Fördergeber: BMWK
Laufzeit: 09/2023 – 08/2026
Partner: Institut für Konstruktionstechnik - TU Braunschweig, Institut für Füge- und Schweißtechnik – TU Braunschweig, Fraunhofer IST, Fraunhofer IWU, IPI – Institut für Produktion und Informatik (TTZ Sonthofen), ARRK Engineering GmbH, POLYTEC PLASTICS Germany GmbH & Co KG, KCS Europe GmbH, Synergeticon GmbH
Ausgangssituation & Zielsetzung
Ein wichtiger Treiber auf dem Weg zur Reduktion negativer Umweltwirkungen von Produktionssystemen und Bauteilen ist eine nahezu emissionsfreie und zirkuläre Produktion. Durch die konsequente Wiederverwendung von Materialien und den Einsatz von Rezyklat können Materialkreisläufe geschlossen und somit die Umweltwirkungen in der Produktion reduziert werden. In Verbindung mit Leichtbauprinzipien und Digitalisierungstechnologien lassen sich so enorme Einsparungen über den gesamten Lebenszyklus der Produkte (bspw. eines Automobils) erzielen. Durch den Einsatz von Rezyklaten sind jedoch größere Schwankungen für Produkteigenschaften zu erwarten. Für eine resiliente, nachhaltige und zirkuläre Produktion von rezyklierten Leichtbauteilen bedarf es daher innovativer Design für Re-X-Methoden unter Berücksichtigung von Fertigungseinflüssen sowie echtzeitfähige Assistenzsysteme zur digitalen Prozesssteuerung während des Betriebs.
Im Rahmen von DigiPRO2green entwickelt das IWF digitale Assistenzsysteme zur Produktionsoptimierung von Leichtbau-Bauteilen mit (möglichst hohem) Rezyklatanteil und erforscht hier die Potenziale von datenbasierten Ansätzen für die Kreislaufwirtschaft. Dafür werden im Projekt CAE-Prozesssimulationen, KI-basierte Prozess- und Prozesskettenmodelle, Nachhaltigkeitsbewertungen sowie die notwendige IT-Infrastruktur zur Implementierung entwickelt und in einem Assistenzsystemen zusammengeführt.
Das zentrale Forschungsziel des IWF besteht dabei in der Entwicklung und Implementierung eines multikriteriellen Assistenzsystems für ein zirkuläres und nachhaltiges Produktionssystem sowie die Integration von Prozesssimulationsdaten über echtzeitfähige, physik-basierte Ersatzmodelle mittels Methoden des maschinellen Lernens. Es wird ein cyber-physisches Produktionssystem, mit dem Ziel zirkuläre Stoffkreisläufe in der Produktion durch eine bezüglich schwankender Rezyklateigenschaften resiliente Fertigung zu ermöglichen, aufgebaut. Darüber hinaus werden im Projekt die Implementierung eines cloudbasierten Onlinetools zum Anforderungstracking (CO2-Einsparung/ Bemessung der Umweltwirkung) und zur Optimierung von Strukturen angestrebt. Mit Abschluss des Projekts werden die digitalen Methoden und Tools anhand von Funktionsmustern im Labormaßstab und im Industriemaßstab erprobt und validiert.
Vorgehen und methodischer Ansatz
Das IWF erforscht in diesem Projekt multikriterielle Assistenzsysteme, die neben diversen Dateninputs aus der Produktion und der Nachhaltigkeitsbewertung auch physikalische Zusammenhänge aus Simulationen berücksichtigen. Hierzu werden zunächst Simulationsmodelle zur numerischen Abbildung der untersuchten Fertigungsprozesse aufgebaut und mittels Coupon-Proben und kleineren Funktionsmustern validiert. Über Parameterstudien werden virtuelle Trainingsdaten erzeugt, die die Grundlage des physik-informierten Ersatzmodells bilden. Dieses ist in der Lage in nahezu Echtzeit relevante Produkteigenschaften (wie z.B. eine Faserorientierung) vorherzusagen. Neben diesen Informationen aus der Simulation beinhaltet das digitale Abbild Prozess- und Maschinendaten von den Produktionsanlagen, Sensordaten (werkzeugintegriert) sowie Daten über die Umweltwirkungen. Dieses soll in einer entsprechenden Darstellung (Dashboard) zu einem multikriteriellen Assistenzsystem zusammengeführt werden. Das Gesamtsystem wird in der Produktionsumgebung der Open Hybrid LabFactory implementiert und anhand eines industrierelevante Funktionsmusters validiert.
Projektfortschritt
Zu Beginn des Projekts wurden verschiedene Workshops zum Anforderungsmanagement abgehalten. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Definition geeigneter Funktionsmuster sowie den entsprechenden Anforderungen und Randbedingungen und den daraus resultierenden Anforderungen an Material, Datenakquise, Dateninfrastruktur und den Aufbau der datenbasierten Modelle. Insgesamt werden im Projektverlauf verschiedene größere und kleinere Funktionsmuster untersucht. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Simulation, Sensorik und Datenerfassung plausibel und valide sind. Darüber hinaus lassen sich so verschiedene Fertigungsstrategien und der Rezyklateinsatz auf verschiedenen Skalen untersuchen. Anhand dieser Funktionsmuster werden Materialcharakterisierung, Validierung von Simulationen und Kalibrierung von Sensordaten durchgeführt. Darüber hinaus sind die jeweiligen Datentypen definiert und es wurde erfasst, wie diese miteinander im Austausch stehen. Anforderungen bezüglich der zeitlichen Abfolge des Datenaustauschs aus der Konstruktion, der Produktion und der Simulation sind ebenfalls defineirt. Ziel ist es, als Demonstrator ein relevantes Bauteil (Dimension und Masse) durch ein Rezyklat zu ersetzen. Im Fokus steht hierbei ein Verbund aus einem thermoplastischen Matrixmaterial (PP mit Rezyklatanteil) und Glasfasern (endlos, lang, kurz) in einem Pressverfahren oder einer Verfahrenskombination mit Spritzgießen.
Ausblick und Potenziale
Im weiteren Verlauf des Projekts werden physische Funktionsmuster gefertigt, die zur Validierung der digitalen Methoden dienen. Durch entsprechende experimentelle Untersuchungen kann das mechanische Leistungsvermögen von Rezyklatmaterial besser abgeschätzt werden. Dadurch wird evaluiert, welche Bauteile und Baugruppen unter Berücksichtigung der auftretenden Lasten und Fertigungseinflüsse das größte Potenzial zur Substitution besitzen
Neben der Qualifizierung von Rezyklatmaterial für die Serienfertigung und der Auslegung der Produkte und Prozesse für Strukturbauteile, spielt die Akzeptanz bei der Einführung von Rezyklatmaterial eine entscheidende Rolle. Das Projekt DigiPro2green bietet hier ein enormes Potenzial durch die Entwicklung von digitalen Methoden bereits früh in der Entwicklungsphase abschätzen zu können, wie Rezyklatmaterial optimal eingesetzt werden. Im Projekt werden die Methoden am Beispiel der Automobilindustrie erprobt, lassen sich jedoch auf andere Branchen übertragen.