In anspruchsvollen, technischen Anwendungen werden in der Regel eine hohe Festigkeit bei guter Zähigkeit in Verbindung mit einer niedrigen Dichte benötigt, Eigenschaften, die der Werkstoff Titan auf sich vereint. Titan ist mit einer Dichte von etwa 4,5 g/cm3 zwar das schwerste Leichtmetall, hat jedoch die höchste spezifische Wechselfestigkeit unter den metallischen Werkstoffen. Zudem zeichnen sich alle Titanwerkstoffe durch eine ausgezeichnete Korrosionsbeständigkeit und Biokompatibilität aus. Die Temperatureinsatzgrenze für alle im Handel erhältlichen, konventionellen Titanlegierungen liegt wegen der zu erwartenden Gasaufnahme und der damit verbundenen Werkstoffversprödung bei etwa 530°C. Bei höheren Einsatztemperaturen kommen daher neben Nickelbasislegierungen momentan nur Titanaluminide in Frage, deren Duktilität jedoch relativ gering ist.
Seit etwa 60 Jahren werden Titanlegierungen vermehrt in der Luft- und Raumfahrttechnik, bei medizinischen Implantaten, im chemischen Apparatebau und in der Militärtechnik eingesetzt, die weltweite Titanproduktion steigt in jedem Jahr. Die Boeing 777 besteht zu etwa 7% aus Titanwerkstoffen, beim Airbus A380 wurden bereits 10% des Gewichts in Titanbauteilen realisiert, im Airbus A350 und in der Boeing 787 liegt der Titananteil mit etwa 14% noch höher.
Implantate und Osteosynthesesysteme sind in der orthopädischen Chirurgie weit verbreitet und essentiell für die Versorgung einer großen Bandbreite von Verletzungen und Erkrankungen. Die Anzahl der Operationen nimmt dabei stetig zu: Pro Jahr werden allein in Deutschland etwa. 200.000 Hüftgelenke durch Implantate ersetzt, so dass auch hier ein großer Bedarf an hochfesten Titanwerkstoffen mit ausgezeichneter Biokompatibilität besteht.
In der Arbeitsgruppe Titanwerkstoffe des Instituts für Werkstoffe werden sowohl die Eigenschaften konventioneller Titanlegierungen erforscht und verbessert als auch neue Titanlegierungen entwickelt, mittels Schmelzen und Gießen oder durch additive Fertigungsverfahren hergestellt und umfassend charakterisiert. Ein Schwerpunkt der Forschungsarbeiten liegt dabei auf Titanlegierungen der zweiten (u.a. Ti-13Nb-13Zr und Ti-Mo15) und dritten (u.a. CP-Titan Grad 4+ und Ti-36Nb-2Ta-3Zr-0,3O TNTZ-O) Generation für den Einsatz in der Medizintechnik, beispielsweise für Dental- oder Hüftimplantate und Osteosyntheseprodukte.