Am 28.02.2020 fand das 18. Braunschweiger Baubetriebsseminar zum Thema „Die steigende Bedeutung des tatsächlich Erforderlichen: Digitale Dokumentation im Lichte des Baurechts“ statt. Fast 200 Teilnehmer hatten den Weg ins neu in Braunschweig eröffnete Kultur- und Eventzentrum „Westand“ gefunden. Dort wurden sie von Professor Patrick Schwerdtner vom Institut für Bauwirtschaft und Baubetrieb (IBB) begrüßt und durch den Tag geleitet. Der Tradition des Seminars folgend wurden von einem interdisziplinären Referentenkreis Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Fachdisziplinen erörtert. Im Mittelpunkt stand in diesem Jahr die Frage, in welcher Form digitale Instrumente die jüngst geänderten rechtlichen Anforderungen an die Dokumentation von Baumaßnahmen erfüllen können und inwieweit für die Bauvertragsparteien aufgrund neuer Dokumentationsmöglichkeiten u. a. geänderte Abrechnungsvereinbarungen sinnvoll sind.
„Digitalisierung ist (leider) kein Allheilmittel!“
In seinem sehr lebendigen Eröffnungsvortrag stellte der vorsitzende Richter am Kammergericht in Berlin, Herr Björn Retzlaff, die Preisbildungsvorschriften bei Nachträgen im noch jungen gesetzlichen Bauvertragsrecht des BGB und in der als „erdrutschartig“ zu bezeichnenden aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu VOB-Verträgen vor. Anstelle des bislang gewohnten Rückgriffs auf kalkulatorische Größen muss nunmehr im Streitfall das „tatsächlich Erforderliche“ nachgewiesen werden. Aufgrund der aktuell üblichen Art der Projektdokumentation bereitet dies Unternehmern erhebliche Schwierigkeiten, so dass eine Durchsetzung berechtigter Ansprüche aufgrund nicht erfolgreich geführter baubetrieblicher Nachweise scheitern kann. Eine Lösung des Problems kann in der individualvertraglichen Vereinbarung besonderer Preisabreden bestehen, die allerdings besonderen rechtlichen Anforderungen genügen müssen.
Sensorik, Drohnen und die Instrumente des Building-Information-Modelling (BIM) bieten zahlreiche Möglichkeiten der Erfassung von Daten und Fakten sowohl zum ursprünglich Geplanten als auch zum Tatsächlichen. Wie die Berichte von verschiedenen Praxisprojekten zeigte, ist durch den Einsatz digitaler Instrumente eine Dokumentation in deutlich höherer Quantität und Qualität möglich als bislang. So können u. a. Daten mit sehr hoher Genauigkeit zur Verfügung gestellt werden, was eine Verwendung der bislang üblichen Näherungsverfahren und Übermessungsregeln für die Abrechnung überflüssig macht und erhebliche Zeitersparnisse generiert. Eine bauvertragliche Einordnung findet im Rahmen der digitalen Leistungserfassung allerdings bislang nicht statt. Zum Nachweis des „tatsächlich Erforderlichen“ sind digitale Daten damit derzeit (noch) nicht ohne Weiteres heranzuziehen.
Die unterschiedlichen Sichtweisen der Referenten wurden in einer Podiumsdiskussion unter der Überschrift „Digitale Dokumentation im Spiegel baubetrieblicher und juristischer Erfordernisse“ zusammengeführt. Hierbei wurde Verständnis für die Interessenlage der unterschiedlichen Fachdis-ziplinen geschaffen und es kamen bereits erste kreative Ideen auf, wie digitale Hilfsmittel in Bezug auf rechtliche Anforderungen ggf. modifiziert werden müssten. Hier zeigte der interdisziplinäre Austausch bereits erste Früchte.
Das nächste Braunschweiger Baubetriebsseminar findet am 26.02.2021 statt. Aktuelle Informationen zu diesem Seminar finden Sie zu gegebener Zeit auf der Homepage des IBB.
Die sieben Fachbeiträge der Referenten des diesjährigen Seminars wurden bereits in der Schriftenreihe des IBB veröffentlicht. Das Heft 64 ist erhältlich unter: