Ansprechperson: Sebastian Kunas
Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden für die Produktion von Beats/Tracks/Songs/Musikstücken professioneller Anmutung wenigstens Plattenspieler, Sampler, Schallplatten und eine Stereoanlage, häufig aber spezielle Räumlichkeiten, diverse Musikinstrumente, professionelle Sound-Technik und entsprechendes Know-how benötigt. Heute reichen manchmal schon Kopfhörer und ein handelsüblicher Laptop mit gecrackter oder kostenloser Musik-Software – nicht einmal ein halber Rucksackinhalt.
So überschaubar ein solches Setup erscheinen mag, so komplex ist seine technikkulturelle Dynamik. In diversen Settings kreativer Praxis interagieren Musiker*innen umfassend und selbstverständlich mit digitaler Hard- und Software von hoher musikalischer und kultureller Performativität. Die Funktionen, Oberflächen, Ordnungen, Benennungen, Presets, Templates und Sound-Bibliotheken dieser digitalen „MusikmachDinge“ (Ismaiel-Wendt) sind durchsetzt von Sedimentierungen und Wissensbeständen globalisierter, postkolonialer Musik-/Kultur. Mit ihren Automatisierungen, Algorithmisierungen, Vernetzungen, Adaptivitäten, Responsivitäten und dem zunehmenden Einsatz von Deep Learning sind sie weit mehr als Aufnahmegeräte, Begleitautomaten oder musikalische Erfüllungsgehilf*innen.
Dem Forschungsprojekt liegt die Annahme zugrunde, dass sich Musiker*innen und MusikmachDinge als solche erst im Akt des Musikmachens reziprok und reflexiv hervorbringen. Ihre kreative Interaktion ist demgemäß Schauplatz ästhetischer, musikalischer und kultureller Verhandlungen, Delegierungen und Übersetzungen. Mit Methoden der qualitativen Sozialforschung wie Artefaktanalysen, teilnehmenden Beobachtungen und Befragungen spürt das Forschungsprojekt kreativen Prozessen und Kreativitätsdispositiven nach. Es schließt an Musiksoziologien der Vermittlung (Hennion, Born), die Akteur-Netzwerk-Theorie (Latour, Akrich), kulturwissenschaftliche/kultursoziologische MusikmachDing-Studien (Ismaiel-Wendt) und den kritischen Diskurs der Gender und Postcolonial Studies an und untersucht damit die grundlegenden Bedingungen digitalisierter Musikpraxis aus empirisch-kulturwissenschaftlicher Perspektive.