Einbettung und Verflechtung

Einbettung und Verflechtung

Relevanz und Einbindung in das Forschungsprofil des Instituts

Das Thema "Regulierung von Mikroplastik" (REPLAWA) berührt unterschiedliche Bereiche des Forschungsprofils des Institutes für Internationale Beziehungen: Fragen von Global Governance, Internationale Institutionen und Politikdiffusion in der Weltgesellschaft stehen im Mittelpunkt, aber uns interessieren auch weitere Aspekte von Plastik aus den Bereichen Umweltkriminalität oder Umweltsicherheit.

Die internationale Allgegenwärtigkeit von Plastik

Plastik ist die umgangssprachliche Bezeichnung für Kunststoff. Kunststoff ist ein Sammelbegriff, der eine Vielzahl von synthetisch und halbsynthetisch erzeugten Werkstoffen subsumiert. Diese werden durch die Verarbeitung von natürlichen Rohstoffen, wie Erdöl und Erdgas hergestellt, indem sie durch chemisch-thermische Verfahren je nach den gewünschten Eigenschaften zu Polymeren zusammengesetzt werden (Abts 2016: 4).

Kunststoffe können anhand ihrer Zusammensetzung in die Werkstoffgruppen der Thermoplaste, Duroplaste und Elastomere eingeteilt werden (Bertling, Bertling & Hamann 2018: 6). Thermoplaste bilden mit einem Marktanteil von 65 Prozent die am meisten verwendete Stoffgruppe (Abts 2016: 58). Zu den geläufigsten Kunststoffen zählen unter anderem Polyethylen (PE), das zur Herstellung von Plastikbeuteln, Flaschen, Schüsseln und Verpackungsfolie verwendet wird, Polypropylen (PP), das in der Automobilindustrie und im Bauwesen für Möbel, Gehäuse und Bezüge Anwendung findet, Polyvinylchlorid (PVC), das zu Boden, Kunstleder, Tapete und Dichtungen verarbeitet wird, Polystyrol (PS), das für Verpackungen und als Dämmstoff benutzt wird sowie Polyurethan (PUR), welches in Form von Schaumstoff in Matratzen, Möbeln, Dämmmaterialien vorhanden ist und Polyethylenterephthalat (PET), welches in der Elektrotechnik zur Herstellung von Haushaltsgeräten, Computer, Telefonen oder in der Lebensmittelindustrie genutzt wird (Abts 2016: 216ff.)

Kunststoffe sind aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften, wie der hohen Beständigkeit und Verformbarkeit in nahezu allen Industriezweigen verwendet und sind in vielen Lebensbereichen nicht zu ersetzen. Sie dienen als Verpackungsmaterialien, werden zum sicheren Transport von Nahrungsmitteln genutzt, sind ein integraler Bestandteil von Elektronikprodukten und werden in der Medizin in Form von sterilisierbaren Utensilien und Werkzeugen verwendet.

Kunststoff ist nicht nur im menschlichen Alltag allgegenwärtig, sondern zunehmend auch in der Umwelt. Der Werkstoff ist weder wasserlöslich noch biologisch abbaubar und kann aufgrund seiner langen Verfallszeit hunderte von Jahren bestehen (Abts 2016: 201). Diese Beständigkeit und Langlebigkeit, die ihn zu einem beliebten Produktionsmaterial machen, sind auch die Eigenschaften, die seine umweltschonende Entsorgung erschweren.

Im Folgenden wird die Gesamtheit der bisher vom Menschen erzeugten Kunststoffemissionen als Plastikmüll bezeichnet. Dieser kann in Makro- und Mikroplastik eingeteilt werden (Bertling, Bertling & Hamann 2018: 6). Makroplastik umfasst alle Plastikteile und Partikel über 5 μm und als Mikroplastik werden alle Kleinstpartikel unter 5μm bezeichnet (Xanthos & Walker 2017: 18). Letzteres ist in primäres und sekundäres Mikroplastik zu differenzieren. Während primäres Mikroplastik gezielt produziert (Typ A) oder bei der Verarbeitung freigesetzt wird (Typ B), bildet sich sekundäres Mikroplastik durch die Verwitterung und Fragmentierung von größeren Plastikpartikeln (Bertling, Bertling & Hamann 2018: 9).

Derzeit werden in einem Jahr weltweit durchschnittlich 370 Millionen Tonnen Kunststoff produziert (Plastics Europe 2020). Insgesamt wurden zwischen 1950 und 2017 etwa 8.300 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt. Während davon nur neun Prozent recycelt und 12 Prozent verbrannt wurden, sind die verbleibenden 79 Prozent auf Mülldeponien gelagert oder wurden in die Umwelt eingetragen (Simon et al 2018: V). Das Ausmaß der globalen Plastikmüllverschmutzung kann nicht eindeutig identifiziert werden, weil die Menge des nicht erfassten oder illegal entsorgten Plastikmülls nicht registriert werden kann, die Eintragswege vielfältig sind und sich die Abfälle über die Luft und das Wasser global verbreiten können (Bertling, Bertling & Hamann 2018: 14).

Die Konsequenzen der Plastikmüllverschmutzung

Obwohl die Umwelt insgesamt erheblich durch die Plastikabfälle belastet wird, wird vor allem die zunehmende Verschmutzung der Meere (Marine Littering) als gravierendes Problem wahrgenommen. Es wird davon ausgegangen, dass bisher ungefähr 5.25 Billionen Tonnen Plastikmüll in die marinen Ökosysteme gelangt sind (Eriksen et al 2014). Der Eintrag von Plastikmüll in die Meere kann über den gesamten Lebenszyklus der Produkte erfolgen und basiert auf einer Vielzahl von land- und wasserbasierten Quellen (UNEP 2016: 36). Eine der Haupteintragsquellen von Makroplastik ist Verpackungsmüll. 50 Prozent der jährlich hergestellten Plastikprodukte werden nach einmaliger Benutzung entsorgt (Xanthos & Walker 2017: 18). Der dabei erzeugte Müll kann durch fehlende oder unsachgemäße Abfallverwertung in die Umwelt übertragen und auf Wasserwegen in die Ozeane transportiert werden. Weitere Eintragsquellen sind unter anderem die Freisetzung von Kunststoffpellets während der Produktion und ihrem Transport, die Entstehung von Abfällen der Bau- und Textilindustrie oder der Landwirtschaft sowie die gezielte oder unbeabsichtigte Entladung auf dem Transportweg (siehe beispielhaft: Karlsson et al. 2021).

Die ökologischen Konsequenzen des Eintrags von Plastikmüll in die Umwelt sind vielfältig. Meerestiere und Seevögel verfangen sich in herumschwimmenden Makroplastikteilen und verletzten sich oder sterben durch Strangulation und Verstrickung (UNEP 2016:91). Es wurden bereits zahlreiche Seevögel, Wale, Schildkröten und Fische mit Plastikpartikeln im Magen gefunden. Die Tiere verwechseln die Plastikteile mit Nahrung und verhungern mit einem vollen Magen, unfähig die Kunststoffe abzubauen oder auszuscheiden (Bertling, Bertling und Hamann 2018:31). Obwohl die langfristigen Konsequenzen für Populationen und das Artensterben noch nicht erforscht sind, wird geschätzt, dass jährlich bis zu 135.000 Meeressäugetiere und eine Millionen Seevögel an den Folgen der Plastikmüllverschmutzung sterben (NABU 2019). Zudem werden marine Ökosysteme in ihrer Gesamtheit gefährdet: Plastikmüll schadet Korallenriffen und Mangrovenwäldern (UNEP 2016: 94) und stellt, durch die Ansammlung von Makro- und Mikroplastikpartikeln in allen Umweltkompartiments, eine Belastung für die Integrität der Ozeane dar (Bertling, Bertling und Hamann 2018: 31). Da Mikroplastik über die Atmosphäre und den Wasserkreislauf verbreitet wird, wird angenommen, dass es in allen Bereichen der Umwelt vorhanden ist und sogar vom Menschen aufgenommen wird (UNEP 2016: 101; Bertling, Bertling & Hamann 2018: 29). Mikroplastikpartikel konnten bereits in Meeresfrüchten und Fischen (GESAMP 2016) sowie in Bier, Honig und Trinkwasser (Sieg, Böhmert & Lampen 2019) nachgewiesen werden. Obwohl feststeht, dass Menschen Plastikpartikel über die Atmung und Nahrung aufnehmen, sind die Auswirkungen dieser Exposition noch nicht umfassend erforscht (UNEP 2016: 102).

Die potentiellen Gefahren von Plastikmüll für die menschliche Gesundheit werden in der Literatur vielfach diskutiert. Neben der Untersuchung der gesundheitlichen Risiken der Additive, die den Kunststoffen im Herstellungsprozess zugesetzt werden (Wright und Kelly 2017), wird unter anderem auch die Wirkung einer langfristigen Exposition von Menschen gegenüber Plastikmüll im Allgemeinen sowie gegenüber den Chemikalien, die während der Abfallverwertungsprozesse freigesetzt werden, erforscht (Plastic Atlas 2019, UNEP 2016).

Schließlich hat die Plastikmüllverschmutzung auch ökonomische Auswirkungen: Die zunehmende Präsenz der Abfälle in Küstengebieten, auf Inseln und an Stränden kann den ästhetischen Wert von Urlaubsorten negativ beeinträchtigen und dadurch den Tourismussektor schädigen (UNEP 2016: 108). Auch der Agrar- und Fischereisektor sowie die Transportindustrie erleiden durch die steigenden Abfallmengen Verluste (UNEP 2016: 109-111).

Insgesamt ist der Eintrag von Plastik und Plastikmüll in die Umwelt ein komplexes Problem mit vielschichtigen ökologischen, sozialen und ökonomischen Konsequenzen, das einer globalen Lösung bedarf.

Plastik, Global Governance und Politikdiffusion

Der Umgang mit Plastik und Plastikmüll sowie der Eintrag von Plastikmüll in die Umwelt stellen somit politische Regulierung vor multidimensionale Herausforderungen. Die Perspektive der Internationalen Beziehungen eröffnet Möglichkeiten zur Untersuchung der dem Phänomen inhärenten Prozesse, Akteure, Dynamiken und Implikationen. Neben der Analyse der Entstehung, Diffusion und Effektivität von lokalen, nationalen und transnationalen Regulierungsbestrebungen können die Aktivitäten und Wechselwirkungen der involvierten Akteure adressiert werden. Regierungen, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Akteure haben unterschiedliche Problemverständnisse, Ziele und Strategien, die es zu analysieren gilt. Die Implikationen der Plastikverschmutzung für die globale Umwelt-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik sowie die Fähigkeit von globalen Governance-Bestrebungen zur Lösung derartig komplexer Herausforderungen können mit empirischen und theoretischen Werkzeugen der IB erklärt und verstanden werden. Das REPLAWA-Team hat dazu erste Ergebnisse aus Sicht der IB vorgelegt.

Autorin: Ronja Hänschen

 

Literatur:

Abts, G. (2016). Kunststoff-Wissen für Einsteiger (3. Aufl.). Carl Hanser Fachbuchverlag: München.

Bertling, J., Bertling, R. & Hamann,L. (2018). Kunststoffe in der Umwelt: Mikro- und Makroplastik. Abgerufen am 27. April 2021, von https://www.umsicht.fraunhofer.de/content/dam/umsicht/de/dokumente/publikationen/2018/kunststoffe-id-umwelt-konsortialstudie-mikroplastik.pdf .

GESAMP 2016. Sources, Fate and Effects of Microplastics in the Marine Environment: Part 2 of a Global Assesment. Abgerufen am 27. April 2021, von http://www.gesamp.org/publications/microplastics-in-the-marine-environment-part-2 .

Karlsson, T. M., Arneborg, L., Broström, G., Carney Almroth, B., Gipperth, L. & Hassellöv, M. (2018): The Unaccountability Case of Plastic Pellet Pollution. Marine Pollution Bulletin, 129 (1), 52-60.

NABU (2019). Müllkippe Meer: Plastik und seine tödlichen Folgen. Abgerufen am 27. April 2021, von https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/meere/muellkippemeer/muellkippemeer.html

Plastic Atlas 2019. Waste Exports: The Rubbish Dump is Closed. Abgerufen 27. April 2021, von https://www.boell.de/sites/default/files/202001/Plastic%20Atlas%202019%202nd%20Edition.pdf?dimension1=ds_plastic_atlas .

Plastics Europe (2020). The Facts. Plastics Europe. Abgerufen am 27. April 2021, von https://www.plasticseurope.org/application/files/5716/0752/4286/AF_Plastics_the_facts-WEB-2020-ING_FINAL.pdf .

Sieg, H., Böhmert, L. & Lampen, A. (2019). Mikroplastik in Lebensmitteln: Orale Aufnahme, Toxikologie und Risikobewertung. In Bundesinstitut für Risikobewertung (Hrsg.), UMID -Umwelt + Mensch Informationsdienst.

Simon, N.; McGlade, K., Knoblauch, D., Mederake, L. Schulte, M. & Masali, M. (2018). No more Plastics in the Ocean: Gaps in Global Plastic Governance and Options for a Legally Binding Agreement to Eliminate Marine Plastic Pollution. Draft report for WWF to support discussions at the Ad Hoc Open-ended Expert Group on Marine Litter and Microplastics. Adelphi: Berlin.

UNEP (2016). Marine Plastic Debris and Microplastics: Global lessons and research to inspire action and guide policy change. United Nations Environment Programme, Nairobi.

Xanthos, D. & Walker, T.R. (2017). International policies to reduce plastic marine pollution from single-use plastics (plastic bags and microbeads): A review. Marine Pollution Bulletin, 118 (1-2), 17-26.