Session 2

Thursday, the 09th of September, 15.15-16.15

Borgstede, M. & Simon, C.

A conceptual synthesis of learning and evolution

Learning and evolution have both been characterized as processes of selection. However, the exact relation between both concepts remains unclear. We clarify this relation by proposing an integrative perspective on the phylogeny and ontogeny of behavior. We build on George Price's account of selection by covariance, which is commonly used in biological models of evolution. We argue that the principle of selection by covariance can be extended to account for both, evolution and learning, simultaneously. Learning is conceptualized as selection on an individual level ('behavioral selection'), whereas evolution captures selection on a population level ('natural selection'). Both levels are functionally related, because the outcomes of behavioral selection constitute context dependent phenotypes and are thus subject to natural selection. This functional relation emerges, if and only if individual behavior is selected to the amount that it predicts changes in evolutionary fitness. Once an organism has the ability to identify such fitness predictors in its local environment, learning occurs as a direct consequence of natural selection. The phylogeny and ontogeny of behavior can thus be described as a self-similar process of selection.

 

Lindner, D.

Anpassung als Nischensuche und ihr Beitrag zum evolutionären Wandel

Der geplante Vortrag nimmt seinen Ausgangspunkt bei der Frage, welche aktiven Formen von Anpassung auf der Ebene menschlichen Verhaltens zu finden sind. Während die klassische Evolutionstheorie darauf abzielt, den Wandel von Organismen über passive Anpassung zu beschreiben, beziehen sich neuere Theorien zur kulturellen Evolution auf Veränderungen, die Organismen an ihrer Umwelt vornehmen. Übertragen auf menschliches Verhalten wird Anpassung in diesem Sinne in dem geplanten Vortrag als Lernprozess verstanden. Er bildet die Basis für eine kontinuierliche und aktive Form der Auseinandersetzung mit äußeren Bedingungen. Verhaltensanpassung wird als ein vorrübergehender Akt auf vorrübergehende Zustände betrachtet. Da der Mensch darauf bedacht ist, seine Lebensbedingungen ständig zu verbessern, wird mit Luhmann Anpassung als Voraussetzung für Evolution verstanden. Sie bildet zugleich einen Rahmen für viele Unangepaßtheiten, die zur Aufrechterhaltung der Autonomie nötig sind. Auf Basis dieser Konzeption von Anpassung wird der geplante Vortrag die Nischensuche als Anpassungsstrategie näher beleuchten. Die Nischenbildung kann mit Popper über Formen der Wissenspraxis betrachtet werden. Menschen müssen sich sehr viel Wissen über die Nische aneignen, um in einem kreativen Prozess des Versuchs und Irrtums zu einer zufriedenstellenden Form der Anpassung zu gelangen. Anpassung vollzieht sich so gesehen über die Optimierung der Nischengestaltung und entspricht damit einer Spezialisierung, die über kontinuierliche Wissensakkumulation erlangt wird. In einem dritten Schritt wird der Blick auf den evolutionären Beitrag der Nischenbildung gerichtet. Nischenbildungen finden massenweise statt und haben für eine evolutionäre Theorie der Gesellschaft oftmals lediglich „Bagatellcharakter“. So lässt sich das Einrichten in privaten Nischen, wie es besonders in der DDR eine ausgeprägte Form der Anpassung war, zwar als Überlebensstrategie beschreiben, aber nicht unbedingt als Faktor für evolutionären Wandel. Mit Habermas lässt sich argumentieren, dass nur die Nischenbildungen für eine soziale Evolutionstheorie relevant sind, die zu einem höheren Lernniveau innerhalb einer Gesellschaft führen. Um soziale Evolutionen in diesem Sinne beschreiben zu können, ist es also notwendig, Nischensuche im Hinblick auf ihr gesellschaftliches Innovationspotential aus der Logik der gesellschaftlichen Organisationsprinzipien heraus zu bestimmen. Der geplante Vortrag verdeutlicht das Prinzip evolutionärer Erklärungen exemplarisch an zwei Formen der Nischensuche. So können mit Blick auf das Leben in der spätmodernen kapitalistisch strukturierten Gesellschaft Formen der Nischensuche im wirtschaftlichen Wettbewerb zum einen als allgemeiner Mechanismus der Positionierung gefasst werden, der wiederum zu Dynamisierungen führt und die Variationsspielräume wirtschaftlichen Handelns ständig erweitert. In diesem Sinne werden in den letzten Jahren vermehrt Nischen besetzt, die nachhaltiges Wirtschaften praktizieren und aufgrund ihrer Zielsetzung als Versuch gewertet werden können, evolutionären Wandel herbeizuführen. Eine andere Form innovativer Nischenarbeit zeigt sich wiederum mit Blick auf die DDR, wo aus der privaten Nische heraus eine Form des politischen Aktivismus entstanden ist, der das System der DDR letztlich zu Fall gebracht hat.