Modellierung der dynamische Plasmaumgebung von Titan
Während die Erde nur einen einzigen Mond besitzt, umkreisen den Planeten Saturn zahlreiche Monde. Der größte dieser Monde ist Titan. Im Bild rechts ist ein maßstabsgetreuer Vergleich von Erde, Erdmond und Titan dargestellt. Titan umkreist Saturn auf einem Orbit in 20 Saturnradien Entfernung. Dabei wird er permanent von Saturns magnetosphärischen Plasma umströmt.
Unter gewissen Umständen verlässt Titan die Plasma- umgebung von Saturn und tritt unmittelbar in den Sonnenwind ein (siehe untere Skizze).
Während diesem Ereignis ändern sich schlagartig die Anströmbedingungen: Die Richtung des anströmenden Plasmas ist im Sonnenwind entgegen gesetzt genau wie die Polarität des Magnetfelds. Um diesen dynamische Prozess zu verstehen, muss zunächst Titan genauer betrachtet werden.
Ähnlich wie die Erde besitzt Titan eine dichte Stickstoffatmosphäre. Etwa 700 Kilometer oberhalb von Titans Oberfläche wird Stickstoff durch Sonneneinstrahlung ionisiert.
Dadurch bildet sich ein sehr dichtes und hoch leitfähiges Plasma aus schweren Ionen, die sog. Ionosphäre. Die Ionosphäre wird permanent von Saturns Plasma umströmt. Dabei wird ein Teil der Ionosphäre stromabwärts mitgenommen und bildet einen Schweif aus schweren Ionen.
Die Abbildung zeigt eine typische Plasma-Umgebung des Titan, die mit dem Hybrid-Code simuliert wurden. Dargestellt ist die Dichte der von links anströmenden Plasma-Komponente, die in der Saturn-Magnetosphäre ihren Ursprung hat. Ein Bow Shock entsteht nicht, wenngleich das Magnetosphären-Plasma im Maximum um das ca. zweifache komprimiert wird. Nahe an den Titan dringt kein Magnetosphären-Plasma vor; es wird vom ionosphärischen Stickstoff-Plasma des Titan abgeschirmt. Das magnetosphärische Saturn-Plasma und das ionosphärische Titan-Plasma mischen sich nur bedingt; teilweise wird eine Grenzschicht gebildet, die den Charakter einer Ion Composition Boundary hat. In die Schweifregion (blau) dringt nur eine geringe Menge magnetosphärischen Plasmas ein [Abbildung: Sven Simon, TU Braunschweig, 2007].
Die simulierten Parameter sind unmittelbar mit Beobachtungsdaten vergleichbar. Im Rahmen der Cassini-Mission, zu der die TU Braunschweig mehrfach wissenschaftlich beiträgt, wird Titan wiederholt passiert und dabei u.a. auch seine Plasma-Umgebung analysiert. Das Wechselspiel zwischen Simulation und Beobachtung ermöglicht, die Komplexität der Wechselwirkung des Titan mit der Saturn-Magnetosphäre zu analysieren und auf plasmaphysikalische Basisprozesse zurückzuführen.
In der Animation rechts ist eine Momentaufnahme von Titans Ionosphäre dargestellt, und zwar unmittelbar bevor Titan die Plasmaumgebung von Saturn in Richtung Sonnenwind verlässt. Der Schweif weist stromabwärts in Richtung des umströmenden Saturnplasmas. Zusätzlich ist im unteren Bereich das Magnetfeld von Saturn in blau gekennzeichnet (um Titan herum der Übersicht wegen ausgeblendet) und in orange das Magnetfeld des Sonnenwindes. Der grüngelbe Über- gangsbereich dazwischen entspricht der gelben Grenze in obiger Skizze.
Sobald Titan die Plasmaumgebung von Saturn verlässt und in den Sonnenwind eintritt, ändert sich instantan die Richtung des anströmenden Plasmas. Da Titans Schweif stets stromabwärts gerichtet ist, wird er um 180° in die "neue" Anströmrichtung des Sonnenwindes gedreht.
Dieser Vorgang ist in der Animation links anhand der Schwerionendichte dargestellt. Während der Drehung spaltet der Schweif in zwei Bereiche auf: Während der dünne untere Bereich fast instantan die Richtung ändert, folgt ihm der obere dichte Bereich nur sehr langsam. Während der Drehung ist der Schweif stets auf eine schmale Ebene beschränkt ist, die "Schweifebene". Der Grund dafür ist das um Titan verspannte Magnetfeld, wie später beschrieben wird.
Die Animation rechts zeigt vier physikalische Größen in der Schweifebene während Titans Eintritt in den Sonnenwind. Dabei entspricht die Schwerionendichte (rechts oben) der der vorhergehende Animation. Zusätzlich ist links oben der Betrag des Magnetfelds dargestellt. Rechts unten wird die Plasmageschwindigkeit gezeigt. Die z-Komponente des Magnetfeldes ändert im Sonnenwind sein Vorzeichen und ist links unten dargestellt. Es lässt sich gut beobachten, wie die Ionosphäre und der Schweif das Eindringen des Sonnenwindmagnetfeldes stark verzögert.
Generell kann das Magnetfeld nur sehr langsam in Titans hoch leitfähige Ionosphäre eindringen. Bei der Bewegung durch Saturns Magnetfeld verspannen sich die Magnetfeldlinien um die Ionosphäre, ähnlich wie die gespannte Sehne eines Bogens. Die Animation links zeigt wieder eine Momentaufnahme von Titan in Saturns Magnetfeld. Zum einen sind geradlinige ungestörte Magnetfeldlinien dargestellt, zum anderen um die Ionosphäre verspannte Feldlinien.
Da sich die geladenen ionosphärischen Teilchen nur parallel zum Magnetfeld frei bewegen können, nicht aber senkrecht dazu, werden sie durch die um Titan verspannten Feldlinien auf eine schmale Ebene fokussiert. Diese Ebene ist die bereits oben erwähnte Schweifebene. In der unteren Animation liegt die Schweifebene genau zwischen dem orangen und blauen Bereich.
Eine um Titan verspannte Feldlinie ist auf der (Titan von vorne gesehen) linken Seite stromabwärts gerichtet (orange), auf der rechten Seite stromaufwärts gerichtet (blau). Dieser Zusammenhang ist in der Animation rechts dargestellt. Allerdings gilt dies nur innerhalb des Magnetfelds von Saturn. Im Sonnenwindmagnetfeld ist die Situation exakt umgekehrt, da das Magnetfeld des Sonnenwinds dem Saturn Magnetfed entgegen gerichtet ist.
Da Magnetfelder nur sehr verzögert in Titans Ionosphäre eindringen können, kann diese als "Speicher" für Magnetfelder betrachtet werden. Die Animation links zeigt erneut vier physikalische Größen während Titans Eintritt in den Sonnenwind, diesmal in der Draufsicht (senkrecht zu der Schweif-Schnittebene). In der y-Komponente des Magnetfeldes (rechts oben) lässt sich beobachten, dass selbst 20 Minuten nach dem Eintritt von Titan in den Sonnenwind die Polarität des Magnetfelds in Titans Ionosphäre immer noch der von Saturns Magnetfeld entspricht.
Offensichtlich hat die Ionosphäre den Zustand des Magnetfelds gespeichert. Da 20 Minuten auf Skalen von Plasmen einer sehr lange Zeit entsprechen, spricht man hier auch von "fossilen Magnetfeldern".
© Joachim Müller
Referenzen
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