Internationale Städtenetzwerke in globalen Normdynamiken: Wie beeinflussen Netzwerkstrukturen die Aktivitäten internationaler Städtenetzwerke?
Zusammenfassung: Wie können internationale Städtenetzwerke globale Normdynamiken beeinflussen, und welche Strukturen machen sie in diesem Kontext besonders handlungsfähig? Diesen Fragen widmet sich das DFG-Projekt URBANORMS, das verschiedene Städtenetzwerke und deren Aktivitäten durch die Verbindung von Urban Studies, IB-Normenforschung und Netzwerkanalyse analysiert und erklärt.
Mit „City Diplomacy“ oder „Urban Diplomacy“ hat sich in den letzten Jahren eine neue Praxis global-lokaler Beziehungen etabliert, die darauf abzielt, Städte und ihre Themen auf der internationalen Agenda zu platzieren und lokale Kapazitäten für die Implementation globaler Verpflichtungen zu nutzen. Obgleich Städte an Entscheidungen auf der internationalen Ebene (noch) nicht formal beteiligt sind, schärfen sie dennoch durch explizit formulierte Führungsansprüche ihr internationales Profil und ihre Handlungsmacht (Agency). Neben einer Vielzahl von Instrumenten, etwa gemeinsamen globalen Konferenzen, Programmen für Best Practices und Policy Learning oder speziellen Einheiten für Internationales innerhalb der urbanen Verwaltung, ist es vor allem die Vernetzung zwischen Städten in formalen Netzwerken, die kollektives Handeln ermöglicht. Komplementär zu dieser Internationalisierung des Urbanen vollzieht sich eine Urbanisierung des Internationalen, da eine Vielzahl von internationalen Organisationen zunehmend die urbane Ebene in ihren Programmen adressiert oder sie bei der Umsetzung einbindet. Diese wechselseitige Verflechtung führt insbesondere in der Umwelt- und Klimapolitik zu einem engen Austausch zwischen urbaner und globaler Ebene, der vor allem durch Städtenetzwerke ermöglicht wird. Wie solche Netzwerke von Städten als formale Organisationen für die Formulierung und Ausübung urbaner Agency in unterschiedlichen Politikfeldern genutzt werden, steht im analytischen Fokus von URBANORMS.
Dabei bearbeitet das Projekt mehrere Forschungslücken: Es erweitert den empirischen Fokus der bisherigen Forschung zu Städtenetzwerken in den Urban Studies, indem vier Städtenetzwerke aus der Menschenrechts-, Sicherheits-, Gesundheits- und Digitalisierungspolitik vergleichend untersucht werden. Darüber hinaus konzentriert sich der Blick nicht allein auf die urbane Umsetzung globaler Regeln und Normen, sondern zielt auf eine systematische Erklärung der variierenden internationalen Aktivität von Städtenetzwerken. Hierzu nutzt URBANORMS die Normenforschung der Internationalen Beziehungen, um auf dieser konzeptionellen Basis die Varianz unterschiedlicher Aktivitäten untersuchen zu können. Durch das Konzept der Normdynamiken erfasst die IB-Normenforschung unterschiedliches Verhalten von Akteuren gegenüber kollektiven Angemessenheitsstandards, nämlich die Norminitiierung, Normübernahme, Normkontestation und Normschwächung. Während die Urban Studies nahelegen, Städtenetzwerke vor allem als Umsetzer und nicht als Initiatoren von Normen zu begreifen, bescheinigt die IB-Normenforschung lokalen Akteuren generell eine eher kritische Haltung gegenüber globalen Normen. Aus beiden Perspektiven wird somit die Breite möglicher Aktivitäten verengt. Gleichwohl werden Städtenetzwerke bislang nicht systematisch als Akteure oder als relevante Ebene in der IB-Normenforschung berücksichtigt. Somit bleibt empirisch offen, welche Aktivitäten sie in globalen Normdynamiken einbringen. An dieser Stelle setzt URBANORMS an, indem in einem ersten Schritt eine systematische Bestandaufnahme der Aktivitäten internationaler Städtenetzwerke in globalen Normdynamiken unterschiedlicher Politikfelder erhoben wird.
Ausgehend von zentralen Überlegungen der Netzwerktheorie begreifen wir Netzwerkstrukturen als handlungsermöglichend, also entscheidend für die Ausformung von Agency. Dabei zeigen sich empirisch innerhalb des Felds von Städtenetzwerken sehr unterschiedliche Vernetzungstypen, was sowohl für die internen Aspekte der Vernetzung als auch hinsichtlich ihrer Außenbeziehungen gilt. Obgleich dieser Zusammenhang in der Literatur bekannt ist, wird die Netzwerkanalyse bislang weder in den Urban Studies noch in der Normenforschung systematisch und vergleichend genutzt. In einem zweiten Analyseschritt wird daher die Frage gestellt, wie sich die Aktivitäten internationaler Städtenetzwerke in globalen Normdynamiken durch die Struktur dieser Netzwerke erklären lassen. Ausgehend von der Varianz der Aktivitäten als abhängiger Variable (AV) und den Netzwerkeigenschaften als unabhängiger Variable (UV) zielt das primäre Erkenntnisinteresse von URBANORMS auf die strukturellen Faktoren von Städtenetzwerken als Erklärung für variierende Aktivität in globalen Normdynamiken. Auch hier bearbeitet das Projekt eine Forschungslücke, weil AV und UV sowie ihr Zusammenhang in der Literatur bislang unterspezifiziert sind.
Projektziele: Das Projekt verfolgt fünf miteinander verbundene Zielsetzungen:
Das Projektteam startete in 2022. Das Forschungsprogramm, Zwischenergebnisse und andere Neuigkeiten werden dargestellt unter: www.city-networks.org
Einbindung in das Forschungsprofil des Instituts: Das Thema des Einflusses von Netzwerkstrukturen für die Aktivitäten internationaler Städtenetzwerke in globalen Normdynamiken berührt unterschiedliche Bereiche des Forschungsprofils des Institutes für Internationale Beziehungen: Fragen von „Global Governance, Internationale Institutionen und Politikdiffusion in der Weltgesellschaft" stehen dabei im Mittelpunkt, die Thematik knüpft aber über die Fallauswahl auch an weitere Forschungsschwerpunkte des Instituts an, etwa zu „Global Crime Governance“ oder „Nicht-traditionellen Sicherheitsbedrohungen“.
Förderdaten und weitere Informationen:
Titel des DFG-Projekts: Internationale Städtenetzwerke in globalen Normdynamiken: Wie beeinflussen Netzwerkstrukturen die Aktivitäten internationaler Städtenetzwerke? URBANORMS
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Förderzeitraum: 2022 bis 2025
Projektleitung: Prof. Dr. Anja P. Jakobi
Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen: Dr. Bastian Loges, Dr. Katharina Mann, Ronja Hänschen