In der vorlesungsfreien Zeit des Sommersemesters 2021 haben die Studierenden das schwimmende Gefährt nach und nach errichtet. Zuvor hatten sie das Projekt im Institut für Architekturbezogene Kunst (IAK) als freien Masterentwurf angemeldet. „Wir wollten unseren Entwurf gern auch praktisch umsetzen und wussten, dass das im IAK möglich ist“, erzählt Philip Schreiner. Bei Professorin Folke Köbberling stießen die angehenden Architekten mit ihrer Idee sofort auf offene Ohren: „Eine ‚Freie Arbeit‘ in der Architektur zu realisieren ist eine großartige Möglichkeit vom Entwurf bis zur Realisierung alles in einer Hand zu halten. Bei einer 1:1 Realisierung, die im IAK fast immer erfolgt, fängt die Arbeit oft erst richtig nach dem Entwurf an. Es müssen Gelder beantragt werden, eine Statik erstellt und eventuell Helferinnen und Helfer organisiert werden. Bei dem hydroponischen Floß waren auch interdisziplinäre Kontakte wichtig.“
So konnten die Studierenden ihren Bau im Protohaus Makerspace in Braunschweig starten, das ihnen dafür die Werkstatt zur Verfügung stellte. „Über diese Unterstützung sind wir sehr dankbar“, sagt Philip Schreiner. Fast täglich standen die drei in der Werkstatt. „Es hat großen Spaß gemacht, mal nicht nur digital zu arbeiten und stattdessen zu überlegen, wie sich die Sachen fügen, die wir sonst nur zeichnen. Beim Bauen haben wir dann festgestellt, wie manches funktioniert oder eben auch nicht.“
Futterfässer werden zu Schwimmkörpern
Für die Konstruktion des Floßes nutzten die Studierenden zum Teil Restholz oder auch Material aus Spenden. So erhielten sie zwölf leere Futterfässer von einem Landwirt, die jetzt als Schwimmkörper dienen. Wände und Dach sind – wie in einem Gewächshaus – aus Stegplatten gebaut. Die Standfläche besteht aus sechs Holzdreiecken. „Wir haben das Floß so konzipiert, dass wir es auch wieder gut auseinander bauen können“, so Julian Tesche. Ein weiterer Vorteil des modularen Aufbaus: Er erleichterte den Transport zum Wasser. Das gesamte Floß haben die Studierenden erst am Theaterwall zusammengesetzt und dann in zwei Etappen mit Hilfe von Tretbooten an den jetzigen Standort gezogen.
Hier soll es im nächsten Jahr Schüler*innen in Workshops des Protohaus aquaponische Kreisläufe vermitteln. Doch was ist Aquaponik eigentlich? Dahinter steckt ein Verfahren, das Aquakultur (kontrollierte Aufzucht von Fischen u.ä. in öffentlichen Gewässern) und Hydroponik (Pflanzenanbau ohne Erde) koppelt. Bei dem Kreislaufsystem wird eigentlich Wasser aus der Fischzucht wiederverwendet, um die angebauten Pflanzen mit Nährstoffen zu versorgen. Die Idee der Studierenden für die Oker: Hydroponische Nutzpflanzen entziehen dem Fluss überflüssige Nährstoffe und führen das gereinigte Wasser anschließend zurück. Eine Win-Win-Situation: Nutzpflanzen können auf dem Wasser wachsen, und das Wasser der Oker könnte so „gereinigt“ werden. Aquaponik und Hydroponik sehen die die Studierenden als Ergänzung der jetzigen Landwirtschaft: wassersparend, regional und innerstädtisch.
Solarstrom für die Pumpe
Um den Schüler*innen das Verfahren näher zu bringen, sollen diese in den Kursen auch eigene Hängestrukturen bauen, in denen die Pflanzen wachsen können. Mit einer Pumpe, für die ein Solarpaneel auf dem Dach Strom erzeugt, wird das Flusswasser zu den Pflanzen befördert. Geplant ist ebenfalls, Mikrocontroller einzubauen, die die Pumpe steuern sowie eine Wetterstation zur Messung von Temperatur und Sonneneinstrahlung. Salate, Bohnen und weitere geringzehrende Pflanzen sollen hier wachsen. Mit ihren Versuchen zu Hause waren die Studierenden bereits erfolgreich. „Mit dem Okerwasser haben wir gute Ergebnisse erzielt“, berichtet Julian Tesche. „Wir mussten keine weiteren Nährstoffe zusetzen.“
Neben den praktischen Erfahrungen, die sie beim Bau des Floßes sammeln konnten, sehen die drei Studierenden das Projekt als Experiment, ob ein solches Kreislaufsystem in der Innenstadt möglich ist. Was sind gute Substrate? Können Pflanzen Schwermetalle binden? Das sind Fragen, mit denen sie sich weiter beschäftigen. „Und wir möchten auf die Aquaponik aufmerksam machen.“ Mit dem Floß gelingt das bestimmt.
Beitrag von Bianca Loschinsky aus dem MAGAZIN der TU Braunschweig