Anfang keinerlei Kontakte hatte. Viele der organisatorischen Mängel dürften sich einpendeln, sobald der Studiengang erprobter ist. Auch wenn der Inhalt der meisten Vorlesungen meinen Alltag wahrscheinlich nicht weiter tangieren wird, so war es doch interessant zu lernen, was eigentlich „danach“ passiert, sprich, nachdem die Laborphase eines neuen Prozesses vorbei ist, und wie die großtechnische Umsetzung dann so aussehen kann. Ich empfand den Studiengang geselliger als das Pharmaziestudium, da in verschiedenen Veranstaltungen verschiedene Studiengänge zusammenkommen und man so mehr Kontakte knüpfen kann, wenn man Lust hat. Die Zeit hat man jedenfalls. Der Anstieg an Lebensqualität ist aus meiner Sicht der deutlichste positive Unterschied zum Pharmaziestudium!