Mit Geschlechterforschung und den Ingenieurwissenschaften treffen zwei Lehr-und Forschungsfelder aufeinander, die sich in Fachkultur, Methodik und Didaktik unterscheiden. Stark vereinfacht betrachtet, strebt die Geschlechterforschung danach, der Komplexität und Vielfalt der Welt Rechnung zu tragen. Dies heißt insbesondere, Stereotype – also klischeehafte Aussagen über unterschiedliche Geschlechter – nicht zu wiederholen, sondern in Frage zu stellen und durch wissenschaftliche Analysen zu ersetzen. Im Fokus der Geschlechterforschung steht die Stabilisierung und De-Stabilisierung von bestehenden Geschlechterkategorien (Link auf „Was ist Geschlecht?“), die in einem dichten Netz sozialer und diskursiver Macht-und Bedeutungsverhältnisse entstehen. Geschlechterforschung zielt deshalb darauf ab, vielfältige Standpunkte und Sichtweisen mit einzubeziehen, um starre Geschlechtergrenzen und normative, determinierende Setzungen kritisch zu hinterfragen und aufzubrechen.
Ingenieurwissenschaftliche Forschungs- und Entwicklungstätigkeit ist demgegenüber eher auf ein Planen, Konzipieren, Konstruieren und Produzieren von Technik ausgerichtet. Das erfordert Entscheidungen für bestimmte Funktionalitäten und für ein bestimmtes Design. Diese Entscheidungen in ingenieurwissenschaftlichen Tätigkeiten finden stets in sozialen Zusammenhängen statt. Besonders offensichtlich wird dies mit Blick auf die Anforderungen zukünftiger Nutzer*innen oder bei der Technikentwicklung im Team. Auch Themen wie bspw. Ökologie oder staatliche Subvention machen deutlich, dass sich technische Gestaltung nicht vom gesellschaftlichen Kontext trennen lässt, sondern in diesen eingebettet ist und ihn aktiv mitgestaltet.
Die Geschlechterforschung in die Ingenieurwissenschaften zu integrieren, fördert verantwortliches Handeln bei der Technikgestaltung in sozialer, ökonomischer und auch ökologischer Hinsicht. Indem die Geschlechterforschung Zusammenhänge von technischem Wissen und Handeln mit Gesellschaft untersucht und aufzeigt, wie ingenieurwissenschaftliche Erkenntnisse historisch entstanden sind und sich wandelten, kann sie den Ingenieurwissenschaften Reflexionsräume eröffnen und zu Perspektivwechseln anregen. Die Verknüpfung von Geschlechterforschung mit Ingenieurwissenschaften ermöglicht damit, technische Forschungs- und Gestaltungsprozesse vor dem Hintergrund sozialer Vielfalt und Ungleichheit zu reflektieren und diese methodisch-gestaltungspraktisch zu verändern. Durch die frühe Berücksichtigung von vielfältigen Lebensrealitäten, Nutzungsweisen, Vorstellungen und Anforderungen können Akzeptanzschwierigkeiten und wirtschaftliche Fehlentwicklungen, die durch Stereotypisierung und sozialen Normierungen entstehen, vermieden sowie Gefahren abgewendet werden.