Im Hof der Moschee-Kathedrale von Córdoba (Spanien) sind 232 dekorierte Hölzer ausgestellt. Etwa 100 weitere befinden sich in Museen und Magazinen. Es handelt sich um einen der ältesten und größten zusammenhängenden Fundkomplexe mittelalterlicher Dachhölzer in Europa. Die Zerrbalken, Sparren und Tafeln zeugen von mindestens drei Bauphasen der Hauptmoschee des Kalifats von Córdoba aus dem 8.–10. Jh. In einem gemeinsamen Projekt mit der Außenstelle Madrid des Deutschen Archäologischen Instituts und der Universität Bamberg werden die Hölzer zum ersten Mal umfassend und systematisch dokumentiert und mit einem Spektrum geistes-, ingenieur- und naturwissenschaftlicher Methoden untersucht. Die Ergebnisse leisten einen bedeutenden Beitrag zur Erschließung von Entwurf, Konstruktion und Raumwirkung eines der bedeutendsten Sakralräume der Weltarchitektur und zugleich zur Bau- und Baukonstruktionsgeschichte an der Schnittstelle zwischen islamischer Welt und Westeuropa.
Art, Herkunft und Alter der Hölzer werden holzkundlich bestimmt. Bei einer Probekampagne ließ sich unter anderem nachweisen, dass alle Bretter eines Werkstücks aus einem Baumstamm geschnitten wurden; dies weitet den Blick auf bisher unerschlossene Details zu Lieferketten und Werkverfahren. Dank ungehinderten Zugangs zu den Hölzern von Seiten des Domkapitels ist eine detailgetreue Aufnahme von Zuschnitt, Ausnehmungen, Nägeln und weiteren konstruktiven Details aller Balken möglich. So können Holzkunde und Bauforschung gemeinsam eine Abfolge der verschiedenen Konstruktionen zeitlich und räumlich fassen: Der 785 auf quadratischer Grundfläche begründete Bau wurde zunächst um 840 und erneut in den 960er Jahren nach Süden verlängert und etwa zwei Jahrzehnte später von 11 auf 19 Schiffe nach Osten erweitert. Bei Renovierungsarbeiten im 14. Jh. wurden die ursprünglich ausgeführten Flachdecken durch offene Dachstühle und diese dann im 18. Jh. durch abgehängte Gewölbe ersetzt. Die Wahrnehmung des von doppelten Hufeisenbögen getragenen Raums muss dabei jeweils eine ganz unterschiedliche gewesen sein; diese gilt es zu rekonstruieren und zu visualisieren. Hinzu kommt: Alle erhaltenen Hölzer weisen geschnitzte und farbig gefasste Ornamente sowie Spuren von Appliken auf, die zusammen komplexe Muster bilden. Die Dekoration jedes einzelnen Bauteils ist individuell gestaltet. Diese Ausführung war nur durch geometrische Vorzeichnungen möglich, deren Spuren, ebenso wie Marken einzelner Handwerker, noch an vielen Tafeln nachweisbar sind. Das Ornamentprogramm wird in den Einzelschritten seiner Herstellung analysiert, kunstgeschichtlich gedeutet und in die islamische Geistesgeschichte eingeordnet. Die Befunde von Holzkunde, Bauforschung und islamischer Kunstgeschichte fließen in einem gemeinsam erstellten Katalog zusammen, der sowohl selbst publiziert wird sowie auch die Basis weiterführender Veröffentlichungen bildet.