In naher Zukunft werden weltweit zwei von drei Menschen in Städten leben. Urbanisierung und Klimawandel stellen die städtischen Räume vor große Herausforderungen. Das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Klima, Luftqualität und Städtebau erlangt daher eine wachsende Bedeutung. Das Lehrbuch führt in die physikalischen Grundlagen und Prozesse des Stadtklimas ein und beleuchtet die Arbeitsfelder der planungsorientierten Stadtklimatologie.
Wer oder Was hat Sie dazu inspiriert, Forschender im Bereich Stadtklimatologie zu werden?
Im Grundstudium hat unser damaliger Klimatologie-Professor Dr. Heribert Fleer (Ruhr-Universität Bochum) über die Grundzüge des Stadtklimas und der städtischen Wärminsel gelehrt. Mich hat fasziniert, dass der Mensch einen messbaren Einfluss auf die Physik der Stadtatmosphäre hinterlässt, die man z.B. mit Temperaturmessungen nachweisen kann. Im Anschluss habe ich mich gefragt, ob es neben der Erhöhung der städtischen Lufttemperatur nicht weitere, durch die zunehmende Verstädterung erzeugte, Phänomene geben muss? Dadurch bin ich tiefer in das Forschungsfeld ‚Stadtklima‘ eingestiegen.
Wie sieht in Braunschweig ein perfekter Tag für das Stadtklima aus?
Ein schöner, warmer Sommertag würde zunächst einmal dazu führen, dass sich mikroklimatische Unterschiede in der Stadt herausprägen, da z.B. die Gebäudemasse Wärme speichert und diese in der Nacht verzögert an die bodennahe Luftschicht abgibt (städtische Überwärmung). Wir können durch Entsiegelung, Erhöhung des Vegetationsanteils und Kaltluftschneisen planerisch dazu beitragen, solche negativen Ausprägungen des Stadtklimas abzumildern. Eine gute Durchlüftung und verbesserte Mobilitätsstrategien, z.B. durch die Erhöhung des Fahrradverkehrs, würden zudem zu einer verbesserten Luftqualität führen. Zusätzlich unterstützt das den Klimaschutz – mit einem Anteil rund 70 % Stadtbewohnern an der Weltbevölkerung zur Mitte dieses Jahrhunderts spielen Städte eine sehr wichtige Rolle in den Bemühungen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen.
Wieviel Zeit ist zwischen der Idee eines eigenen Lehrbuchs und der Umsetzung vergangen?
Das hat schon etwas gedauert. Zunächst stellt man sich die Frage, ob man sich den zusätzlichen zeitlichen Aufwand aufhalsen möchte. Es war sicherlich von Vorteil, dass wir als Autoren-Duo gearbeitet haben und uns gegenseitig unterstützen konnten. Wir waren davon überzeugt, dass es eine Lücke im deutschsprachigen Lehrbuchbereich gibt und hielten es deshalb für wichtig, einen Beitrag im Bereich ‚Stadtklima‘ zu liefern.
Welche Herausfordreungen gab es dabei zu bewältigen?
Die Zeit zu finden. Ich erinnere mich an viele Abend- und Nachstunden, an denen ich an der Bearbeitung der unterschiedlichen Lehrbuchkapitel gesessen habe. Zudem versucht man den schmalen Grat zu meistern, die Prozesse wissenschaftlich auf den Punkt zu bringen, aber dennoch nachvollziehbar und lesefreundlich zu verfassen. Mich haben immer die Lehrbücher überzeugt, bei denen man den Service des Autoren am Leser erkennt, nämlich einen - trotz aller Komplexität des Themas - nachvollziehbaren und lesefreundlichen Lehrbuchtext zu entwerfen.
Was würde Ihr studentisches Ich zu dem Lehrbuch "Stadtklima" sagen?
Ich hoffe, dass es uns vor allem gelungen ist den letzten Punkt umzusetzen. Weiterhin soll die Faszination und fachliche Breite des Themas deutlich werden. Im Kern betrachtet das Buch die stadtklimatischen Phänomene zunächst auf Basis der physikalischen Grundlagen. Die Auswirkungen des Stadtklimas sind jedoch interdisziplinär, sie berühren Bereiche wie Stadtplanung, Architektur und Bauphysik, gesundheitliche Aspekte und Klimaschutz. Die bisherigen Reaktionen von Studierenden sind sehr positiv. Da sich Städte weltweit sehr dynamisch entwickeln und zukünftig neue Themenfelder entstehen werden, ist das letzte Kapitel dieses Lehrbuchs aber sicherlich noch nicht geschrieben.
Sie möchten noch mehr lesen? Hier geht es zu einem Magazin-Beitrag aus dem April 2020, der sich ebenfalls mit der Buchvorstellung befasst.