7.–10. Oktober 2020
Automatisierte ästhetische Praktiken sind gerade dabei, neue Erscheinungsformen künstlerischen und politischen Alltagshandelns in einer medial saturierten Gesellschaft zu generieren. Das Forschungsprojekt “Von der Avantgarde zum Algorithmus: Automatisierte Kreativität in Literatur und Musik” (Institut für Anglistik und Amerikanistik, Institut für Germanistik, Institut für Musik und ihre Vermittlung, TU Braunschweig) begleitet diese Entwicklungen kritisch und bringt dazu im Rahmen dieser in deutscher und englischer Sprache abgehaltenen Online-Tagung Forscher*innen aus den Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaften sowie der Informatik zusammen.
Entsprechend der interdisziplinären Ausrichtung des Projekts versammelt die Tagung Beiträge, die sowohl sich mit dem allgemeinen Wandel von Kreativitätsdispositiven im Kontext von Digitalisierung und maschinellem Lernen befassen als auch die spezifischen historischen, ästhetischen und sozio-technischen Besonderheiten der verschiedenen Felder künstlerischer und kultureller Produktion berücksichtigen.
Der Schwerpunkt Musik vereint verschiedene kulturwissenschaftliche und -soziologische Perspektiven auf musikalische Praktiken der Gegenwart. Mit Rückgriff auf die kritischen Diskurse der Disability-, Gender- und Postcolonial Studies beschäftigen sich die Beiträge mit dem Hineinwirken sozialer und kultureller Machtstrukturen in musikalische Kontexte. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem komplexen Verhältnis von musikalischer Praxis und den technikkulturellen Bedingungen umfassender Digitalisierung. Mit Sensibilität für den Eigensinn digitaler Musik- und Sound-Technologien nähert sich das Programm von verschiedenen Punkten der Frage, was es bedeutet Musik zu machen im Zusammenschluss mit global vermarkteten Dingen, die höchst komplex, performativ, wissend, vernetzt und kulturell aufgeladen sind.
Der Schwerpunkt Anglistik thematisiert die Automatisierung von sprachlichen Kreativ- und Rezeptionsprozessen mit Beiträgen von Forscher*innen aus den Geistes- und Kulturwissenschaften, der Informatik sowie den Kognitionswissenschaften. Diese stehen im Kontext der Spannungsfelder zwischen menschlicher und ‚künstlicher‘ Kreativität sowie zwischen Bedeutung und Wert von Sprache im digitalen Zeitalter. Es wird um Fragen gehen wie: Können Automatisierungsprozesse aktuell sowie perspektivisch Teil von Kreativitätsprozessen sein? Transformieren und überlagern Sie gleichermaßen auch die Formen der Rezeption, in der Breite der Gesellschaft sowie im akademischen Kontext? Welchen Einfluss üben diese Veränderungen auf das Medium Sprache und ihre Verbreitung aus?
Der Schwerpunkt Germanistik beschäftigt sich erstens mit dem Kreativitätsbegriff computergenerierter Texte. Dabei soll versucht werden, die künstlerischen Kriterien zur Beschreibung dieser Texte aus der Struktur der verwendeten Technik selbst abzuleiten, anstatt an diese nur durch den Vergleich mit ‚humanen‘ Werken zu gelangen. Zweitens werden die Besonderheiten des Lesens und Schreibens nicht-linearer interaktiver Textsorten beleuchtet. In diesen stellt der Text eine erforschbare Welt dar und das Lesen und die Rezeption bedeuten Spiel und Aktion. Drittens werfen wir einen fundierten Blick auf die Automatisierung der Literatur vor dem Hintergrund ihrer historischen Entwicklung und hinterfragen das allgemeine Verständnis von Digitalität und Kreativität.