Ziel des Teilprojekts ist die Bereitstellung und Anwendung einer geeigneten Vorhersagemethodik für den überzogenen Flugzustand bei gestörter Zuströmung. Hierfür wurde zunächst das Potential des Chimerenansatzes für die Erzeugung und den Transport von Störungen ausgewertet. In RANS-Rechnungen wurde die Chimerenmethode erfolgreich angewendet um das Experiment des ISM Braunschweig numerisch nachzuvollziehen. Hierfür wurde ein Gitter, bestehend aus vier Blöcken verwendet (Abbildung 1). Der erste Block umfasst den gesamten Kanal und bietet den Hintergrund in den die folgenden drei Blöcke eingebettet sind. Diese bestehen zunächst aus einem Gitter mit einem NACA0021 Profil, durch dessen ruckartige Drehung eine Störung erzeugt wird. Weiterhin gibt es einen sehr hoch aufgelösten Block mit dessen Hilfe die Störung über das grobe Hintergrundgitter transportiert wird. Der dritte eingebettete Block enthält das F15 Zweielementprofil, mit dem die Störung schließlich interagiert.
Von oben nach unten: Das initiale Strömungsfeld zum Zeitpunkt t0 = 0 s; nach der Drehung des NACA0012-Profils zum Zeitpunkt t1 = 1.5 * 10-2 s. Die Störung wurde zum Zeitpunkt t2 = 1.95 * 10-2 s vollständig auf das Transportgitter konvektiert; zum Zeitpunkt t3 = 3.3 * 10·/2 erreicht die Störung das F15 Zweielementprofil; zum Zeitpunkt t4 = 4.44 * 10-2 s erreicht der Einfluss der Störung auf den Auftrieb des F15 Zweielementprofils sein Maximum und schließlich hat die Störung zum Zeitpunkt t5 = 3.3 * 10·/2 s das F15 Zweielementprofil passiert.
Im Laufe der ersten Förderperiode wurde bei Rechnungen am HGR01-Einelementprofil festgestellt, dass der durch eine DDES erkannte RANS Bereich nicht die gesamte anliegende Grenzschicht umfasste. Dies führte zu einem Abbau der modellierten Schubspannungen und in Folge dessen zu einer verfrühten gitterinduzierten Ablösung. Eine Anpassung der Modellkonstante in der Verschiebungsfunktion der DDES von 8 auf 16 (DDES16) konnte diesem Mechanismus entgegenwirken. Allerdings wurde in beiden Fällen die gesamte Ablöseblase im RANS Modus behandelt. Hierdurch kam es zu einer verspäteten Ausbildung von turbulenten Strukturen und die Lösung behielt im Wesentlichen einen RANS Charakter. Diese Beobachtungen wurden vom ISM Braunschweig bestätigt. Daraufhin wurde in der ersten Förderperiode ein auf algebraischen Sensoren basierendes hybrides RANS/LES Modell implementiert (ADDES). Dieses wertet Grenzschichtprofile entlang wandnormaler Linien aus und detektiert den Grenzschichtrand. Hierdurch wird sichergestellt, dass das Modell innerhalb der anliegenden Grenzschicht im RANS Modus arbeitet. Weiterhin kann der Ablösepunkt auf Grund des Formfaktors sowie eines dazugehörigen Schwellwertes bestimmt werden. Dadurch kann stromab des Ablösepunktes das Arbeiten des Modells im LES Modus erzwungen werden. Diese Verbesserungen wurden bereits in der ersten Förderperiode erfolgreich vom ISM Braunschweig für das HGR01-Einelementprofil angewandt.
Oben: Wandnormale Linien
Unten: Vergleich der Lage des Grenzschichtrandes (schwarz) auf der Oberseite des Profils, detektiert mit DDES (hellblau), DDES16 (grün) und ADDES (rot). Dargestellt in pink ist der Verlauf des Formfaktors H12. Die gestrichelte Linie zeigt den Schwellwert an. Bei der ADDES wird stromab des Ablösepunktes in den LES Modus geschaltet, d.h. der Grenzschichtrand wird auf Null gesetzt
In der zweiten Förderperiode liegt der Fokus der Arbeiten auf der Erweiterung der ADDES für komplexe Strömungssituationen. Eine der Zielanwendungen im Rahmen dieser Forschergruppe ist das oben gezeigte Mehrelementprofil. Für diese Art der Anwendung werden die algebraischen Sensoren zum Auffinden der anliegenden Grenzschichten so modifiziert, dass auch Grenzschichten, die mit freien Scherschichten zusammenfließen, behandelt werden können. Diese Situation ergibt sich auf der Auftriebsklappe, wo sich die Scherschicht hinter dem Hauptflügel mit der anliegenden Strömung auf der Klappe vereinigt.
Weiterhin werden verschiedene Definitionen des Längenmaßes untersucht, welches in den LES Gebieten in das Turbulenzmodell eingeht. Dieses hat einen entscheidenden Einfluss auf die aufgelösten Strukturen, wie in Abbildung 3 dargestellt ist. Auf der linken Seite sind die aufgelösten turbulenten Strukturen, die sich hinter einer zurückspringenden Stufe bilden, für zwei verschiedene Längenmaße Δ und Δmod abgebildet. Es ist deutlich zu sehen, dass mit dem modifizierten Längenmaß im unteren Fall kleinere Strukturen aufgelöst werden. Der Einfluss auf die mittlere Strömung wird auf der rechten Seite veranschaulicht. Das Rezirkulationsgebiet hinter der Stufe ist durch negative Werte der Wandschubspannung Cf gekennzeichnet. In diesem Gebiet rücken die Simulationsergebnisse mit dem modifizierten Längenmaß näher an die experimentellen Daten. Dieser Testfall kann als Vereinfachung der Strömungssituation an der Hinterkante des Hauptflügels betrachtet werden.
Links: Veranschaulichung der turbulenten Wirbelstrukturen durch Isoflächen des Qinv-Kriteriums. Farblich dargestellt ist die Geschwindigkeitskomponente in Querrichtung.
Rechts: Zeitlich und spannweitig gemittelte Wandschubspannung im Rezirkulationsgebiet hinter der Stufe.
Ein weiterer wesentlicher Punkt der Arbeiten ist die Bewertung des Auflösevermögen des Rechengitters. Verschiedene Ansätze für einen solchen Auflösesensor werden verglichen. Durch diesen Sensor soll der Anwender unterstützt werden, indem lokal folgende möglichen Situationen unterschieden werden und die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet werden:
Eine Möglichkeit der Sensordefinition ist das Verhältnis aus aufgelöster zu gesamter turbulenter kinetischer Energie. S=kres/ktot=kres/(kres+ksgs). In diesem Fall werden verschiedene Möglichkeiten zur Berechnung der modellierten turbulenten kinetischen Energie verglichen. In Abbildung 4 sind verschiedene Sensorwerte für den Testfall der zerfallenden homogenen Turbulenz auf unterschiedlichen Rechengittern dargestellt. Aus den experimentellen Daten ergeben sich kres bzw. ksgs über die Flächeninhalte ktot= 0∫00E(k)dk und ksgs=kcut∫00E(k)dk.
Links: Vergleich verschiedener Definitionen mit aus den experimentellen Daten bestimmten Sensorwerten für unterschiedliche Gitter.
Rechts: Berechnung der Sensorwerte aus den experimentellen Daten.