B3 | Maschinennahe Steuerungsfunktionen
Für den effizienten Einsatz von Parallelrobotern sind angepasste, maschinennahe Steuerungsfunktionen notwendig, mit deren Hilfe Parallelroboter trotz ihrer kinematischen Besonderheiten sicher im gesamten Arbeitsraum bewegt werden können. Hierbei soll das strukturinhärente Potential an Dynamik für Hochgeschwindigkeitshandhabung und -montage optimal ausgenutzt werden. Anspruchsvolle Steuerungsfunktionalitäten für Parallelroboter wie sensorgeführte Montageaufgaben sollen betriebssicher, effizient und flexibel unterstützt werden.
Rechenzeitoptimale Lösungen für die kinematischen Transformationsgleichungen von Parallelrobotern mit und ohne Verwendung gelenkintegrierter Sensorik
Die Bestimmung der notwendigen Sensorauflösung der zusätzlichen Sensorik, die Entwicklung von Arbeitsraumüberwachungskonzepten und die Erarbeitung von Strategien zum Fahren aus Konfliktsituationen sind Aufgabenstellungen, deren Lösung für einen sicheren und hochdynamischen Betrieb von Parallelrobotern notwendig sind.
Es wurden unterschiedliche Verfahren zur numerischen Lösung des DKP von Parallelrobotern in modularer Form implementiert und ihre Leistungsfähigkeit bewertet.
Die verschiedenen Newton-Verfahren erwiesen sich den anderen untersuchten numerischen Verfahren als überlegen. Basierend auf zusätzlichen, gelenkintegrierten Sensoren wurden für unterschiedliche Sensorkonfigurationen analytische Lösungen entwickelt und umgesetzt. Die folgende Tabelle verdeutlicht qualitativ den Rechenzeitgewinn, den eine analytische Lösung des DKP gegenüber numerischen Ansätzen bietet.
Weiterhin wurden Untersuchungen zur Bestimmung der notwendigen Sensorauflösung für die analytische Berechnung der Pose des Tool-Center-Point mit vorgebbarer Genauigkeit und den oben beschriebenen Verfahren durchgeführt.
Sicheres Betreiben von Parallelkinematiken mit Singularitäten im Arbeitsraum
Ausgehend von den Untersuchungen auf Basis der Grassmann-Geometrie wurde ein innovatives Verfahren zur Online-Überwachung des Arbeitsraumes auf Singularitäten entwickelt. Gegenüber den bisherigen Ansätzen ermöglichen die erarbeiteten Algorithmen nun erstmals die Beschreibung einer Annäherung an eine Singularität zweiten Typ und sind darüber hinaus eine Gradientenrichtung zu ermitteln, anhand derer es ermöglich ist, die Nähe einer Singularität sicher zu verlassen. Dieser Ansatz soll konsequent weiterverfolgt werden, so dass diese Informationen in die Trajektoriengenerierung einfließen können.
Zeitoptimale, adaptive Trajektorienplanung
Um das Potenzial von Parallelrobotern bezüglich niedriger Taktzeiten und hoher erreichbarer Beschleunigungen ausnutzen zu können, ist eine modellbasierte zeitoptimale Trajektorienplanung notwendig, die das dynamische Potenzial des Roboters ausnutzt, ohne die Antriebe zu überlasten (was Einbußen der Bahngenauigkeit zur Folge hätte). Ausgehend von bekannten Basisalgorithmen wurde eine zeitoptimale adaptive Trajektorienplanung entwickelt, die in Kombination mit einem adaptiven Roboterregler und einer Online-Adaption der Trajektorien zu einem autonomen Steuerungskonzept führt. Trotz des hohen Einflusses von Nutzlaständerungen auf das dynamische Verhalten von Parallelrobotern (aufgrund der niedrigen bewegten Robotermasse) verfährt der Roboter auch bei variierender Nutzlast mit maximaler Geschwindigkeit bei gleich bleibender Bahngenauigkeit. Der Ansatz wurde experimentell mit Hilfe des parallelen Hochgeschwindigkeitsportalsystems PORTYS experimentiert.
Steuerungstechnische Ansätze zum Durchfahren von Singularitäten
Das aktive Durchfahren von Singularitäten stellt eine attraktive Möglichkeit dar, das bei Parallelrobotern häufig ungünstige Arbeits- zu Bauraumverhältnis zu verbessern. Im Gegensatz zu seriellen Robotern, bei denen die Singularitäten stets am Rand des Arbeitsraumes liegen, trennen Singularitäten bei Parallelrobotern häufig unterschiedliche Teilarbeitsräume, von denen bisher nur die mit einer Struktur-Konfiguration erreichbaren Teilarbeitsräume genutzt werden können. Mit Hilfe des aktiven Durchfahrens von Singularitäten können die bislang nicht nutzbaren Teilarbeitsräume ebenfalls verwendet werden, so dass sich der Gesamtarbeitsraum durch eine Addition der Teilarbeitsräume vergrößert.
Diagnosefunktionen auf Basis gelenkintegrierter Sensorik
Dieser Arbeitspunkt dient dazu, die Informationen der in TP C3 "Gelenkintegrierte Sensorik" entwickelten Sensoren für weitergehende Diagnosefunktionen zu nutzen. Während im letzten Förderungszeitraum die Sensorredundanz zur Entwicklung analytischer Lösungen für das direkte kinematische Problem (DKP) von Parallelrobotern sowie zur Arbeitsraumüberwachung genutzt wurde, sollen innerhalb dieses Arbeitspunktes die Informationen der gelenkintegrierten Sensorik zusätzlich zur Überwachung der Roboterstruktur verwendet werden. Dazu zählen neben der Überwachung von Kollisionen zwischen Strukturelementen die genaue Lokalisierung von mechanischen Funktionseinschränkungen in Gliedern, Gelenken oder Antrieben.
Konzeption von Steuerungskernen für Montage
Ein richtungsweisendes Ergebnis dieses Teilprojektes ist der für Montageaufgaben optimierte, flexible und sehr leistungsfähige Steuerungskern des SFB562. Die Konzeption und Umsetzung erfolgte in enger Zusammenarbeit zwischen allen Teilen des Teilprojektbereiches B, so dass eine auf die Middleware MIRPA-X gestützte Steuerung entstanden ist, die Regelungs- und Bahnplanungsalgorithmen gleichermaßen in einem programmierfreundlichem Kontext zur Verfügung stellt. Das besondere ist, dass die für die jeweilige Montageaufgabe optimalen Algorithmen flexibel und modular zur Ausführungszeit des Roboterprogrammes kombinierbar sind und abhängig von Sensorinformationen zu einer ruckbegrenzten Trajektorie fusioniert werden, die das Potential der Roboter des SFB 562 möglichst voll ausschöpft.
Selbstkalibrierung von Parallelrobotern - Implementierung
Innerhalb dieses Arbeitspunkts werden die in TP A2 "Modellierung von Parallelstrukturen" und im AP 3 "Selbstkalibrierung von Parallelrobotern - Algorithmen" erarbeiteten Konzepte aufgegriffen, unter praktischen Gesichtspunkten erweitert, implementiert und experimentell validiert.
Ausblick
Die Ziele des TP B3 im nächsten Antragszeitraum sind grundlegende Untersuchungen zu neuen, maschinennahen Steuerungsfunktionen, die steuerungstechnische Aufbereitung von in anderen Teilprojekten erarbeiteten Konzepten sowie die experimentelle Verifikation dieser mit Hilfe der dem SFB zur Verfügung stehenden Parallelroboter. Die Entwicklungsrichtung der Steuerungsfunktionalitäten zielt in diesem Antragszeitraum auf die Optimierung von Steuerungsarchitekturen für die Durchführung von anspruchsvollen Roboteraufgaben wie der sensorunterstützten Montage und der Hochgeschwindigkeitshandhabung. Die Ziele des Arbeitsprogramms stellen damit zum einen eine kontinuierliche Weiterentwicklung der im vorangegangenen Antragszeitraum entwickelten Ansätze und Konzepte sicher, weiterhin enthalten sie komplett neue Funktionalitäten zur optimalen Nutzung der strukturellen Eigenschaften von Parallelrobotern. Hier eröffnen sich Potentiale aus der Realisierung der nächsten Generation von Robotersteuerungen, die in der Lage sein wird einen verteilten Steuerungskern auszuführen der skalierbar, selbstoptimierend und fehlertolerant ist.