Chemnitius, Johannes: Index plantarum circa Brunsvigam trium ferê milliarium circuitu nascentium. Braunschweig: 1652 Die älteste in Niedersachsen erschienene Flora beschäftigte sich mit Braunschweig und seiner unmittelbaren Umgebung. Sie wurde von Johannes Chemnitius verfaßt, der 1610 in Braunschweig als Sohn des Domherrn Paul Chemnitius und Enkel des bedeutenden Theologen Martin Chemnitius geboren wurde. Er studierte in Leipzig, Jena, Padua und Oxford, erlangt in Padua die Doktorwürde und praktizierte anschließend in seiner Vaterstadt als Arzt. Chemnitius starb am 30.1.1651, erlebte die Veröffentlichung seines Werkes also nicht mehr. Man kann die Bedeutung dieser Flora erst dann richtig würdigen, wenn man berücksichtigt, daß Chemnitius zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges botanisierte. Nicht zu verkennen ist schließlich auch die lokalgeschichtliche Bedeutung, stellt der "Index plantarum" doch eines der ältesten Dokumente naturwissenschaftlicher Forschung in Niedersachsen dar - wenn nicht sogar das älteste. Chemnitius nannte immerhin 610 Pflanzen für das heutige Stadtgebiet von Braunschweig und dessen unmittelbare Umgebung; viele von ihnen entsprechen in etwa unseren heutigen taxonomischen Vorstellungen einer Pflanzenart, andere wiederum nicht. Die unmittelbare Zuordnung der von ihm angegebenen Namen, die eigentlich Diagnosen darstellen, stößt auf erhebliche Schwierigkeiten, da das Werk etwa 100 Jahre vor der konsequenten Einführung der binären Nomenklatur durch Linné erschien. Immerhin konnten 463 Angaben identifiziert werden und stellen eine wichtige Grundlage für Vergleiche mit der heutigen Flora dar (Brandes 1984). Erwartungsgemäß werden im "Index plantarum" viele heute gefährdete und/oder seltene Arten genannt. In einer Reihe von Fällen werden sie auch heute noch am selben Fundort angetroffen.
Brandes, D. (1984): Die Flora von Braunschweig um 1650 im Spiegel des "Index plantarum" von Johann Chemnitius. - Braunschw. Naturk. Schr., 2: 1-18. The "Index plantarum circa Brunsvigam trium ferè miliarum circuitu nascentium" by Johannes Chemnitius (1652) is one of the oldest floras of the northern part of Germany. It mentions a total of 610 plants for the present urban area of Brunswick respectively for the direct environs. 463 of them have been identified and underlie so the comparison with the present flora. As expected the "index plantarum" knows many nowadays endangered species. In several cases rare species are still to be found at the some place.
Anthoxanthum aristatum BOISS. - Grannen-Ruchgras Atlantisch-mediterrane Art, die vermutlich während der napoleonischen Feldzüge (1805-1813) bis in die Lüneburger Heide eingeschleppt wurde, von wo aus sie sich rasch ausbreitete. Heute ist das Grannen-Ruchgras eine stark bedrohte Art in Roggenfeldern auf nährstoffarmen Sandböden. In Braunschweig findet es sich z. B. auf Sandbrachen bei Veltenhof.
Atriplex sagittata BORKH. - Glanz-Melde Neophyt aus Westasien und Osteuropa. Erst seit Kriegsende im Braunschweiger Stadtgebiet, insbesondere an nährstoff- und feinerdereichen Wuchsplätzen. Höhepunkt der Populationsenteicklung Mitte der 60er Jahre (Heidberg). Literatur: Brandes, D. (1982): Das Atriplicetum nitentis Knapp 1945 in Mitteleuropa insbesondere in Südost-Niedersachsen. - Documents phytosociologiques N.S., 6: 131-153.
Berteroa incana (L.) DC. - Graukresse Kontinentales, osteuropäisch-westasiatisches Florenelement, das sich (zumindest) an der Westgrenze seines Areals noch ausdehnt. Für Braunschweig wurde diese Art bereits 1831 als 'gemein' [im Sinne von verbreitet] bezeichnet. Berteroa incana wächst an Straßen- und Wegrändern auf Sand im nördlichen Stadtgebiet, ebenso an Autobahnböschungen, auf Bahnanlagen sowie flächendeckend auf Brachäckern, wo sie Assoziationskennart des Berteroetum incanae ist. Literatur: Brandes, D. & J. Schrei (1997): Populationsbiologie und Ökologie von Berteroa incana (L.) DC. - Braunschw. naturkdl. Schr., 5: 441-465.
Cardaria draba (L.) DESV. - Pfeilkresse Monotypische Art, die vermutlich aus Mittelasien, Südosteuropa und dem Mittelmeergebiet stammt. Vorkommen in Braunschweig an Bahnböschungen sowie an Straßenrändern, v.a. im Lößgebiet.
Claytonia perfoliata DONN EX WILLD. - Kubaspinat Einjähriger Neophyt aus Nord- und Mittelamerika, als Salatpflanze angebaut und auf Sandböden im Halbschatten von Gehölzen, Mauern oder auch Betonschalen verwildert.
Datura stramonium L. - Gewöhnlicher Stechapfel Einjähriger Neophyt aus Mexiko bzw. Nordamerika, trotz seiner Giftigkeit gelegentlich als Zierpflanze angebaut. Verwildert auf Müll- und Schuttplätzen sowie an Aufschüttungen; auch in der var. tatula (L.) TORR. mit blau überlaufenen Blüten.
Diplotaxis tenuifolia (L.) DC. - Schmalblättriger Doppelsame Mediterran-submediterranes Florenelement, das in Braunschweig nur auf Eisenbahngelände auftritt. Im Gegensatz dazu ist die Art in Magdeburg weit verbreitet und bereits Bestandteil städtischer Rasen.
Eragrostis minor HOST - Kleines Liebesgras Einjähriges Gras, das vermutlich aus dem (nördlichen) Mittelmeerraum stammt. Mit der Eisenbahn nach Braunschweig eingeschleppt, seit mindestens 1967 auf Bahnhöfen in Braunschweig. Inzwischen erfolgte eine rasante Ausbreitung im Stadtgebiet, wo sich die Art an Plätzen mit Kleinpflaster sowie entlang der Stadtbahnlinien häuft.
Euphorbia maculata L. - Gefleckte Wolfsmilch Neophyt aus Nordamerika, der vor allem im nördlichen Mittelmeergebiet eingebürgert ist. In Braunschweig unbeständige Vorkommen zusammen mit Portulaca oleracea in Gehölzrabatten.
Fallopia japonica (Houtt.) Ronse Decr. - Japanischer Flügelknöterich Ausdauernde und äußerst konkurrenzfähige Staude aus Ostasien, die als Gartenflüchtling an Eisenbahnstrecken und Flußufern dichte und sehr artenarme Dominanzbestände aufbaut. Die derzeitigen Mengenanteile von Fallopia japonica stellen im Gegensatz zu manchen anderen Gegenden Deutschlands derzeit keine Bedrohung für die einheimische Flora dar.
Ficus carica L. - Feigenbaum Frostempfindliche Kulturpflanze, die aus dem (östlichen?) Mittelmeerraum stammt. In geschützten Lagen schaffen es einzelne Feigen immer wieder einmal zu kleinen Sträuchern heranzuwachsen. Bevorzugte Wuchsorte sind die Lichtschächte vor Kellerfenstern, da hier die Abwärme ein Erfrieren im Winter offensichtlich verhindert. Die Abbildung zeigt einen spontan aufgekommenen Feigenbaum auf einem Trümmergrundstück am Eiermarkt in Braunschweig (Anfang der 80er Jahre). Er wurde bald darauf in den Botanischen Garten umgesetzt, wo er seitdem im Freien wächst.
Galinsoga ciliata (RAF.) BLAKE - Behaartes Knopfkraut Aus dem andinen Südamerika und Mittelamerika stammende einjährige Art, die in Braunschweig vor allem als Unkraut in Gärten, Rabatten sowie an Mauerfüßen auftritt. Das Behaarte Knopfkraut scheint sich im Gegensatz zum bereits sehr häufigen Kleinblütigen Knopfkraut (Galinsoga parviflora CAV.) noch auszubreiten.
Geranium pyrenaicum BURM. fil. - Pyrenäen-Storchschnabel An Böschungen und Straßenrändern in der Außenstadt im Übergangsbereich an den Rändern von ruderalen Glatthafer-Wiesen und Brennessel-Beständen; auffällig oft in Nähe von Eisenbahnanlagen. Möglicherweise wurde die Art zunächst als Zierpflanze kultiviert und konnte sich dann innerhalb der letzten 100 Jahre ausbreiten.
Hordeum jubatum L. - Mähnen-Gerste Schwach salztolerante Art aus der Prairie Nordamerikas sowie aus Ostasien, die in Deutschland als Ziergras angebaut bzw. verkauft wird. In Braunschweig auf Eisenbahngelände, außerhalb des Stadtgebietes auch an Straßenrändern (Streusalz-Einfluß!) sowie auf Bergwerksgelände.
Impatiens glandulifera ROYLE - Drüsiges Springkraut Einjähriger Neophyt aus dem Himalaya, der im letzten Jahrhundert häufig in Gärten kultiviert wurde und von dort aus an Bach- und Flußufer gelangte. In Braunschweig findet sich Impatiens glandulifera an Oker und Schunter, wobei die Bestände trotz ihrer enormen Produktivität zur Zeit keineswegs eine ernsthafte Bedrohung einheimischer Arten darstellen.
Impatiens parviflora DC. - Kleinblütiges Springkraut Neophyt aus Mittelasien, der in Braunschweig vor allem in Parkanlagen und an Waldwegen verwilderte bzw. sich einbürgerte. Bereits 1876 für Gärten in Braunschweig (Reichenstraße) angegeben.
Lycium barbarum L. Gewöhnlicher Bocksdorn Zierstrauch aus dem ostsubmediterranen Raum, der gern an Böschungen in der Außenstadt gepflanzt wurde und zur Bildung unduldsamer Herden neigt. Der Bocksdorn verwildert an Eisenbahndämmen, auf Bahnhöfen und Deponien sowie an Flußufern.
Matricaria discoidea DC. - Strahlenlose Kamille Einjährige Art aus Nordostasien und dem westlichen Nordmerika (?), die erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland auftrat. Ihre Verbreitung erfolgte offensichtlich primär mit der Eisenbahn. Von den Bahnhöfen wurde sie infolge ihrer leicht verschleimenden Früchte rasch verschleppt. Heute ist sie bezüglich der flächenhaften Verbreitung der erfolgreichste Neophyt (z. B. 97,1 % aller kartierten Meßtischblätter in den 'alten' Bundesländern. Matricaria discoidea ist Kennart einjähriger Trittgesellschaften, sie tritt darüber hinaus in dichten Beständen an den Rändern überdüngter Hackfruchtäcker auf.
Oenothera biennis agg. - Gewöhnliche Nachtkerze Zweijähriger Neophyt amerikanischer Herkunft, der vor allem in Dauco-Melilotion-Gesellschaften auf Bahngelände, aber auch an Autobahnböschungen und auf Sandbrachen verbreitet ist.
Panicum capillare L. - Haarästige Hirse Neophyt aus Nordamerika, der gelegentlich als Ziergras angebaut wird. In Braunschweig auf Bahnanlagen sowie - gelegentlich - an Straßenrändern in der Stadt verwildert.
Psyllium arenarium (WALDST. & KIT.) MIRB.- Sandwegerich Seltene Sandpflanze, die in den letzten Jahrzehnten - nach einem vorherigen Rückgang (?) - in Ausdehnung befindlich ist. Eine größere stabile Population konnte sich auf dem Hafengelände Braunschweig-Veltenhof etablieren, seit einigen Jahren wurde auch eine Ausbreitung entlang der Stadtbahn beobachtet.
Robinia pseudacacia L. - Robinie Neophyt aus Nordamerika, wo der Baum Pioniergehölz in Kiefernmischwäldern ist. 1601 von J. ROBIN nach Paris eingeführt. In Braunschweig z. B. an Eisenbahnböschungen und Anlagen gepflanzt, in jüngerer Zeit auch in Wohnstraßen und auf Plätzen. Großflächige Verwilderungen auf dem Nußberg, wo die erste spontane Robiniengeneration offensichtlich aber durch Ahorn (Acer platanoides) verdrängt wird. Kleinere spontane Robinienbestände finden sich häufiger, so z. B. auf Bahngelände.
Salsola kali L. ssp. tragus ?ELAK. - Ungarisches Salzkraut Einjähriges Gänsefußgewächs kontinental-ostmediterraner Herkunft, das nicht nur mit Transportgütern von Bahnhof zu Bahnhof verschleppt wurde, sondern gebietsweise auch entlang der Eisenbahnstrecken wandern konnte (sog. Steppenläufer). In Braunschweig auf Schottern von Bahnhöfen und Hafenanlagen eingebürgert; nach deutlicher Zunahme Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre jetzt mit Rückgangstendenz. Literatur: BRANDES, D. (1993): Eisenbahnanlagen als Untersuchungsgegenstand der Geobotanik. - Tuexenia, 13: 415-444.
Scilla siberica HAW. - Sibirischer Blaustern Zierpflanze aus dem samartisch-pontischen Gebiet, die auf einigen alten Friedhöfen (z. B. Magnifriedhof) in halb beschatteten Rasen Massenbestände aufgebaut hat, die zur Blütezeit im Frühjahr zauberhaft aussehen.
Senecio inaequidens DC. - Schmalblättriges Kreuzkraut Neophyt aus Südafrika, der lange Zeit um Verona und den Gardasee, bei Dunkerque (Dünkirchen),um Liège (Lüttich) sowie um Bremen stabile aber flächenmäßig sehr begrenzte Populationen besaß. Seit etwa 20 Jahren ist nun eine rasante Ausbreitung dieser Art in Mitteleuropa zu beobachten. 1988 fehlte die Art noch im Braunschweiger Stadtgebiet, 1989 fanden sich die ersten Vorposten an der Auffahrt Braunschweig-Ost (bereits außerhalb des Stadtgebietes), die in den Folgejahren nicht wiedergefunden werden konnten. 1994 'marschierte' Senecio inaequidens entlang der A 2 jedoch bereits bis zum Berliner Ring. Die Ausbreitung von Senecio inaequidens erfolgt aus eigener Kraft entlang der Autobahnen und Eisenbahnlinien, wobei nun längst auch die Lücken in diesem Raster gefüllt werden. Vorkommen dieser bis in den November hinein blühenden und deswegen auffälligen Pflanze finden sich in Braunschweig vor allem auf Eisenbahngelände sowie [entlang der Hafenbahn] auf den Sandbrachen zwischen dem Hafen BS-Veltenhof und der Gifhorner Straße. Darüber hinaus wird die Art von der Stadtbahn ausgebreitet. Senecio inaequidens stellt derzeit den spektakulärsten Fall der Ausbreitung eines Neophyten in Braunschweig dar.
Senecio vernalis WALDST. & KIT. - Frühlings-Kreuzkraut Einjähriger Neophyt aus den Sandsteppen des südlichen Osteuropas und Vorderasiens, der sich im 19. Jahrhundert sowie zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Westen ausdehnte. Größere Populationen wachsen auf Sandbrachen sowie an Straßenböschungen. Daneben findet sich die Art regelmäßig auch auf Eisenbahnanlagen. Literatur: BRANDES, D. (1980): Verbreitung und Soziologie von Senecio vernalis W. & K. im östlichen Niedersachsen. - Göttinger Floristische Rundbriefe, 14: 18-25.
Sisymbrium altissimum L. - Ungarische Rauke Einjähriger Neophyt, dessen ursprüngliches Verbreitungsgebiet von Innerasien und der Türkei bis zur Balkanhalbinsel reichte. Auf ruderalisierten Sandflächen im Stadtgebiet weitverbreitet; Kennart des Lactuco-Sisymbrietum altissimi. Literatur: BRANDES, D. (1990): Ökologie und Vergesellschaftung von Sisymbrium altissimum in Nordwestdeutschland. - Tuexenia, 10: 67-82.
Solanum cornutum LAM. Einjährige Art aus Mexiko und dem südwestlichen Norrdamerika, die massenhaft am Braunschweiger Hafen auftrat. Sie ist sehr unbeständig, da [in Braunschweig] offensichtlich keine Samen zur Reife gelangen.
Solidago canadensis L. - Kanadische Goldrute Neophyt aus Nordamerika, der insbesondere am Stadtrand hektargroße Flächen auf Bauerwartungsland erobert hat. Die Ausbreitung dieser (ehemaligen) Gartenpflanze erfolgt auch entlang linearer Strukturen (Eisenbahndämme, Straßenböschungen und Flußufer). Solidago canadensis bezüglich der flächenmäßigen Ausdehnung der erfolgreichste Neophyt in Braunschweig sein.
Veronica persica POIR. - Persischer Ehrenpreis Verbreitetes Unkraut in Gärten und auf Hackfruchtäckern. Erst in jüngerer Zeit hybridogen aus zwei Elternsippen (V. polita, V. ceratocarpa) im Kaukasusraum bzw. in Nordpersien entstanden.
Diplom- und Staatsexamensarbeiten zur Flora und Vegetation von Braunschweig