Inhalt der Aufgabe, die Bachelorthesis am Institut, war der Entwurf eines genossenschaftlichen Wohnungsbaus in Wolfsburg. Als Kooperation mit der Wolfsburger Wohnungsgesellschaft Neuland stellt das behandelte Baufeld Klieverhagen 28-40 mit vier parallelen Zeilenbauten aus den 1950er Jahren ein reales Projektierungsfeld des Unternehmens dar. Genossenschaften und kommunale Wohnungsbauunternehmen nehmen für die Wohnungsversorgung eine immer wichtigere Rolle ein, in ihrer nicht gewinn- sondern sozial und kulturell orientierten Ausrichtung bilden sie einen Gegenpol zu privatwirtschaftlichen Akteuren. Der Wohnungsbau stellt zudem einen Schwerpunkt der aktuellen Bauaufgaben in Deutschland dar, 2019 lag sein Anteil am allgemeinen baugewerblichen Umsatz bei ca. 38 Prozent. Die zunehmende Ausdifferenzierung der Gesellschaft sowie der demografische Wandel erfordern jedoch abgestimmte, neuartige Wohnungsangebote. Das Raumprogramm reichte vom Mikroapartment mit bis zur Clusterwohnung mit 200 Quadratmetern Fläche für Gruppen mit (fakultativen) Gemeinschaftseinrichtungen. Der Baubestand konnte zur Gänze oder in Teilen erhalten und umgebaut, aber auch komplett durch Neubauten ersetzt werden.
23 Teilnehmer:innen haben die Aufgabe bearbeitet. Je zwei (in einem Fall drei) Bearbeitende hatten als „Sparringpartner:innen“ ein städtebaulich inhaltliches Konzept für das gesamte Baufeld zu formulieren, der Hochbauentwurf für ein halbes Baufeld war anschließend als Einzelleistung zu erbringen.
Alle Arbeiten wurden 13. Oktober 2022 von einer Jury des BDA Braunschweig unter Vorsitz von Architekt und Stadtplaner BDA Carsten Meier in mehreren Bewertungsrundgängen beurteilt, Preise wurden wie folgt vergeben:
1. Preis (1.500 Euro): Julius Köhnlein
Der Verfasser erhält die beiden Bestandszeilen und ergänzt sie durch ein Stegsystem mit Erschließung und Wohnergänzungsangeboten sowie angegliederten Baukörpern (Gewächshaus, Velowerkstatt). Im Inneren wird der Bestand komplett entkernt und durch Holzboxen (Sanitär, Küche, Schlafen) variabel nutzbar interpretiert.
Der Beitrag besticht durch seinen im Grunde einfachen Umgang mit dem Bestandsinneren, dem durch Einbauten unter Beibehaltung der wesentlichen Strukturen ein neues und zukunftsorientiertes Leben verliehen wird. Er vereint so pragmatische Umnutzungsansätze mit qualitätsvollen Ideen zum zukünftigen Wohnen. Der Ansatz, möglichst viel vom Bestand zu erhalten, ist aus vielerlei Gründen positiv zu sehen. Durch kleine Interventionen entstehen spannende neue Räume im Bestand. Der Entwurf dieser Interventionen erscheint zunächst simpel, bedarf aber vieler und intensiver Gedanken, deren Umsetzung in der Präsentation sehr anschaulich und präzise zum Ausdruck kommt.
Ein 2. Preis (750 Euro): Yeeun Kang
Die Verfasserin respektiert den Bestand, ergänzt ihn durch linear und kreuzförmig angegliederte Holzskelettkonstruktionen mit eingestellten Boxen, die „Holzregale“, und formuliert so städtebaulich, freiräumlich und architektonisch disziplinierte Dispositionen.
Die Wohnungstypologien sind vielfältig und gut organisiert. Die Fassaden sind im Detail gut gelöst, in der Gesamtansicht im „Regal“ jedoch etwas schematisch. In den Schnittpunkten neuer und alter Konstruktion ergeben sich kleinere entwurfliche Ungereimtheiten geometrischen Ursprungs.
Ein 2. Preis (750 Euro): Paul Wessel
Ähnlich seinem „Sparringpartner“ Köhnlein erhält der Verfasser den Bestand, dem er eine Zone aus Erschließung und Wohnergänzungsangeboten anlagert. Der im Inneren komplett entkernte und in eine neue Statik (rote Stahlrahmen) überführte Bestand wird durch abgerundete und schräggestellte Wand- sowie Raumelemente in Metallsandwichbauweise variabel gegliedert.
Der im Detail gut durchdachte Umgang mit den Metallwänden, die auch Funktionen wie Heizen übernehmen können, erscheint dem Preisgericht als eine zielführende Antwort auf Bestandsgebäude dieser Zeit, die mit kleinen Raumzuschnitten und unzulänglichen Größen räumlichen Überarbeitungsbedarf haben. Der Aufwand erscheint insgesamt jedoch ohne räumlichen Qualitätsverlust noch minimierbar, einige konstruktive Eingriffe scheinen das vorherige Raumgefüge nicht signifikant zu verändern und rechtfertigen ihren Aufwand nur bedingt.
Sonderpreis (500 Euro): Antonia Buschmann
Die Verfasserin reduziert die zwei Bestandszeilen auf ausgehöhlte Leerformen für Erschließung und Gemeinschaftsbereiche. Das Wohnungsangebot wird in organisch wuchernder Formensprache an die Leerformen angefügt.
In der Gesamtschau der Beiträge war es dem Preisgericht wichtig, auch konzeptionell starke Entwürfe zu würdigen, auch wenn deren Umsetzung in der breiten Masse anstehender Sanierungsaufgaben nicht allgemeingültig erscheinen kann.
Diese Arbeit entwickelt eine mutige Idee zur Bestandsentwicklung, die ungeachtet möglicher Effizienzfragen eine gemeinwohlorientierte Wohnform formuliert und das Thema des gemeinschaftlichen Wohnens in den Mittelpunkt rückt. Das Innere der Bestandsgebäude wird zum „Herz“ der Gemeinschaft, fördert und stärkt den Zusammenhalt, bietet Möglichkeiten des Austausches, der gegenseitigen Hilfe, zufälliger Treffen und ähnlichem. Die intimen Wohnbereiche werden angelagert und umschließen die Mitte. Ihre polygonalen Typologien liefern in sich spannende Raumfolgen und diverse Wohnungsgrößen. Insgesamt ist es ein sehr anregender Beitrag für die anstehenden Diskussionen um die Entwicklung des Wohnens im Bestand.
Anerkennung für das beste Ensemble (500 Euro): Isabell Stodtmeister & Sarah Suttner Lopez
Beide Verfasserinnen erhalten den Bestand und ergänzen ihn jeweils zu Innenhöfen mit Wohnergänzungsangeboten durch zwei unterschiedliche Maßnahmen. Ein Innenhof wird durch eine glasgedeckte rote „Haus“-Struktur überspannt, der andere Innenhof erhält über Stege angebundene Türme in Stampflehmbauweise für Mikroapartments.
Ein Aufgabenteil ist der Entwurf im Duett, der seine besonderen Schwierigkeiten birgt. Daher soll auch diesem Entwurfsteil besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, die mit einer Anerkennung für die in diesem Bereich überzeugendste Arbeit ausgezeichnet wird.
Der Beitrag entwickelt im Zusammenspiel der beiden Akteurinnen mit ihren eigenen baukörperlichen Ansätzen gleichermaßen ein stimmig zusammenhängendes Ensemble mit konsequent ablesbaren öffentlichen und privaten Freibereichen, deren Eindeutigkeit beide Einzelkomponenten schlüssig verbindet und ihnen gleichwohl ihre Eigenständigkeit zur individuellen Entwicklung lässt.
Nachweise Abbildungen
Pläne, Visualisierungen: bei den jeweilige Entwurfsverfasser:innen
Modellfotos: Institut für Entwerfen und Baugestaltung IEB, TU Braunschweig
in Link Informationen zum Symposion mit Preisverleihung am 9. November 2022
Pressemitteilung Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA Braunschweig