Wirtschaftsinformatik in der Praxis

2016 November | Wirtschaftsinformatik in der Praxis

Von verzerrten Vorstellungen und der Realität: Das Arbeiten in der Musikindustrie (3/3)

Der Mangel an Erfahrung benebelt unsere Sinne oftmals so sehr, dass wir uns in unserer verzerrten Vorstellung weit weg von der tatsächlichen Realität befinden. Wir denken wir wüssten es besser, bis wir eines Besseren belehrt werden. Ich beendete mein Bachelorstudium in dem Glauben, ich sei für die Welt dort draußen vorbereitet. Doch was die Universität nur in geringem Maße lehren kann, sind z.B. zwischenmenschliche Beziehungen. Was mir während meiner Zeit bei Sony Music bewusst wurde, ist welch hohen Stellenwert Kooperationen in einem Unternehmen einnehmen – sei es mit Kunden oder mit den eigenen Kollegen. Und dass es nicht immer harmonisch zugeht. Und dass dabei die Kommunikation das A und O einer jeden Zusammenarbeit darstellt. Die (sowohl gute als z.T. auch weniger gute) Zusammenarbeit mit den Kollegen ist ein weiterer Grund, weshalb ich meine Erfahrungen dort als äußerst lehrreich beschreibe. Ich hatte mich zu Beginn gefragt, was für Menschen dort arbeiten. Die Antwort: Ein Haufen liebenswürdiger Menschen, die allesamt in einen Jungbrunnen gefallen zu sein schienen („Liegt wohl an der Musikbranche“). Von den Produktmanagern bis hin zu den Chefs und den externen Mitarbeitern: von jedem Einzelnen lernte ich nach einem Gespräch in der Kantine, auf den internen Feiern oder bei einem Meeting so viel Wissenswertes über die Branche und über sämtliche Künstler, dass ich zeitweise einfach nur da saß und mich wie ein aufsaugender Schwamm fühlte. Nichtsdestotrotz ist das Musikbusiness nicht nur für die Künstler ein hart umkämpftes Geschäft. Es wird hart gearbeitet, Erfolge erzielt und noch härter gefeiert. Im Best Case natürlich, der leider nicht immer auftritt.

Fast ein Jahr später, an meinem letzten Arbeitstag, stand ich wieder vor den Pforten des Sony Music-Gebäudes und ließ meine Eindrücke im Schnelldurchlauf Revue passieren: meine Arbeit, die mich nicht wirklich erfüllte und mich stattdessen nur noch zu einem funktionierenden Roboter werden ließ; die Hard und vor allem Soft Skills, die ich hingegen ausbauen konnte; die Erkenntnisse über meine Schwächen und Stärken, die mich vollkommen überraschten; meine Kollegen, die mich jeden Tag aufs Neue zum Lachen, Verzweifeln und Tanzen brachten oder die neu entdeckten Musiker und Musikrichtungen, die immer wieder für einen Musikrausch sorgten. Ich trat aus dem Gebäude heraus, mit einem unglaublich zufriedenen und dankbaren Gefühl. Meine Sinne in diesem Moment waren dabei so geschärft wie nie zuvor.

Rangina Ahmad


Von verzerrten Vorstellungen und der Realität: Das Arbeiten in der Musikindustrie (2/3)

Unser Gehirn ist ein äußerst erstaunliches Organ. Es nimmt Informationen von den Sinnesorganen auf, filtert, verarbeitet und interpretiert sie – jedoch nicht ohne auch Emotionen und Erfahrungen miteinzubeziehen. Theoretisch gesehen kann man also der eigenen Wahrnehmung nicht ganz trauen, da sie in geringem Maße immer verzerrt ist. Denn uns erscheint das Wahrgenommene als Wirklichkeit, tatsächlich ist die Abbildung von der Welt in unserem Kopf eine subjektive Interpretation der Realität. Rückblickend malte ich mir in meiner „Realität“ das Arbeiten in der Musikindustrie wahrscheinlich als eine Art fortlaufende, nimmer endende Feier aus, die aus unendlich vielen Konzerten bestand. Was meinem naiven 24-jährigen-Ich jedoch schnell bewusst wurde: Ein Musik-Unternehmen ist auch nur ein stinknormales Unternehmen wie jedes andere auch. Ein A&R-Manager würde an dieser Stelle wahrscheinlich Einspruch erheben, da er seine Realität als Musikmanager – jemand der ständig auf Achse ist, auf der Suche nach neuen, frischen Musiktalenten – als weitaus mehr als nur „stinknormal“ bezeichnen würde. Was ich hier wiedergebe, sind also lediglich meine subjektiven Wahrnehmungen und Erfahrungen, die ich auf Freelancer-Basis im Unternehmen gemacht habe. Fakt ist, dass Sony Music (derzeit) aus insgesamt 13 Labels besteht, deren Fokus auf unterschiedliche Künstler- und Produktgruppen liegt. Untergliedert ist die Musikfirma in verschiedene Unternehmensbereiche. Für mich relevant waren vor allem die Abteilungen Catalog und Media Concepts. Unser vierköpfiges „Online“-Team war in erster Linie dafür verantwortlich, die Produktmanager aus den zwei jeweiligen Abteilungen zu unterstützen, indem wir deren Produkte online veröffentlichten und vermarkteten. Zu meinen Aufgaben gehörten u.a.:

  • Content Management: Hier ging es um die Entwicklung/Optimierung und die Distribution des Contents in die richtigen digitalen Kanäle
  • Consumer Relation Management: Insbesondere die Betreuung der Social Community Channels stand hier im Vordergrund
  • Owned Media Development: Hierunter ist der Reichweiten-Ausbau der digitalen Kanäle, also Webseiten, Facebook-Seiten, Newsletterverteiler usw. zu verstehen

In der Regel sah der Tagesablauf wie folgt aus: Die Veröffentlichung der neuen Kuschelrock (Media Concepts) und ein brandneues Box-Set von The Clash (Catalog) standen unmittelbar bevor. Während die eine Hälfte unseres Teams ganz klassisches Online-Marketing betrieb (Suchmaschinenmarketing, Affiliate-Marketing etc.), kümmerte sich die andere Hälfte um die oben genannten Aufgaben (Veröffentlichung der Neuerscheinungen auf der Kuschelrock- bzw. Clash-Homepage sowie über die Social Media Kanäle und den Newsletterverteilern, Ausbau der digitalen Reichweiten etc.). Zwar änderte sich von Woche zu Woche die Produktpalette, der Ablauf war jedoch immer derselbe. Ein geregelter Arbeitstag. Ein 9-17 Uhr-Job. Oder oft 10-18 Uhr. Von meiner Seite aus allerdings kamen weder neue sprudelnde Ideen, noch blickte ich über den Tellerrand hinaus. Nach 10-monatiger Arbeit fühlte ich mich wie ein kaputter Schallplattenspieler, der immer und immer wieder die gleiche Zeile abspielte. Nicht nur mein Enthusiasmus schwand langsam aber sicher dahin, sondern auch meine Leistungsfähigkeit und meine Leidenschaft dafür im „Backstage“ der Musikwelt zu arbeiten. Und dennoch – paradoxerweise möchte man fast meinen – war es für meine persönliche Entwicklung und für das Erkennen meiner eigenen Fähigkeiten eine schiere Notwendigkeit diese Erfahrungen gemacht zu haben. Und das aus vielerlei Gründen!


Von verzerrten Vorstellungen und der Realität: Das Arbeiten in der Musikindustrie (1/3)

Was wären wir Menschen bloß ohne unsere Sinneswahrnehmung? Obwohl sie sich bisweilen als trügerisch, verführbar oder als vollkommen realitätsfern erweist, befähigt sie uns zu einer Empfindung, die zweifellos zu den schönsten irdischen Genüssen überhaupt gehört – nämlich dem Hören von Musik. Jimi Hendrix soll einmal gesagt haben: Music is a safe kind of high. Dieses Gefühl des „sicheren High-Seins“ ergriff mich das erste Mal so richtig inmitten meiner pubertierenden Phase. Eine regelrechte Endorphinflut schoss dabei querbeet in alle Richtungen meines Systems und löste auf diese Weise einen geistigen Hochgenuss in mir aus!

Es war an einem Sonntagnachmittag vor X Jahren, als ich mich also völlig meinem Musikrausch hingab und ich mir dabei im Stillen schwor, eines Tages in der schillernden, glanzvollen Welt der Musikindustrie Fuß zu fassen. Nicht als Musikerin, sondern als jemand der HINTER die Kulissen blickt. Im Jahr 2013 war es endlich soweit: Mit meinem frisch gedruckten Bachelorabschluss unter dem Arm und einer ordentlichen Portion an Unerfahrenheit und Abenteuerlust machte ich mich schließlich auf in die Musikwelt. Das Abenteuerland in das ich mich begab, hieß München. Dort angesiedelt ist der deutsche Sitz des Major-Labels Sony Music Entertainment, das ursprünglich vor über 100 Jahren als Columbia Records in den USA gegründet wurde und zur Tochtergesellschaft der japanischen Sony Corporation gehört. Nun stand ich also vor den Pforten dieses altehrwürdigen Unternehmens, das so viele meiner Lieblingskünstler unter Vertrag hielt, und meine Gedanken schwirrten wie wild durcheinander: Was erwartet mich gleich? Was für Menschen arbeiten hier? Werde ich den Anforderungen gerecht? Trotz meiner Unsicherheiten war ich frohen Mutes. Ich redete mir ein, dass ich in meinem Wirtschaftsinformatik-Studium gewiss genug gelernt haben müsste, um für das was mir bevorstand ausreichend gewappnet zu sein. Wie mich doch meine Sinne täuschten. Und zugleich überraschten!


Wirtschaftsinformatik bei der VW FS AG – Teil 2

Hallo zusammen,

heute möchte ich euch mit meinem zweiten Post eine meiner Tätigkeiten vorstellen, die ich bei der VW FS AG ausübe, und zwar die Auswertung der Balance Score Card.

Zunächst erst einmal kurz zum Begriff Balance Score Card: bei uns im Unternehmen werden dort alle Incidents (Störungen) erfasst. Sie ist nach Abteilungen geordnet, sodass man nur auf seinen Bereich filtern muss. Dort gibt es grüne, gelbe und rote Incidents. Die Incidents sind außerdem in Prioritäten von 1-4 eingestuft. Wobei eins eine gravierende Störung beschreibt, die sofort behoben werden muss und vier dementsprechend weniger dringend ist. Die Priorität eines Incidents wirkt sich auf die Einstufung der Farbe aus. Ein Prio 1 Incident zum Beispiel ist zunächst grün, wenn er erstellt wird. Und wird im laufe des Tages erst gelb und dann rot. Dort geht es um jede Minute. Ein Prio 4 Incident hingegen ist erst einmal 7 Tage lang grün, ohne dass überhaupt jemand daran arbeiten muss. Für die Einschätzung der Farbkategorie gibt es für jede Priorität eine Legende, die aufzeigt, was geschehen sein muss, bevor der Incident die Farbe wechselt, sodass es für jeden Mitarbeiter transparent ist.

Nun zu meiner Aufgabe in dem Zusammenhang. Ich erstelle jeden Freitag für unsere Abteilung eine Auswertung dieser Balance Score Card. Ich fertige eine Exceltabelle an, in der ich vermerke, wie viele grüne, gelbe und rote Incidents aufgetreten bzw. in Bearbeitung sind und bespreche mit den zuständigen Kollegen, warum ein Incident rot geworden ist. Auch erinnere ich an die Bearbeitung eines Incidents, wenn ich sehe, dass längere Zeit kein Update mehr vorgenommen wurde. Nachdem ich das alles dokumentiert und abgefragt habe, reporte ich das an meine Vorgesetzte, damit sie auch informiert ist, wie die Störungslage in der Abteilung ist.