Das Teilprojekt Diagonal NaWi ist die Fortführung des Teilprojektes Diagonal-MINT am Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften (IFdN) im Rahmen von TU4Teachers II der Technischen Universität Braunschweig und startete am 01.07.2019 in der 2. Förderphase der Qualitätsoffensive Lehrerbildung vom BMBF (FKZ 01JA1909).
Warum liegt ein großer Projektschwerpunkt auf der Entwicklung der Diagnosekompetenz der Lehramtsstudierenden?
Diagnostische Kompetenz von (angehenden) Lehrkräften ist eine wichtige Schlüsselqualifikation, die auch in den Standards zur Lehrerbildung durch die KMK und die DFG explizit ausgewiesen wird. Nur wenn die Lehrperson Lernvoraussetzungen und Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern zutreffend diagnostiziert und adäquate Fördermaßnahmen ableitet, gelingt es, lernwirksamen kognitive anregenden Unterricht zu gestalten. Durch die zunehmende Heterogenität der Lerngruppen sehen wir in der inhaltlichen Ausrichtung auf Diagnostik eine aktuelle Herausforderung mit hohem Stellenwert.
Und warum in den MINT-Fächern?
Die MINT-Fächer verbindet das Experiment als gemeinsames handlungsorientiertes Element, das sowohl Lehrkräfte als auch Schülerinnen und Schüler vor besondere Herausforderungen stellt. Im Projekt werden fächerübergreifende Ansätze zum experimentellen Problemlösen integriert, da es einerseits einen hohen Verwandtschaftsgrad in den naturwissenschaftlichen Lehr-/Lern- und Forschungsprozessen gibt, andererseits gibt es aber auch viele Fachspezifika, die eine Expertise im Fach voraussetzen, und deren vergleichende Betrachtung das naturwissenschaftliche Metawissen fördert.
Wie sieht das Konzept aus?
In gemeinsamen Seminaren werden Grundlagen zu Diagnose, zum Experiment und zur Klassenführung im naturwissenschaftlichen Unterricht thematisiert und die Studierenden z.B. hinsichtlich Schülerhürden beim experimentellen Problemlösen sensibilisiert. Durch die Analyse von Videos aus Schulunterricht, in dem Schülerinnen und Schüler während der Experimentierphase gefilmt wurden, gelingt es, authentische Situationen bereits in die universitäre Ausbildung zu bringen. Dabei hat sich gerade die Verbindung der drei naturwissenschaftlichen Fächer als Inkubator für neue Konzepte herauskristallisiert, da jede Fachdidaktik einen etwas anderen Blick auf das Experiment im Unterricht hat bzw. die Forschung zu verschiedenen Schwerpunkten unterschiedlich weit ist. So ist die Verbindung der Fächer in gemeinsamen Seminarsitzungen für die Studierenden, die voneinander aus den unterschiedlichen Fächerdisziplinen heraus profitieren können, und auch für die beteiligten Dozentinnen und Dozenten gewinnbringend.
Wie kommt das Projekt bei den Studierenden an?
Die diagnostische Kompetenz der Studierenden kann in Bezug auf Lernprozesse und prozessbezogene Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler beim Experimentieren durch die Seminarinhalte und die Videoanalysen gefördert werden. Sie bekommen einen vertieften Einblick in Unterrichtsprozesse und reflektieren über unterrichtliche Handlungsalternativen auf Seiten der Lehrkraft und der Lernenden. Den Studierenden gefällt das Konzept, der Verknüpfung der drei naturwissenschaftlichen Fächer.
Welche zukünftigen Perspektiven werden im Projekt Diagonal NaWi verfolgt?
Das Seminarkonzept kann nun in der zweiten Förderphase der Qualitätsoffensive des BMBF um die Aspekte des fachspezifischen Classroom Managements in den MINT-Fächern und der Sprache im Fach erweitert und verstetigt werden. In Kooperation mit der LMU München, werden die Videovignetten auf der Videodatenbank UnterrichtOnline für die Studierenden zur Analyse orts- und zeitunabhängig zur Verfügung gestellt.
Darüber hinaus wird die Thematik „Diagnosekompetenz und analytisch-kritische Reflexionsfähigkeiten“ als ausgewählte zentrale Elemente der Professionalisierung mit Fokus auf diese beiden neuen Aspekte sowie auch weiterhin auf das experimentelle Problemlösen in den Seminaren zum Projektband und in studentischen Forschungsprojekten während der Praxisphase fest verankert. Dadurch gelingt es, den vielfältigen Blick auf die Lehrerbildung bereits in der universitären Phase sichtbar zu machen. Eine aktuelle Forschungsfrage ist, inwiefern die Absolventinnen und Absolventin ihre Diagnose- und Reflexionsfähigkeiten als angehende Lehrkräfte in der 2. Phase der Lehrerbildung, also im Anwärterdienst, anwenden bzw. weiterentwickeln.
Experimente und Unterrichts-Videoanalyse: Unterricht adaptiv gestalten zur Förderung naturwissenschaftlicher Denk-und Arbeitsweisen
Bericht zur ersten Durchführung im März 2020:
Worauf ist beim experimentellen Problemlösen im naturwissenschaftlichen Unterricht zu achten und wie erschließen Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen experimentelle Fragestellungen mit vorgegebenen Materialien? Wie kann Unterricht zur Förderung naturwissenschaftlicher Denk- und Arbeitsweisen von Lernenden adaptiv gestaltet werden? Unter diesen Fragestellungen fand im März 2020 eine Fortbildung für Lehrkräfte der naturwissenschaftlichen Fächer statt, bei der das eigene Experimentieren im Labor mit Unterrichts-Videoanalysen kombiniert wurden.
Zunächst hatten die Lehrkräfte selbst Gelegenheit, Schülerexperimente verschiedener Öffnungsgrade im Hinblick auf das forschende Lernen zu unterschiedlichen Themen durchzuführen. Dabei wurden ihnen selbst mögliche Schülerprobleme beim experimentellen Problemlösen bewusst. Im Anschluss analysierten die Lehrkräfte Videoausschnitte aus authentischen Unterrichtsstunden, die Schülerinnen und Schüler bei der Hypothesenbildung, der Planung und der Durchführung derselben Experimente zeigen. Die Videos sind so aufbereitet und in Kontextmaterialien aus der Unterrichtsstunde eingebettet, dass vertiefte Einblicke in die Denk- und Arbeitsweisen der Schüler*innen gewonnen und ihr naturwissenschaftlicher Erkenntnisweg nachverfolgt werden können. Die Videoanalyse ermöglicht, Schülerfähigkeiten und Fehler bzw. Probleme exemplarisch zu diagnostizieren, Diagnosewerkzeuge kennen zu lernen und mögliche prozessbezogene Fördermaßnahmen zu skizzieren. In der abschließenden Diskussion wurden Vor- und Nachteile verschiedener Öffnungsgrade von Experimentierphasen im Unterricht reflektiert. Darüber hinaus wurden die vielfachen Möglichkeiten, die der naturwissenschaftliche Unterricht bietet, Schülerinnen an das (eigenständige) Experimentieren im Sinne des forschenden Lernens heranzuführen, diskutiert. Im Fokus standen dabei adaptive Aufgabenformate, die an verschiedenen Gelenkstellen unterschiedlich stark geöffnet sind. Dazu gehören Forscherhefte sowie Concept Videos und Concept Cartoons zur Unterstützung des hypothetisch-deduktiven Erkenntnisweges beim Experimentieren.
Die Evaluation der Fortbildung (schriftlich, anonym) fiel sehr positiv aus: Die Einblicke in die Videos wurden als gute Gelegenheit bewertet, um vertiefte Einblicke in Experimentierphasen zu bekommen. Es wurde gewünscht, dass die Vignettenbesprechung sogar ausgeweitet werden sollte. Die Fortbildung wurde als sehr praxisorientiert angesehen, aus der viele Anregungen und Ideen für den eigenen Unterricht mitgenommen werden konnten.
Denecke, T., Hilfert-Rüppell, D. & Höner, K. (eingereicht). Lehramtsstudierende analysieren NaWi-Classroom Management. Poster zur Jahrestagung der GDCP vom 14. – 17. September 2020 im Poster-Symposium „Professionalisierung in der MINT-Lehrerbildung vernetzt gestalten“.
Hilfert-Rüppell, D. & Höner, K. (eingereicht). Diagnose und Reflexionsfähigkeiten von Lehramtsanwärter*innen. Poster zur Jahrestagung der GDCP vom 14. – 17. September 2020 im Poster-Symposium „Professionalisierung in der MINT-Lehrerbildung vernetzt gestalten“.
Borchert, C., Hilfert-Rüppell, D. & Uhde, G. (eingereicht). Professionalisierung in der MINT-Lehrerbildung vernetzt gestalten. Poster-Symposium zur Jahrestagung der GDCP vom 14. – 17. September 2020.
Hilfert-Rüppell, D., Höner, K. & Eghtessad, A. (2020). Forschendes Lernen zur Diagnose experimenteller Problemlösefähigkeiten von Schülerinnen und Schülern zur Entwicklung diagnostischer und forschungsmethodischer Kompetenzen bei Lehramtsstudierenden. In: M. Basten, C. Mertens, A. Schöning & E. Wolf (Hrsg.), Forschendes Lernen in der Lehrer/innenbildung. Implikationen für Wissenschaft und Praxis. Münster, Waxmann, 123-131.
Hilfert-Rüppell, D. (2020). Im Dialog. D. Hilfert-Rüppell und Heike Wolter im Gespräch. In: A. Eghtessad, T. Kosler & C. Oberhauser (Hrsg.), Forschendes Lernen. transfer Forschung – Schule, Heft 6. Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 101-110.
Borchert, C., Hilfert-Rüppell, D. & Höner, K. (2020). Naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung im Lehramtsstudium. In S. Habig (Hrsg.), Naturwissenschaftliche Kompetenzen in der Gesellschaft von morgen. Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik, Jahrestagung in Wien 2019 (S. 808-811). Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik (GDCP).
Schreiner, A. (2021). Erklärvideos versus Informationstexte. Untersuchung von Lernzuwachs, Motivation und Interesse bei Schülerinnen und Schülern des 9. Und 10. Jahrgangs. Nicht veröffentlichte Studienabschlussarbeit (Masterarbeit, Gruppenarbeit mit Guhl, S.), TU Braunschweig, Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften, Abteilung Biologie und Biologiedidaktik.
Guhl, S. (2020). Vergleich zweier Treatments zur Erfassung der Experimentierfähigkeiten von Schülerinnen und Schülern im 6. Jahrgang zweier Realschulen – Eine quantitativ – qualitative Analyse. Nicht veröffentlichte Studienabschlussarbeit (Masterarbeit, Gruppenarbeit mit Petrovsky, S.), TU Braunschweig, Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften, Abteilung Biologie und Biologiedidaktik.
Petrovsky, S. (2020). Vergleich zweier Treatments zur Erfassung der Experimentierfähigkeiten von Schülerinnen und Schülern im 6. Jahrgang zweier Realschulen – Eine quantitativ – qualitative Analyse. Nicht veröffentlichte Studienabschlussarbeit (Masterarbeit, Gruppenarbeit mit Guhl, S.), TU Braunschweig, Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften, Abteilung Biologie und Biologiedidaktik.
Benecke, C. (2019). Diagnose und Analyse des Zusammenhangs zwischen Protokollierkompetenz und experimenteller Problemlösekompetenz von Schüler*innen der Sekundarstufe I – eine quantitativ – qualitative Studie. Nicht veröffentlichte Studienabschlussarbeit (Masterarbeit), TU Braunschweig, Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften, Abteilung Biologie und Biologiedidaktik.
Hülsmann, S. (2019). Experimentieren im naturwissenschaftlichen Unterricht. Diagnose experimenteller Kompetenz im Themenbereich Fotosynthese im 7. Jahrgang – eine quantitativ- qualitative empirische Studie. Nicht veröffentlichte Studienabschlussarbeit (Masterarbeit, Gruppenarbeit mit Krützfeld, A.L.), TU Braunschweig, Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften, Abteilung Biologie und Biologiedidaktik.
Krützfeld, A.L. (2019). Experimentieren im naturwissenschaftlichen Unterricht. Diagnose experimenteller Kompetenz im Themenbereich Fotosynthese im 7. Jahrgang – eine quantitativ- qualitative empirische Studie. Nicht veröffentlichte Studienabschlussarbeit (Masterarbeit Gruppenarbeit mit Hülsmann, S.), TU Braunschweig, Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften, Abteilung Biologie und Biologiedidaktik.
Sander, F. (2019). Diagnose experimenteller Problemlösekompetenzen von Schülerinnen und Schülern eines 7. Jahrgangs einer Oberschule – Eine Triangulation qualitativer und quantitativer Methoden. Nicht veröffentlichte Studienabschlussarbeit (Masterarbeit), TU Braunschweig, Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften, Abteilung Biologie und Biologiedidaktik.
Stand 2021
Projektmitarbeiter/innen der Abteilung Chemie und Chemiedidaktik:
Prof. Dr. Kerstin Höner
PD Dr. Dagmar Hilfert-Rüppell
Tobias Denecke, M. Ed.
Das Projekt TU4Teachers II wird im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert (FKZ 01JA1909).