Die Planung eines Patientenzimmers ist von enormer Komplexität. Es gilt, pflegerische Anforderungen, Erkenntnisse der Mikrobiologie (insbesondere im Hinblick auf Krankenhausinfektionen), Bedürfnisse der Patienten sowie ökonomische Belange der Krankenhausbetreiber in Einklang zu bringen. Die Publikation erläutert die Planungsparameter und stellt mustergültige Beispiele vor.
Die Relevanz der Eindämmung von Infektionsgeschehen wird in Zeiten der aktuellen Pandemie offensichtlich.
War diese Ausrichtung schon immer ein Teilgebiet der Architektur oder ist dies eine Reaktion auf zunehmende gesellschaftliche Herausforderungen?
Der Krankenhausbau wurde in seiner Jahrhunderte währenden Entwicklungsgeschichte kontinuierlich von zahlreichen zivilisatorischen Faktoren beeinflusst. Dazu gehören auch Pandemien wie die Aktuelle oder auch Vergangene – Spanische Grippe (1912), AIDS (1981), Schweinegrippe (2001). Das Infektionsgeschehen und deren präventive Maßnahmen haben mit unterschiedlicher Intensität auf die Architektur des Krankenhauses eingewirkt. Denken Sie beispielsweise an die Krankenhäuser in Pavillonbauweise zur Kohortierung von Patienten Ende des 19. Jahrhunderts oder die Einrichtung von Intensivpflegestationen als Reaktion auf die Innovation in Medizin und Technik seit den 1960er Jahren.
Was hat Sie selbst dazu bewegt, Ihre Forschung auf den Gesundheitsbau auszurichten?
Der Gesundheitsbau ist ein hoch komplexes Gebäude, das multifunktional ist: Es ist Hotel, Bürogebäude, Behandlungszentrum, Logistik- und Laborgebäude zugleich und wird von ganz unterschiedlichen Personen genutzt: Patienten, Ärzten, Pflegern, Besuchern, Technikern. Zudem unterliegt die Struktur des Gesundheitsbaus einem stetigen Wandel, abhängig von der Entwicklung der Medizin, den gesellschaftlichen Anforderungen oder den Fortschritten im Architektur- und Bauwesen.
Aus diesen Herausforderungen entstehen eine Vielzahl von relevanten Forschungsfragen, die mich reizen und auf die ich Antworten finden möchte. Darüber hinaus arbeite ich gerne interdisziplinär in Projektteams zusammen. Dazu gehören Mediziner*innen, Hygieniker*innen, Designer*innen, Haustechniker*innen oder Materialwissenschaftler*innen.
Wie der Titel bereits verrät, fokussieren Sie in Ihrem Buch Patientenzimmer innerhalb von Krankenhäusern. Worin liegen die zentralen Herausforderungen für Architekt*innen in Planung und Gestaltung?
Das Patientenzimmer im Pflegebereich steht seit jeher im Zentrum der Krankenhausplanung und Gestaltung. Zum einen wird hier der Prozess des Heilens am Patienten konkret sichtbar und zum anderen ist der Flächenaufwand für die Unterbringung der Patienten im Verhältnis zu den anderen Krankenhausfunktionen groß. Letztlich übertragen sich Planungsfehler bei gleicher Stationsstruktur auf viele Stationen. Darüber hinaus gilt es, pflegerische Anforderungen, Erkenntnisse der Hygiene, Bedürfnisse der Patient*innen sowie ökonomische Belange der Krankenhausbetreiber*innen in Einklang zu bringen.
Eine Reihe von Fragen müssen beantwortet werden: Wie lässt sich das Wohlbefinden von Patienten durch die Gestaltung positiv beeinflussen? Wie kann die Architektur die Arbeitsbedingungen für das Personal, zum Beispiel durch kurze Wege und effiziente Pflegehandgriffe unterstützen? Und wie kann das Infektionsrisiko durch eine intelligente Grundrissanordnung gesenkt werden?
Das Buch gibt eine Übersicht an Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Planer oder der Planerin beim Entwurf eines Patientenzimmers offenstehen. Mithilfe entsprechender typologischer Beispiele stellen wir diese strukturiert vor. In einem Kapitel präsentieren wir aktuelle und mustergültige Beispiele von Patientenzimmern im In- und Ausland.
Lassen sich einige Ihrer Erkenntnisse auf andere Räume der Gesundheitsversorgung übertragen, z. B. Arztpraxen, Physiotherapeutische Behandlungen oder Pflegeeinrichtungen?
Die Erkenntnisse unserer Publikation fließen unmittelbar in aktuell laufende Forschungsprojekte im Bereich des Gesundheitsbaus ein, die zur Zeit an unserem Institut bearbeitet werden. Hervorheben möchte ich das Projekt „SAVE“ (Förderung durch das BBSR, seit 2020), in dem wir bauliche Lösungen zur verbesserten Kontrolle und Bekämpfung von Infektionsübertragungen in Schulen, Kindergärten, Alten- und Pflegeheimen, Arztpraxen und Hörsälen interdisziplinär entwickeln. Im Forschungsprojekt „Intensivstation der Zukunft“ (Förderung durch das BBSR, seit 2020) untersuchen wir innovative Ansätze für das Intensiv-Patientenzimmer. Im Fokus stehen dabei evidenzbasierte Präventionskonzepte und die Verbesserung der Patientenversorgung und der Arbeitsplatzqualität für das medizinische Personal.
Sehen Sie Parallelen zur Gestaltung anderer (öffentlicher) Räume einer Stadt, wie z. B. Museen, Einkaufspassagen oder Schulen?
In Bezug auf die Infektionsprävention sehe ich Parallelen zwischen dem öffentlichen Raum und der Planung eines Patientenzimmers. Die Betrachtungsebene unterscheidet sich zwar erheblich, aber die zentralen Fragestellungen bleiben: Durch welche städtebaulichen, architektonischen und prozessualen Maßnahmen kann die Kontaktübertragung von Infektionserregern effektiv kontrolliert bzw. vermieden werden? Welche Gebäude bzw. Orte sind zur Optimierung infrastruktureller Maßnahmen besonders relevant?
Welche Fragen bleiben im Zusammenhang mit der Planung und Gestaltung von Patientenzimmern noch offen?
Das Patientenzimmer wird auch in Zukunft auf weitere Veränderungen reagieren müssen. Dabei muss die Planung eine Fülle an baulichen, technischen, materialwissenschaftlichen und organisatorischen Aspekten berücksichtigen. Das Forschen und Entwickeln von innovativen Raumzusammenhängen der Pflegestationen unter infektionspräventiven Gesichtspunkten wird in Zukunft noch größere Bedeutung gewinnen.
Einige der wichtigen Fragen für die Zukunftsfähigkeit des Patientenzimmers sind: Wie muss die bauliche Struktur auf sinkende Bettenzahlen und abnehmende Verweildauer des Patienten reagieren? Welche Rolle spielt zukünftig der hohe Grad an Gebäudetechnik, an Medizintechnik und an Digitalisierung? Welchen Auswirkung hat das zukünftige Finanzierungssystem in Deutschland auf die Planung und Gestaltung von Patientenzimmern?