Exkursion: Fischerei im Wandel

Eine Exkursion zu kalten und nassen Fischen: Ein Fischereibetrieb in Torgau im Wandel

Fisch
Zeichnung von Studierenden: Enno Wirausky, Marius Fröhlich und Julia Bartscht/ LUH

Biodiversität und Ressourcenschonung sind zwei prinzipielle Ziele, auf die sich die Menschen in westlichen Demokratien schnell einigen können. Aber wenn es um konkrete Zielvorgaben geht, stehen nicht nur ökonomische gegen ökologische Interessen. Vielmehr konkurrieren einzelne Schutzziele innerhalb der Umweltpolitik miteinander, über deren Priorität heftig gestritten wird. Dahinter stehen oft wieder ökonomische Interessen, aber wenn man die Diskussionen weiter aufschlüsselt, finden sich neben unterschiedlichen Wertvorstellungen auch Machtgefälle und soziale Ungleichheit. Auf Initiative von Siran Liang (TU Braunschweig) und Karolin Kautzschmann (LU Hannover) haben wir versucht, das Knäuel von Konflikten, Konkurrenzen und Kooperationen zwischen ‚natürlichen‘ und menschlichen Akteur*innen anhand einer konkreten Fallstudie gemeinsam in Augenschein zu nehmen.

 

Während eines Abendessens fragte die Doktorandin Siran, die in Sachsen ethnologische Forschungen durchführte, ihren neuen Freund Thomas Plate, den Leiter einer Torgauer Fischerei, beiläufig: "Was ist die größte Herausforderung in eurer Fischerei?" "Kormorane", sagte Thomas.

Ein Jahr später interviewten Studierende des Seminars "Environmental Humanities - Digital Hub" zusammen mit Geographiestudierenden der LUH des Seminars “Geographien Ungleicher Entwicklungen”  Thomas und beschlossen, eine Exkursion zu seiner Fischerei zu unternehmen, um die Mensch-Umwelt-Beziehung und Strukturen und Prozesse von lokalen und globalen Ungleichheiten zu verstehen.

Studenten
Studenten von TUBS und LUH warten auf den Bus aus Hannover
Thomas Plate & Petra Steffen
Thomas Plate (rechts) und Petra Steffen (links)

Nach drei Stunden Fahrt kamen wir am Fischereigebäude an. Bei der Ankunft waren einige Studierende schnell von den großen Vögeln und zwei Nutrias abgelenkt. Nachdem wir uns mit den Nutria vertraut gemacht und am Fischimbiss gegessen hatten, gab Thomas uns eine kurze Einführung in die Geschichte der Fischerei, wobei wir erfuhren, dass sich die Bedingungen für die Fischereiwirtschaft in den letzten vier Jahrzehnten drastisch geändert haben. „Man war in der Volkswirtschaft eine wichtige Position“, sagte Thomas über die Binnenfischerei. Heute sieht es anders aus:

 “Naturschutz, Klimawandel, Gewinn, Bürokratie, Bedürfnisse der Kundschaft unter einen Hut zu bekommen bildet eine besonders große Herausforderung.” resümieren die Studierenden nach dem Gespräch mit Thomas.

Haltungsanlagen
Thomas und die Studierenden an den Halterungsanlagen
Halterungsanlagen
Halterungsanlagen

Im Inneren des Produktionshauses holte Thomas schnell einen Fisch heraus. Auf den Gesichtern der Studierenden und Dozenten standen Erstaunen und Neugierde. Schnell änderte sich der Ausdruck von neugierig zu besorgt. Der Fisch, wie er so in der Luft gehalten wurde, tat allen leid. Aber warum stört es uns nicht, wenn wir an dem sauberen, blutleeren und in Plastik verpackten Fischfilet oder den beliebten Fischstäbchen im Supermarkt vorbeigehen? (Der bärtige Marx würde sagen: Puff, das ist die Entfremdung in der kapitalistischen Produktion!).

Thomas Plate
Thomas zeigt den Studierenden verschiedene Fische
Fische
Thomas zeigt die Fische im Netz
Fisch
Fischfillet in Eigenproduktion

Thomas hat seinen eigenen Umgang damit. “Man darf den Tieren keine Namen geben“, sagte er auf Nachfrage der Studierenden, wie er weniger Beziehung zu den Tieren aufbauen würde. Aber später sagte er immer wieder "schöner Fisch", als wir um die Halterungsanlagen spazierten.

Halterungsanlagen
Spaziergang um die Halterungsanlagen
Störe
Prächtige Störe in den Halterungsanlagen

Beim Spazieren um die Halterungsanlagen hob sich die allgemeine Stimmung, als wir die prächtigen Störe schwimmen sahen. Gerade waren wir dabei die beeindruckenden Fische zu bewundern, erfuhren wir von ihrem Leben in der Kaviarindustrie.

Von der Tagesexkursion und unserem Kurs erfuhren wir mehr zu den Mensch-Umwelt Beziehungen und ihren Dynamiken in globalen Prozessen:  Der Kormoran, eine geschützte Art, frisst die kleineren Fische aus der Süßwasserfischerei. Erst ab einem Gewicht von ca. 500g sind sie vor ihm sicher. Infolgedessen müssen Betriebe wie der in Torgau Fische dieser Größe aus Polen kaufen und ziehen sie dann zur ‘essbaren’ Größe heran. Unter welchen Bedingungen die Aufzucht von Klein auf dort gelingt - diese Frage blieb offen.. Auch der Klimawandel ist nicht hilfreich. Er lässt einige Teiche austrocknen und fördert das Wachstum von Algen. Die Seefischindustrie mit ihrer großen Lobby ist in der Lage, Lachs aus großer Entfernung zu einem Preis zu verkaufen, mit dem die lokale Fischerei nicht konkurrieren kann.

Wir danken Thomas für seine Großzügigkeit, mit der er sein Wissen und seine Zeit mit uns teilte. Wir danken auch Jan Schöne vom NABU, der uns seine Tätigkeit vorstellte und mit Thomas diskutierte, wie nachhaltiges und soziales Wirtschaften mit seiner vielfältigen Natur und Geschichte möglich ist.

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