IAK | Ein Haus für die Tauben am Hagenmarkt

[Arch Aktuelles]

Ausstellung von Architektur-Studierenden in der Braunschweiger St. Katharinenkirche

Sie werden als „Ratten der Lüfte“ beschimpft, oftmals verjagt, von manchen gefüttert und sie werden immer mehr. Rund 500 Millionen Tauben leben nach Schätzungen weltweit in den Städten – und damit zu viele auf zu engem Raum. Studierende des Instituts für Architekturbezogene Kunst (IAK) der TU Braunschweig wollen jetzt eine öffentliche Debatte zum Thema „Tauben in der Stadt“ anstoßen. Im Sommersemester haben sie Taubenschläge für die Vögel am Braunschweiger Hagenmarkt entworfen. Die Behausungen zeigen die Studierenden bis zum 22. Juli 2021 im Rahmen des Reallabors Hagenmarkt in der St. Katharinenkirche.

Tauben wurden über mehrere Tausend Jahre vom Menschen gezüchtet und dienten als Eier-, Fleisch- und Düngerlieferant, kamen aber auch wegen ihres überragenden Orientierungssinns als Nachrichtenübermittler zum Einsatz. Heute bevölkern Tauben die Städte und sind wegen der Mangelernährung oft krank. Auch am Hagenmarkt flattern die Vögel in großer Schar über den Platz. „Bei der Recherche haben die Studierenden die Thematik der Taubenpopulation dem Problem des Geräuschpegels des Verkehrs fast gleichgesetzt“, erzählt Professorin Folke Köbberling, Leiterin des Instituts für Architekturbezogene Kunst. „Teilt man den Hagenmarkt in vier Abschnitte, ist ein Abschnitt klar von den Tauben dominiert und besetzt.“

Ein Taubenschlag auf dem Dach des Gemeindehauses

Mit gezielt aufgestellten Taubenschlägen haben zahlreiche Städte begonnen, sich um die Tiere zu kümmern. In diesen „Häusern“ werden die Eier der nistenden Tauben durch Attrappen ausgetauscht und so ihre Population begrenzt. Einst dienten Taubenschläge in erster Linie der Produktion von wertvollem Dünger, zur Nahrungserzeugung, also zum Verzehr, und um Brieftauben zu züchten, berichtet die künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin Sina Heffner, die das Seminar zusammen mit Bernd Schulz und Michael Zwingmann betreut. Türme zum Sammeln der Exkremente gibt es beispielsweise bereits seit dem Altertum entlang des Niltals. „Zusätzlich zur natürlichen Düngung mit Nilschlamm wurde Taubenmist im Getreide- und Gemüseanbau verwendet.“ Taubentürme sind unter anderem in Ägypten, Iran und in England zu finden. Neben der Verwendung unterschiedlicher Baumaterialien variiert die Form der Behausungen je nach Land.

Auch die Modelle der Architektur-Studierenden sind ganz unterschiedlich: Türme, die sich in die Luft schrauben, Häuser auf Stelzen, Taubenschläge um Bäume herum, verbunden durch eine Brücke. „Die spannendsten Entwürfe verlassen Gewohntes und Bekanntes und bilden eine eigenständige Form, die aus den Funktionen abgeleitet wird“, beschreibt Sina Heffner die ausgestellten Arbeiten. Die Studierenden hatten  abhängig von der Standortwahl unterschiedliche Herausforderungen: „Einige Entwürfe sind für das Dach des Gemeindehauses der Katharinenkirche konzipiert. Andere integrieren die beiden großen Bäume neben der Kirche. Aber auch freistehende Taubenschläge für die Wiese wurden entworfen.“

Tauben-Hotspot Hagenmarkt

Dabei mussten die angehenden Architekt*innen eine Menge Parameter beachten: So sollte der Taubenschlag für rund 200 Tiere ausreichen. Der Einflug sollte in einer Höhe von fünf bis sieben Metern liegen. Platz für Futterbehälter und Tränken musste eingeplant werden, ebenso ein Funktionsraum, um Futter, Reinigungsgeräte und Einstreu zu lagern und eventuell auch eine Greifvogelabwehr. Und nicht zuletzt sollen die Tauben auch gut landen und sich bewegen können.

Die meisten der 26 präsentierten Entwürfe, größtenteils im Maßstab 1:20 und 1:10, könnten so auch realisiert werden, sagt Sina Heffner. „Wir möchten das Thema ‚Stadttaube‘, deren Ursprung und Umgang gerade dort platzieren, wo die Tauben sichtbar im Stadtbild auftauchen. Der Hagenmarkt ist solch ein Tauben-Hotspot.“

Weitere Veranstaltungen des Instituts für Architekturbezogene Kunst im Rahmen des Reallabors Hagenmarkt:

Ausstellung „Mapping“ im Pavillon auf dem Hagenmarkt
Bis 15. Juli 2021

Zehn Tage lang haben 140 Studierende vor den baulichen Interventionen den Hagenmarkt intensiv beobachtet und daraus ein Mapping erstellt, das den Platz inmitten von Braunschweig auf poetischer, grafischer und audiovisueller Ebene darstellt. Am auffälligsten ist bei fast allen Arbeiten, dass der Hagenmarkt als Transitraum wahrgenommen wird, mit wenig Aufenthaltsqualität und einem hohen Lärmpegel. Rund 40 dieser künstlerischen Mappings werden für eine Woche im Reallabor Hagenmarkt gezeigt.

Publikation Schoduvel im Pavillon auf dem Hagenmarkt

Freitag 16.07.21 um 12 Uhr

Die Publikation „Schoduvel“ vermittelt das studentische Arbeiten der vergangenen vier Jahre am Institut für Architekturbezogene Kunst im Kontext des Braunschweiger Karnevals. Wohnungsnot, Vermüllung der Welt, Normierungen und die soziale Distanz in Pandemiezeiten sind die Themen, die die Studierenden beschäftigten. Anhand von Modellen, Entwürfen und über die Bauphase hinweg, zeigt diese Publikation den Werdegang der studentischen Ideen bis zum Auftritt im öffentlichem Raum.

Das vollständige Programm finden Sie auf der Website des Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt (GTAS):
www.gtas-braunschweig.de/interacting/detail/kollaborative-intelligenz

Weitere Informationen gibt es auf Instagram: @reallabor_hagenmarkt

Meldung von Bianca Loschinsky mit weiteren Bildern im MAGAZIN der TU Braunschweig