Ein ungewöhnliches Schauspiel bot sich kürzlich auf dem letzten Abschnitt der Straßenbahnlinie 3 in Braunschweig. Eine Straßenbahn aus dem Jahr 1981, auch „Traminator“ genannt, fuhr mit dauerhaft eingeschaltetem Warnblinklicht unermüdlich auf und ab. Umgeben war das Szenario von mehreren Personen in Warnwesten, die die Bahn begleiteten. Schweres Baugerät war jedoch nicht zu sehen oder zu hören. Der „Traminator“ war in dieser Nacht im Forschungsmodus. Mit den Messfahrten untersuchten Technische Universität Braunschweig, DLR und BSVG verschiedene Arten von Gleiskörpern, um Handlungsempfehlungen für zukünftige Schienenstrecken zu geben.
Bereits 1994 wurden auf dem Streckenabschnitt zwischen Petzvalstraße und Moorhüttenweg in Braunschweig neuartige Oberbauarten eingebaut, um deren dämpfende Wirkung auf die umgebende Bebauung zu testen. Damals wurden sieben Testabschnitte auf dem stadtauswärtigen Gleis mit verschiedenen Oberbauarten ausgestattet, während das stadteinwärtige Gleis den Standardoberbau erhielt. Der Oberbau umfasst hierbei Schienen, Schwellen und Schotter oder die tragende Betonplatte. Ziel der damaligen Maßnahmen war es, langfristig herauszufinden, wie stark die verschiedenen Bauweisen Erschütterungen auf umliegende Gebäude reduzieren können.
Erneut gemessen wurden jetzt unter anderem ein sogenanntes Masse-Feder-System (MFS) auf einem 30 Zentimeter Betontrog mit Schottereindeckung sowie drei verschiedene Ausführungen des KES „System Ortwein“ mit Kopf- oder Rillenschiene, 30 oder 40 Zentimeter Beton mit Schotter- oder Pflastersteineindeckung.
Verlängerung der Strecke in Volkmarode
Nach fast 30 Jahren stand nun die nächste große Untersuchung an, denn der Streckenabschnitt soll im Zuge der Verlängerung in Volkmarode bald erneuert und umgebaut werden. Um Erkenntnisse über die Langzeitwirkung der unterschiedlichen Oberbauarten zu gewinnen, führten das Institut für Verkehrswesen, Eisenbahnbau und -betrieb (IVE) und das Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik (IGEP) der TU Braunschweig gemeinsam mit dem DLR und der BSVG umfangreiche Messungen durch.
Für diese Forschungsarbeiten wurde der „Traminator“ gewählt – ein Fahrzeug, das bereits 1994 und 2006 für Vergleichs- und Messfahrten auf dieser Strecke im Einsatz war. So wurden am späten Abend in drei der sieben Testabschnitte aufwändige Messapparaturen installiert. Kurz nach dem Ende der regulären Linienfahrten gegen 00:30 Uhr begann eine Serie von insgesamt acht Testfahrten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, sowohl vorwärts als auch rückwärts.
Erschütterungen durch Bahnen reduzieren
Die gesammelten Daten sollen nun von Studierenden und den beteiligten Wissenschaftler*innen ausgewertet werden. Die Forschenden erhoffen sich erste Erkenntnisse über die Langzeiteffekte der verschiedenen Oberbauarten Anfang 2025. Diese Ergebnisse sollen als Grundlage für Handlungsempfehlungen dienen, um zukünftige Schienenstrecken so zu gestalten, dass die Erschütterungen durch Bahnen minimal ausfallen und Anwohner*innen nicht durch ratternde Straßenbahnen um den Schlaf gebracht werden.
Die Ergebnisse werden voraussichtlich im Rahmen des Stadtbahnforums in Braunschweig vom 6. bis 7. Mai 2025 einem Fachpublikum präsentiert.
Kontakt
Jan Peter Heemsoth
Technische Universität Braunschweig
Institut für Verkehrswesen, Eisenbahnbau und -betrieb
Pockelsstraße 3, 8.OG
38106 Braunschweig
Tel.: 0531 391-63614
E-Mail: j.heemsoth(at)tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/ive
Beitrag von Bianca Loschinsky im MAGAZIN der TU Braunschweig