Die Arbeitsgruppe Elektronische Fahrzeugsysteme des Instituts für Regelungstechnik erforscht seit mittlerweile über 10 Jahren das hoch- und vollautomatisierte Fahren. Die verschiedenen Anstrengungen zur Konzeption und Entwicklung automatisierter Fahrfunktionen für das autonome Fahren in urbanen Umgebungen werden im Projekt Stadtpilot gebündelt.
Hervorgegangen ist das Projekt Stadtpilot aus dem Team CarOLO und seinen Erfahrungen bei der DARPA Urban Challenge 2007. Ziel des Projektes ist es, den Braunschweiger Stadtring im öffentlichen Straßenverkehr zuverlässig und sicher automatisiert zu umfahren. Die städtische Einsatzumgebung hält hierbei eine Vielzahl von Herausforderungen in allen Bereichen des autonomen Fahrens von der Umfeldwahrnehmung über die Eigenlokalisierung bis hin zur Verhaltensgenerierung bereit. Neben Fahrstreifenwechselmanövern im fließenden Verkehr muss das automatisierte Fahrzeug etwa das Abbiegen auf einer Kreuzung bei Gegenverkehr oder bei zeitgleichen Lichtsignalanlagenphasen mit zu Fuß gehenden Personen bewältigen können.
Zusätzlich zu den Versuchen im realen Stadtverkehr spielt die Simulation als Werkzeug zur Entwicklung und Erprobung neuer Funktionalitäten eine immer wichtiger werdende Rolle.
Versuchsträger
Die Fahrzeugflotte des Projekts Stadtpilot besteht aus drei Fahrzeugen.
Leonie ist seit 2010 im Einsatz und wurde seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Herausforderungen im urbanen Umfeld machten die Anpassung des Sensorsetups notwendig, sodass der Versuchsträger über mittlerweile elf Sensoren unterschiedlicher Technologien für die Umfelderfassung und ein inertial- und satellitengestütztes Ortungssystem zur Lokalisierung verfügt. Seit 2015 wird Leonie durch die beiden Versuchsträger RefSens und ViL unterstützt.
RefSens, abgeleitet von Referenzsensorikprüfstand, verfügt ebenso wie Leonie über einen rotierenden Laserscanner (Velodyne HDL-64) auf dem Fahrzeugdach und ein inertial- und satellitengestütztes Ortungssystem zur Lokalisierung. Zusätzlich ist das Fahrzeug mit vier direkt unter dem Laserscanner verbauten Kameras ausgestattet, die eine 360°-Umfelderfassung ermöglichen. Das Konzept dieses Fahrzeugs sieht vor, die genannten Sensoren als Referenz für weitere flexibel an das Fahrzeug montierbare Sensoren zu nutzen und so zum Beispiel eine Bewertung der zusätzlich montierten Sensoren gegenüber den Referenzsensoren zu erlauben. Daneben verfügt RefSens über die notwendige Hard- und Software-Ausstattung für den hochautomatisierten Betrieb und wird für Fahrversuche zum automatisierten Fahren in urbaner Umgebung eingesetzt.
ViL ist nach dem Vehicle-in-the-Loop Konzept benannt, bei dem eine Versuchsperson in einem echten Fahrzeug simulierte Szenarien durchfahren kann. Dabei können Experimente durchgeführt werden, die im realen Stadtverkehr zu Gefahrensituationen führen könnten. In einer simulierten Umgebung auf einer großen Freifläche können mit dem ViL beispielsweise sehr kleine Abstände und hohe Geschwindigkeiten ohne das Risiko einer physischen Kollision gefahren werden, während die Insassen ein reales Fahrgefühl erleben.
Die Versuchsperson wird dazu mit einer Brille mit integriertem Bildschirm (engl. Head-Mounted Display) in eine erweiterte Realität (engl. Augmented Reality) oder in eine virtuelle Realität (engl. Virtual Reality) versetzt. Virtuelle Objekte, wie Fahrzeuge, zu Fuß gehende Personen, Straßen, Verkehrsschilder oder Gebäude, werden simuliert und in das Blickfeld der Versuchsperson eingeblendet.
ViL kann dabei entweder manuell vom Fahrersitz oder von der automatisierten Fahrfunktion des Projekts „Stadtpilot“ gesteuert werden. So können beispielsweise die Auswirkungen einer automatisierten Fahrt unter definierten Bedingungen auf eine Versuchsperson untersucht werden. Da die Versuchsperson bei Experimenten in der virtuellen Realität ggf. das reale Umfeld nicht sehen kann, hat der Sicherheitsbeifahrer bzw. die Sicherheitsfahrerin über eine Doppelbedienung (Fahrschulpedalerie) die Möglichkeit, direkt in die Längsführung einzugreifen.
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