1878 - 1895
Neuer Name, neue Verfassung: Am 5. März 1878 erfolgte die Umbenennung in "Herzogliche Technische Hochschule Carolo-Wilhelmina" und am 1. April tritt die neue Verfassung der TH in Kraft. Die Aufnahmebestimmungen werden den preußischen Regelungen angepasst, zur Aufnahme ist nun das Reifezeugnis nötig. Lehrfreiheit und akademische Selbstverwaltung werden garantiert.
Organisiert ist die TH in Abteilungen: Architektur, Ingenieurbauwesen, Maschinenbau, chemische Technik, Pharmazie sowie eine Abteilung für allgemein bildende Wissenschaften und Künste.
Ein erstes Banner wird am 16. Juli 1888 geweiht, es geht in den Jahren darauf verloren. Im Juli 1892 folgt eine neue Bannerweihe. Dieses neue Banner der TH zeigt auf der einen Seite - wie das alte - den Kopf der römischen Göttin Minerva, auf der anderen das übernommene herzogliche Wappen mit dem Wahlspruch "Nec aspera terrent" - Widrigkeiten schrecken uns nicht.
1889: An die Stelle des Titels "Direktor" tritt nun der Titel "Rektor".
Gemäß der ersten Satzung für die Studenten der TH erkennt das Rektorat 1894 den von ihnen gewählten Ausschuss als Vertretung der gesamten Studentenschaft an. Mit einer Berechtigungskarte hatte jeder Student Zutritt zu den Studentenversammlungen und zweimal pro Semester Rede- und Wahlrecht. Die offizielle Anerkennung des Studentenausschusses scheitert 1896 am Widerstand des Staatsministeriums, dennoch wird der von der Hochschulleitung weiterhin gebilligt.
1895 feiert die Hochschule ihr 150-jähriges Bestehen mit einem Fest vom 25. bis 27. Juli.
1898
Erstmals immatrikulieren sich im Wintersemester 85 Frauen aus Braunschweig - ohne vorher eine Sondergenehmigung des Ministeriums einholen zu müssen - als Gasthörerinnen für Vorlesungen in Kunstgeschichte und Literatur. Als erste trägt sich Natalie Poll-Spiess in das Matrikelbuch der Damen ein.
Klick in die Quellen: Einschreibebuch für Damen 1898-1942
1905 wird Elisabeth Benecke als erste außerordentliche Studentin - noch als Einzelfall - für das Studium in der Abteilung für Chemie zugelassen.
25. April 1907: Johanna Judenberg nimmt als erste Studentin ein reguläres Fachstudium auf. Sie schreibt sich für die Fächer Mathematik, Physik und Chemie ein. 1911 legt Ilse Rüder als erste ordentliche Studentin das Examen ab, sie hatte Pharmazie studiert. Sie ist zudem die erste Assistentin, die an der TH eingestellt wird. Reichsweit studieren 1908/09 neben ihr nur noch zwei weitere Frauen Pharmazie.
Erst 1909 werden Frauen vollumfänglich zum Studium zugelassen. Gertrud Frühling schreibt sich als erste Frau nach der offziellen Öffnung als Studierende ein.
1900 - 1911
Es ist soweit: Am 8. Mai 1900 verleiht Regent Prinz Albrecht von Preußen der TH nach preußischem Vorbild das Recht zur Verleihung des Titels eines Diplom-Ingenieurs, des Titels "Doktor-Ingenieur" (Dr.-Ing.) und des Doktor-Ingenieurs Ehren halber. Am 18. Oktober folgt der Erlass einer Promotionsordnung. Erster Dr.-Ing. e. h. wird der Braunschweiger Professor für technologische Chemie, Friedrich Ludwig Knapp. Am 23. Juli 1901 erfolgt die erste Promition zum Dr. rer. nat. im Fach Chemie.
9. Dezember 1901: Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzogtums, verleiht dem Rektor die Rektoratskette. Mit mehreren Umarbeitungen ist diese Kette bis heute in Gebrauch. Ab 1903 trägt der Rektor der TH den Titel "Magnifizenz". Ab 1911dürfen die ordentlichen Professoren Talar und Barett tragen. 1912 wird dies auch den etatmäßigen außerordentlichen Professoren zugestanden.
Die "Wildenschaft", bestehend seit 1899, bildet unter dem Namen "Freie Studentenschaft" seit 1901 eine feste Organisation. Die freistudentische Bewegung versteht sich als neutrale Interessensvertretung.
1904 beginnt die Lehramtsausbildung in der Abteilung für allgemeinbildende Wissenschaften und Künste. Im Wintersemester erreicht der Anteil von ausländischen Studierenden mit 17,7 % einen Höhepunkt. Studentische Proteste und Ressentiments werden laut, Konflikte mit der Hochschulleitung folgen. Die 1907 vom Senat genehmigten neuen Satzungen der Studentenschaft begrenzen das Stimmrecht auf Studenten mit reichsdeutscher Staatsangehörigkeit. Damit schließt die Braunschweiger Studentenschaft alle ausländischen Studenten vom Stimmrecht und von allen Ämtern aus.
1918 - 1932
Nach dem Ersten Weltkrieg wird 1918 der Braunschweigische Hochschulbund gegründet. 1919 folgt die Gründung des AStA als Selbstverwaltungskörperschaft.
1920: Anlässlich der 175-Jahr-Feier erhält die TH Stiftungsgelder in Höhe von mehrern Hunderttausend Mark.
1922 Gründung der Vereinigung "Akaflieg" am 8. November. Schon ein Jahr später erzielen Studenten mit eigenkonstruierten Segelflugzeugen die ersten Erfolge. Seit 1955 befindet sich das Vereinsheim auf dem Gelände der Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Weitere neue Insitute entstehen, bestehende werden ausgeweitet. 1926 erfolgt die Einweihung des Chemisch-Technischen Instituts und des Botanischen Instituts. Seit 1925 wird die TH verstärkt ausgebaut und unter Prof. Carl Mühlenpfordt, Architekturprofessor und Rektor von 1925-1928, gezielt zu einer Lehr- und Foschungsinsitution umgewandelt. Insgesamt wird der Baubestand um ca. die Hälfte vergrößert. Im Wintersemester 1925/26 wird die Abteilung für Elektrotechnik aus der Abteilung für Maschinenbau ausgegliedert. Schon 1924 war eine eigene Professur in diesem Bereich eingerichtet worden. 1929 kommen moderne elektrotechnische Institute hinzu: Hochspannungsinstitut, Institut für elektrische Maschinen, Institut für Fernmelde- und Hochfrequenztechnik. Auch das Institut für Maschinen- und Betriebswissenschaft entsteht.
Im selben Jahr werden erstmals politische Studentengruppen zugelassen: die Sozialistische Studentengruppe und der nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB). 1931 erhält der NSDStB bei den AStA-Wahlen neun Sitze, Vorsitz und Stellvertretung.
1927 wird eine neue Abteilung für Kulturwissenschaften wird geschaffen. Damit wird die akademische Ausbildung für Volks- und MittelschullehrerInnen integriert. Ab 1930 erhält die Abteilung das Promotionsrecht (Doktor der Kulturwissenschaften, Dr. cult., entfällt 1939).
1932
Am 27. Januar verleiht die TH Agnes Pockels die Ehrendoktorwürde für ihre Forschungen im Bereich der Oberflächenchemie. Sie sit die erste Ehrendoktorin einer deutschen Technischen Hochschule.
1933 - 1944
"Gleichschaltung" der Hochschule 1933: In den letzten Jahren der Weimarer Republik war es mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen nationalsozialistischen Studenten, v. a. dem NSDStB, und Rektor und Senat gekommen. Als Studenten 1932 trotz Verbot in NS-Parteiuniform an der Hochschule erscheinen, verbietet der Senat den Bund, was der Innen- und Volksbildungsminister Dietrich Klagges (NSDAP) unverzüglich wieder rückgängig macht. Klagges wird am 6. Mai 1933 zum Ministerpräsidenten ernannt. Sein Versuch im Februar 1932, Adolf Hitler als außerordentlichen Professor für "Organische Gesellschaftslehre und Politik" an die TH zu berufen, scheiterte damals noch am Widerstand des Landtages.
Rund 35% des Lehrkörpers gehört der NSDAP an. Rektor Gaßner gibt sein Amt am 31. März 1933 auf, kurz darauf wird er verhaftet. An seine Stelle tritt Prof. Horrmann, Prorektor wird Prof. Gerstenberg. Am 5. April muss der Senat zurücktreten. Am 23. Dezember 1933 stimmt Ministerpräsident Klagges der "Vorläufigen Änderung der Verfassung der Technischen Hochschule" zu; sie schreibt das "Führerprinzip" vor.
Literaturtipp zum Weiterlesen: Daniel Weßelhöft, Von fleißigen Mitmachern, Aktivisten und Tätern. Die Technische Hochschule Braunschweig im Nationalsozialismus, Hildesheim u. a. 2012 (Veröffentlichungen der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 6).
Literaturtipp zum Weiterlesen: Michael Wettern, Daniel Weßelhöft, Opfer nationalsozialistischer Verfolgung an der Technischen Hochschule Braunschweig 1930 bis 1945, Hildesheim u. a. 2010 (Veröffentlichungen der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 5).
Eine Auswahl der in diesem Band zusammengestellten Biografien wurde auf Schautafeln präsentiert, die Sie sich hier als PDF ansehen können.
Bis 1937 wird ein neues Gebäude für die zukünftige "Bernhard-Rust-Hochschule" errichtet. Die Volksschullehrerausbildung wird reichsweit neu strukturiert. Damit wird die Abteilung für Kulturwissenschaften aufgelöst; wer nicht in die neue Einrichtung wechselt, kommt zur Abteilung für Mathematik, Physik und allgemeinbildende Wissenschaften der Fakultät I, ab 1940 Abteilung für Geisteswissenschaften.
Mehr über die Geschichte der "Bernhard-Rust-Hochschule", heute Haus der Wissenschaft, erfahren Sie in unserer Ausstellung "Vom Kleinen Exer zum Haus der Wissenschaft".
Die TH wird 1937 insgesamt neu strukturiert: Fakultät I für Allgemeine Wisenschaften, Fakultät II für Bauwesen und Fakultät III für Maschinenwesen. Seit 1936 gibt es eine Abteilung für Luftfahrt. Im Jahr zuvor war das Institut für Luftfahrtmesstechnik und Flugmeteorologie in den Neubau am Flugplatz Waggum gezogen. 1940 wird das Institut für Fahrzeugtechnik gegründet; der Versuchsbetrieb wird mit Wehrmachtsmitteln ermöglicht. Als nach Kriegsbeginn alle Technischen Hochschulen außer München und Berlin geschlossen wurden, nimmt wegen des Andrangs von Studierenden die TH Braunschweig als erste den Studienbetrieb wieder auf.
1943: Gründung der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft
1944/45
1943 ordnet der Rektor aufgrund der zunehmenden Luftangriffe die Evakuierung der Institutsinventare an. So wird auch der Großteil der Hochschulbibliothek, ca. 150.000 Bände, außerhalb Braunschweigs in Sicherheit gebracht. Bei einem Luftangriff am 15. Oktober 1944 wird fast das gesamte Hauptgebäude zerstört, nur die Fassade bleibt erhalten. Auch das "Mühlenpfordthaus" mit den elektrotechnischen Instituten bleibt unversehrt. Insgesamt aber liegen bei Kriegsende 70 % des Baubestands der TH in Trümmern.
Bereits im Mai 1945 öffnet die Universitätsbibliothek wieder. Zum 1. Juli 1945 tritt Rektor Gassner sein Amt wieder an.
Die TH umfasst bei der Wiederaufnahme des Lehrbetriebs im November 1945, mit massiven Einschränkungen durch Mangel und kriegsbedingte Zerstörung, drei Fakultäten: die Naturwissenschaftlich-Philosophische Fakultät, die Fakultät für Bauwesen und die Fakultät für Maschinenwesen. Die Trümmerräumung beginnt, die ersten, teils behelfsmäßigen Räume werden eingerichtet. Nach und nach wird das Fächerspektrum ausgeweitet.
1946 - 1954
Am 14. Januar 1946 gibt es die erste Immatrikulationsfeier seit der Wiedereröffnung. Im April wird Prof. Gassner bei der Rektoratswahl für zwei weitere Jahre bestätigt. Drei studentische Vereinigungen werden von der Militärregierung zugelassen: der Akademische Architektenverein, die Katholische Studendengemeinschaft und die Akademische Studentenvereinigung. Am 21. Juni wird auch die Braunschweigische Gesellschaft wieder zugelassen. Am 5. Juli 1948 findet zur Erinnerung an den Vorlesungsbeginn am Collegium Carolinum eine Gründungsfeier statt; eine Zeit lang wird sie jährlich wiederholt. Da das 200-jährige Jubiläum 1945 nicht feierlich begangen werden konnte, entschied man sich 1950 zu einer 205-Jahr-Feier. Im Sommer wird die neue Mensa im ehemaligen Studentenhaus eröffnet. Im selben Gebäude kommen AStA und Akademisches Hilfswerk unter. Der AStA engagiert sich mit seinem "Referat für gesamtdeutsche Studentenfragen" in dieser Zeit stark für die deutsche Einheit.
Das Konzil verabschiedet am 6. Juni 1951 eine neue Hochschulverfassung. Der Wiederaufbau schreitet voran, immer mehr Gebäude entstehen neu oder werden erweitert und geben dem Campus eine neue Gestalt.
1955 - 1968
1955: Dr. Elisabeth Müller-Luckmann ist die erste Habilitandin der TH Braunschweig. Zehn Jahre später wird die erste Professorin berufen: Dr. Elisabeth Ströker lehrt von 1965 bis 1971 Philosophie.
Nachdem 1957 eine elektronische Analogie-Rechenanlage in Betrieb genommen werden konnte, nimmt ein Jahr später das "Elektronische Rechenzentrum" seine Arbeit auf. 1968 starten die Planungen für ein größeres Informatikzentrum.
Am 1. April 1968 tritt die Verfassung in Kraft. Damit verbunden erhält die TH einen neuen Namen: "Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig".