Raketentriebwerke sind hohen thermischen und mechanischen Lasten ausgesetzt. Um die Brennkammer und Schubdüse von Flüssigkeitsraketentriebwerken (Triebwerke mit flüssigen Treibstoffen) zu kühlen, kann unter anderem eine regenerative Kühlung eingesetzt werden: Dabei ist die Brennkammerwand von kleinen Kühlkanälen durchzogen, durch die der kalte Treibstoff, zum Beispiel Wasserstoff oder Methan, fließt. Damit der Treibstoff schnell viel Wärmeenergie aufnehmen kann, muss die Wand zwischen Kühlkanal und Brennkammer sehr dünn sein, außerdem muss der Werkstoff eine hohe Wärmeleitfähigkeit aufweisen. Aufgrund der hohen Leitfähigkeit kommen hier meist Kufer oder Kupferlegierungen zum Einsatz.
Die hohen Belastungen in der Brennkammer führen oft zu einer Schädigung der Brennkammerwand. Zwei wesentliche Mechanismen, mit denen bereits das Space Shuttle im Space Shuttle Main Engine (SSME) zu kämpfen hatte, sind Blanching und Dog-House Effekt. Beim Blanching kommt es zu einer zyklischen Oxidation und Reduktion der Kupferoberfläche durch Inhomogenitäten im Heißgas, der Dog-House-Effekt beschreibt ein Aufbeulen und Einreißen der dünnen Wand zwischen Kühlkanal und Brennkammer. Im Querschliff durch den Kühlkanal ähnelt diese Schädigung einer Hundehütte, weshalb sich in der internationalen Fachliteratur der Begriff Dog-House-Effect geprägt hat (siehe Bild).
Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs Transregio 40 in Zusammenarbeit mit dem Institut für Flugzeugbau und Leichtbau der TU Braunschweig sowie dem Lehrstuhl für Raumfahrtantriebe der TU München wurde die Schädigung der Brennkammerwand mit Hilfe von Prüfstandsversuchen näher untersucht. Dabei konnten tiefere Einblicke in das Blanching und in die Entstehung des Dog-House-Effektes erlangt werden. Die Ergebnisse dienten weiterhin zur Validierung eines Simulationsmodells an der RWTH Aachen, mit welchem die Schädigung der Brennkammerwand vorhergesagt werden kann.
Experimental lifetime study of regeneratively cooled rocket chamber walls
Abschlusskolloquium des SFB TRR 40
Werkstoffe für Raketentriebwerke besitzen hohe Anforderungen: Die Brennkammerwand muss beispielsweise aus einem Material gefertigt werden, welches eine hohe Wärmeleitfähigkeit besitzt (siehe oben). Um den Doghouse-Effekt zu reduzieren, muss das Material eine gewisse Festigkeit aufweisen, die auch bei thermischer Belastung nicht wesentlich verringert wird. Dafür werden am Institut für Werkstoffe neue ausscheidungshärtbare Kupferlegierungen erforscht. Mehr dazu hier.
Des weiteren kann die Brennkammerwand durch eine Wärmedämmschicht geschützt werden. So wird die maximale Temperatur des Kupfers reduziert, außerdem wird die Oberfläche vor dem oxidierenden/reduzierenden Heißgas geschützt. Dadurch kann der Dog-House-Effekt reduziert und das Blanching verhindert werden. Das Institut für Werkstoffe befasst sich mit der Entwicklung, mit dem Testen und mit der Lebensdauervorhersage für solche Wärmedämmschichten. Mehr dazu hier.
Die additive Fertigung bietet sich auch für Komponenten für Raketentrierbwerke an: Die geringe Stückzahl macht die Produktion ohnehin sehr teuer und zeitaufwändig. Außerdem bietet die additive Fertigung viele Vorteile hinsichtlich Komplexität der Bauteile und Leichtbau. So lassen sich beispielsweise komplexe Kühlkanalgeometrien realisieren, die den Wärmeübergang verbessern, oder kompliziert geformte Bohrungen und Kanäle herstellen, welche konventionell durch Bohren oder Fräsen nicht zu fertigen sind.
Aktuell werden in Kooperation mit dem Institut für Raumfahrtsysteme (IRAS) additiv gefertigte Injektoren entwickelt. Das Institut für Werkstoffe befasst sich dabei mit den werkstoffkundlichen und prozessspezifischen Aspekten. Neben einer obligatorischen Parameteroptimierung für die additive Fertigung steht die Frage im Vordergrund, was die prozessspezifischen Grenzen hinsichtlich Bauteilgeometrie sind und wie sich diese Grenzen durch geschickte Parameterwahl noch weiter ausreizen lassen. Außerdem wird ein Post-Processing entwickelt, um die Oberflächenqualität und die Materialeigenschaften weiter zu verbessern. Basierend auf diesen Erkenntnissen werden am IRAS neue Injektoren entwickelt, die das gesamte Potential von Werkstoff und Prozess ausnutzen. Nach umfangreichen Cold-Flow tests mit anschließender Schädigungsuntersuchung an verschiedenen Geometrien und Konfigurationen wird eine finale Injektorgeometrie ausgewählt.
Als Werkstoff wird zunächst die bereits etablierte und am Markt verfügbare Legierung CuCr1Zr verwendet. Die im Rahmen dieser Kooperation durchgeführten Versuche sollen zukünftig als Referenz dienen, um auch neuentwickelte Kupferlegierungen besser beurteilen zu können.