Heutige Kommunikationsnetze zeichnen sich für Nutzer und Betreiber oft durch eine hohe technische Komplexität aus. Heterogene Netzarchitekturen, Edge Computing und Network Slicing sowie stetig steigende Anforderungen an Dienstgüte, Agilität und Flexibilität verursachen ungekannte betriebliche Herausforderungen. Unzureichend bekannte Stellgrößen, Parameterschwankungen und Degradationseffekte erfordern hohe Sicherheitsreserven in der Netzplanung und verursachen einen
erhöhten Energieverbrauch. Konfigurationsfehler können nicht nur die Ausfallsicherheit der Netze, sondern auch die Informationssicherheit von Betriebs- und Nutzerdaten gefährden. Fehlfunktionen sind häufig schwer zu lokalisieren und nur mit erheblichem Zeitaufwand zu beheben.
AI-NET-ANIARA hat sich zum Ziel gesetzt, auf Basis konkreter Anwendungsszenarien aus dem Gebiet Sensoren und Fertigung innovative Lösungen für diese Probleme zu entwickeln. Eine intelligente, standortübergreifende Ende-zu-Ende-Automatisierung auf der Netz- und Dienstebene soll manuelle Prozessschritte weitestgehend vermeiden und in Zukunft einen vollständig autonomen Netzbetrieb ermöglichen.
Ziel des Institutes für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF) der TU Braunschweig im Projekt AI-NET ANIARA ist die Identifikation und Erschließung von Potenzialen für flexible Produktionssysteme, die durch 5G und Edge-Computing ermöglicht werden. Im Rahmen des Projektes wird das IWF das Versuchslabor zur inkrementellen Fertigung „Incremental Manufacturing Lab” mit intelligenten Edge-Devices ausrüsten, die mit Hilfe von KI-Algorithmen (Künstliche Intelligenz) und Machine Learning (ML) Sensor- und Maschinendaten nah am Datenursprung verarbeiten können. Die Ergebnisse der Algorithmen werden zum einen zu einer vereinfachten Überwachung des Prozesses durch menschliche Bediener (lokal mittels Dashboards, aus der Ferne z.B. mittels Virtual Reality) und zum anderen auch zur direkten Steuerung der Anlagen genutzt. Außerdem wird analysiert, wie sich die erzeugten und vortrainierten Algorithmen auf weitere Anlagen an anderen Standorten übertragen lassen. Zusammen mit Opel wird zudem untersucht, wie sich die Technologien 5G und Edge-Computing auf Anwendungsfälle im Kontext von Energieeffizienz und Raumluftqualität gewinnbringend einsetzen lassen können. Es werden Methoden für die Orchestrierung von Edge-Devices entwickelt und die Übertragbarkeit auf praxisnahe Anwendungsfälle sowie das Training der KI-Modelle geprüft.
Im Incremental Manufacturing Lab (IML) soll die Automatisierung sowohl auf Teilprozess- als auch auf Prozesskettenebene vorangetrieben werden. Zur Veranschaulichung wird die Einbindung eines einzelnen Edge-Devices (ED) für den Teilprozess der additiven Fertigung des IML in der nachfolgenden Abbildung dargestellt. Zunächst werden definierte Qualitätsansprüche z.B. Schichtzusammenhalt für die additive Fertigung und Oberflächenbeschaffenheit für die Zerspanung in das Edge-Gateway (EG) geladen. Auf Basis dieser Informationen kann das EG zuvor trainierte KI-Modelle den einzelnen Edge-Devices (ED) zuweisen, wodurch sie ihre Intelligenz erhalten. Im Betrieb werden die einzelnen EDs konstant mit Maschinen- und Sensordaten versorgt, was es ihnen ermöglicht, auf Basis der KI-Modelle die Qualität eines Teilprozesses noch während der Fertigung zu bestimmen und ein sogenanntes Quality Gate (dt. Qualitätstor) zu erschaffen. Dieses Prinzip ist übertragbar auf alle Prozessschritte, wofür eine Vielzahl von EDs verwendet werden.
Die errechneten Ergebnisse aus den einzelnen EDs laufen wieder in dem EG zusammen und können dort für eine Überwachung der gesamten Prozesskette und zum Ableiten optimierter Betriebsstrategien genutzt werden. In dem EG sind die Daten bereits stark aggregiert und lassen sich dadurch in übergeordnete Systeme wie in Manufacturing Execution Systems (MES, dt. Fertigungsausführungssysteme) und Enterprise Ressource Planning (ERP, dt. Geschäftsressourcenplanung) überführen. Um mehrere Produktionsstandorte (ERP-Level) miteinander zu verknüpfen, wird zusammen mit dem Fraunhofer IPT untersucht, wie sich die Ergebnisse auf andere Standorte übertragen lassen (“Global Cloud”). Auf Shopfloor-Ebene können aus dem EG Funktionen zur Steuerung, Datensicherung, Visualisierung und Remote-Überwachung abgeleitet und implementiert werden.