Die Abteilung für Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte wurde 1958 als Pharmaziehistorisches Seminar von Wolfgang Schneider gegründet. Schneider war pharmazeutischer Chemiker und arbeitete seit 1948 zunächst als Assistent am pharmazeutischen Institut in Braunschweig, 1954 habilitierte er sich. 1960 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt. Seine Forschungen galten der Arzneimittelgeschichte, wobei er sich besonders für die Herstellungstechniken von Arzneimitteln in der Frühen Neuzeit interessierte, die er in einem eigens dafür hergerichteten Labor rekonstruierte. Mit den Methoden der modernen analytischen Chemie schloss er auf die Zusammensetzung von nach alten Rezepturen hergestellten Arzneimitteln. Diese jahrelange, geduldige und auch von mehreren Doktoranden mit durchgeführte Übersetzungsarbeit im Labor spielte sich Jahrzehnte vor dem "experimental turn" der 1990er Jahre ab. Neben einer Expertise in chemiatrischen Arzneimitteln erwarb Schneider auch einen Überblick über die Veränderungen des europäischen Arzneimittelschatzes, indem er die Präsenz von Präparaten und Präparategruppen in Pharmakopöen zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert verfolgte. Die Ergebnisse dieser Rekonstruktionsarbeit sind in seinem siebenbändigen Lexikon zur Arzneimittelgeschichte (1968-1975) niedergelegt. Insbesondere der Band zu den mineralisch-chemischen Arzneimitteln bietet einen genauen Einblick in diesen Teil des Arzneimittelschatzes. Die Arzneimittel sind hier einerseits nach Epochen geordnet, andererseits nach Bestandteilen und Herstellungstechniken. Synonyme in den Artikeln sowie das Register ermöglichen es, ausgehend von historischen Arzneinamen auf die wahrscheinliche Zusammensetzung der Präparate zu schließen.
Sein Vermächtnis findet sich einerseits in den umfangreichen Quellenbeständen (heute zum Teil in der Bibliothek der Abteilung Pharmaziegeschichte) und zum anderen in der über 1000 Objekte umfassenden Arzneimittelhistorischen Sammlung Schneider, die auch die Materialbasis für seine Veröffentlichungen zur Arzneimittelgeschichte darstellte.
Schneider erarbeitete auch einen Nachdruck der ersten deutschen Pharmakopöe, zu deren Entstehen er umfangreiche Forschungen betrieb. Er publizierte außerdem über Paracelsus, die Chemiatrie und die Alchemie. Seine Geschichte der Pharmazeutischen Chemie behandelt die Alchemie als einen Schritt auf dem Weg zur modernen Chemie. Trotz der eigenartigen Zitierweise ist das Werk immer noch eine brauchbare Informationsquelle für die Entwicklung dieser Spezialdisziplin.
Wolfgang Schneider wurde 1977 emeritiert, forschte und publizierte aber noch weiter.
Erika Hickel promovierte nach einer Ausbildung zur Apothekerin 1963 mit einer pharmaziegeschichtlichen Arbeit bei Wolfgang Schneider und habiltierte sich 1971. 1978 wurde sie dessen Nachfolgerin. In ihren ersten Veröffentlichungen orientierte sie sich an den Arbeitsmethoden der Schneiderschen Arzneimittelgeschichte, ging aber bald auch eigene Wege. Sie veröffentlichte ebenfalls zahlreiche Arbeiten zur Chemiatrie und zur Pharmazie der Frühen Neuzeit, bezog auch soziale und kulturelle Aspekte stärker in ihre Arbeiten ein. Mit dem Buch "Arzneimittel-Standardisierung im 19. Jahrhundert in den Pharmakopöen Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika" (1973) ging sie, immer noch an der Rekonstruktion einer wissenschaftlichen Praxis interessiert, gleichzeitig der Frage nach, wie sich das soziale Phänomen der Regulierung in das wissenschaftliche Phänomen der Standardisierung umsetzt, und sie zeigte hier, wie auch in späteren Arbeiten, dass die Hoffnungen und Versprechungen der modernen Wissenschaften meist weit über dasjenige hinausgingen, was sie zum damaligen Zeitpunkt einhalten konnten.
1983 zog sie für Bündnis 90 / Die Grünen in den Bundestag ein. 1990 war sie die erste Frau, die auf das Amt eines Vizepräsidenten gewählt wurde. Sie setzte sich kritisch mit der Gen-Technik auseinander und verband diese Tätigkeit mit einer Kritik an der "Zurichtung von Mensch und Natur" - so der Untertitel einer ihrer Veröffentlichungen. Sie initiierte auch Forschungen zu "Frauen und Naturwissenschaften. Gesammelte Vorträge zur feministischen Wissenschaftskritik", so ein weiterer Buchtitel. 1996 verließ sie die Technische Universität Braunschweig, um ganz in Ruhe ihr umfassendes Buch "Die Arzneimittel in der Geschichte. Trost und Täuschung - Heil und Handelsware" (2008) zu verfassen. Mit der Anspielung auf J.D. Bernals "Science in History" erneuert sie noch einmal ihr Bekenntnis zu einer sozial engagierten, sozial- und kulturgeschichtlich orientierten Arzneimittelgeschichte. Auch sie zielt auf eine an den wissenschaftlichen Praktiken orientierte Wissenschaftsgeschichte, versteht diese Praktiken aber als Teil einer sozialen (und kulturellen) Praxis. Durch Einwerben von Lehraufträgen zur Sozialpharmazie hat sie sich darum bemüht, angehenden Pharmazeut_innen zu vermitteln, dass auch die Anwendung von Arzneimitteln in einem sozialen Kontext steht, zu dem Angehörige des Apothekerberufs sich verhalten sollten. Die Bibliothek der Abteilung Pharmaziegeschichte hat sie in Richtung einer Sozialgeschichte der Wissenschaften erweitert; auch das Thema der "Technikfolgenabschätzung" findet sich in den Beständen, die sie durch großzügige Geschenke aus ihrer Privatbibliothek erweitert hat. Sie hat eine große Sonderdrucksammlung angelegt, die derzeit digital erfasst wird.
Bettina Wahrig studierte Psychologie, Medizin und Philosophie in Mainz und Marburg und schloss 1983 mit dem Staatsexamen der Medizin ab. Ihre Promotion mit einer psychiatriehistorischen Dissertation erfolge 1984. Von 1985 bis 1997 war sie am Institut für Medizin- und Wissenschaftsgeschichte in Lübeck tätig, wo sie sich 1997 mit einer Arbeit über Die Staats-, Wissenschafts- und Organismusmetaphorik bei Thomas Hobbes habilitierte. Sie brachte nach Braunschweig das Interesse an Geschlechterforschung sowie an der Geschichte der experimenteller Physiologie und Toxikologie mit.
Zwischen 1997 und 2003 lag der Schwerpunkt auf der Erforschung des Verhältnisses von Wissen, Macht und Geschlecht in den Gesundheitsberufen, d. h. insbesondere bei Apothekern, Ärzten und Hebammen in der allgemeinen und fachlichen Öffentlichkeit. Seit 2003 liegt der Schwerpunkt auf der Geschichte der Gifte und der Vergiftungen, wobei auch hier wieder das Verhältnis von Wissen, Macht und Geschlecht im Hintergrund steht. Weitere Forschungsschwerpunkte sind Geschlecht und Arzneimittel, Geschlechterforschung und Lebenswissenschaften sowie Metaphorologie.
Die angewandten Methoden stammen aus der Textforschung (Diskursanalyse, Metaphorologie), der experimentalhistorischen Forschung sowie der Genderforschung.
In der Lehre bestreitet Bettina Wahrig die Lehrveranstaltungen zu Pharmazeutischer Terminologie und Geschichte der Naturwissenschaften mit Schwerpunkt Pharmaziegeschichte, Spezielle Rechtsgebiete für Apotheker_innen und Wahlpflichtfach im Rahmen des Pharmaziestudiums. Außerdem bietet die Abteilung (durch Privatdozent_innen und Lehrbeauftragte sowie durch B. Wahrig) zahlreiche Blockseminare an, die eingebracht werden in die Bachelorstudiengänge von Fakultät 6, ins "Pool Modell" (fächerübergreifende Lehrveranstaltungen aller Fakultäten) sowie in den Studiengang "Kultur der Technisch-Wissenschaftlichen Welt".
Es besteht u. a. eine Kooperation mit dem Braunschweiger Zentrum für Gender Studies, dem Historischen Seminar der TU Braunschweig, dem Institut für Medienwissenschaften der Hochschule für Bildende Künste, der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel sowie dem Max Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin.