David Anton, M.Sc.
Institut für rechnergestützte Modellierung im Bauingenieurwesen
Pockelsstraße 3
38106 Braunschweig
Forschungsvorhaben:
Identifikation von Materialparametern mit Hilfe von Methoden der datengetriebenen Modellierung
Für die Zustandsbewertung von bestehenden Infrastrukturbauwerken sind die aktuellen Materialparameter von großem Interesse, da diese den Widerstand des Materials gegen äußere Einwirkungen widerspiegeln. Damit geben die Materialparameter und insbesondere deren betragsmäßige Abnahme über die Lebensdauer des Bauwerks einen Hinweis auf Schäden und Materialermüdung. Insofern die Daten zum Verschiebungsfeld vorliegen und die Randbedingungen bekannt sind, können die Materialparameter durch das inverse Lösen der Bilanzgleichung der Kräfte mit Hilfe von numerischen Methoden identifiziert werden. In einem weiteren Schritt können die identifizierten Materialparameter dann zum Beispiel einer Finite-Elemente-Simulation zugeführt werden, um daraus den aktuellen Widerstand des Bauwerks für die gegebene Geometrie und die vorliegenden äußeren Einwirkungen zu bestimmen. Die äußeren Einwirkungen können sich während der Lebensdauer drastisch ändern, was zum Beispiel das steigende Verkehrsaufkommen von Brücken zeigt.
Während sich numerische Methoden, wie zum Beispiel die Finite-Elemente-Methode, für die Vorwärtslösung von partiellen Differentialgleichungen bewährt haben, treten diese Methoden bei der Anwendung auf inverse Probleme häufig an ihre Grenzen. Allerdings haben neueste Entwicklungen gezeigt, dass es im rasant wachsenden Bereich des scientific machine learning eine Methode gibt, die sich besonders für das inverse Lösen von partiellen Differentialgleichungen eignet. Diese Methode ist als Physics-Informed Neural Networks (PINNs) [1] bekannt. Mit Hilfe der Daten zum Verschiebungsfeld und dem Vorwissen zu den zugrundeliegenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten, die als partielle Differentialgleichung formuliert sind, können die Materialparameter invers durch die PINNs bestimmt werden. Eine Möglichkeit zur Messung des Verschiebungsfeldes bietet die digitale Bildkorrelation (engl. digital image correlation, kurz: DIC).
Eine Herausforderung an diesem Ansatz ist, dass die Materialparameter einer stochastischen Streuung unterliegen. Die Ursachen hierfür sind unter anderem Materialinhomogenitäten (Modellfehler) und verrauschte Sensordaten (Messfehler). Aufgrund der Bedeutung für reale Anwendungen befasst sich das Forschungsvorhaben zudem mit der Quantifizierung der zuvor genannten Unsicherheiten.
Weiterführende Literatur:
[1] M. Raissi, P. Perdikaris, and G. E. Karniadakis. “Physics-Informed Neural Networks: A Deep Learning Framework for Solving Forward and Inverse Problems Involving Nonlinear Partial Differential Equations”. In: Journal of Computational Physics 378 (2019), pp. 686-707.
Konferenzteilnahme mit Veröffentlichung im Tagungsband:
D. Anton, H. Wessels. Identification of Material Parameters from Full-Field Displacement Data Using Physics-Informed Neural Networks. Proceedings of the 8th International Symposium on Reliability Engineering and Risk Management (ISRERM). Hannover, Germany. September 4-7, 2022. Available on https://rpsonline.com.sg/proceedings/isrerm2022/pdf/GS-07-026.pdf.
Konferenzteilnahme ohne Veröffentlichung im Tagungsband:
D. Anton, H. Wessels. Identification of Material Parameters from Full-Field Displacement Data Using Physics-Informed Neural Networks. 9th GACM. Essen, Germany. September 21-23, 2022.